In der Klimapolitik arbeiten ÖVP, SPÖ und Neos bisher gegen ihr eigenes Regierungsprogramm. Der Umbau des Energiesystems wäre eine gute Gelegenheit, nun in die richtige Spur zu finden. Katharina Rogenhofer über Doppelbudget, die Folgen, und wie es besser ginge.
Üblicherweise gibt man einer neuen Regierung eine Schonfrist von 100 Tagen, ehe man eine erste Zwischenbilanz zieht. Nun sind ÖVP, SPÖ und Neos zwar erst knapp 80 Tage in Regierungsverantwortung. Gerade klimapolitisch haben sie jedoch einen Weg des Rückschritts eingeschlagen, der mit der Präsentation des Doppelbudgets 2025/26 vergangene Woche einen unrühmlichen Höhepunkt erlebte.
Dabei war der Start noch einigermaßen vielversprechend. Das Regierungsprogramm ließ zwar deutlich weniger klimapolitische Ambition erkennen als jenes der Vorgängerregierung und blieb bei konkreten Maßnahmen eher vage, aber die meisten Ziele waren die richtigen: Bekenntnis zur Klimaneutralität 2040, den EU-Klimazielen, Ökologisierung der klimaschädlichen Subventionen, Null-Emissionen in der Raumwärme, Ausbau der Erneuerbaren Energien und dergleichen mehr.
Nun, eben rund 80 Tage später, fällt eine Zwischenbilanz ernüchternd aus. Natürlich war nicht zu erwarten, dass diese großen Themen in so kurzer Zeit umgesetzt werden. Aber es gab nicht nur keine Fortschritte oder Stillstand, sondern aktive Rückschritte.
Anstatt sie zu ökologisieren, wurden mit der Verdreifachung des Pendlereuros und der NoVA-Befreiung von fossilen Kleintransportern de facto neue klimaschädlichen Subventionen eingeführt. Im Auto in die Arbeit zu pendeln, wird aktiv gefördert, während das Klimaticket empfindlich verteuert und der Ausbau des Eisenbahnnetzes verzögert wird. Statt Maßnahmen für den Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen im Bestand zu setzen, wurden Förderungen dafür gestrichen.
Aus klimapolitischer Sicht sind die budgetären Maßnahmen, die die Regierung bisher gesetzt hat und die im neuen Doppelbudget vorgesehen sind, ausschließlich kontraproduktiv. Damit rücken auch die EU-Klimaziele 2030 in weite Ferne. Die damit drohenden Strafzahlungen in Milliardenhöhe werden sich als Bumerang für die Budgetsanierung erweisen.
Der rückschrittliche Kurs kann sich in vielfacher Weise als kontraproduktiv erweisen, nicht nur beim Klima oder Budget, sondern auch mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, der allgemeinen Leistbarkeit und der Unabhängig und Sicherheit des Landes. Das gilt speziell für den Umbau des österreichischen Energiesystems. Gerade hier steht die Regierung vor einer entscheidenden Herausforderung.
Hohe Energie- und Netzkosten belasten Haushalte und Unternehmen. Doch obwohl erneuerbare Energie den heimischen Stromverbrauch im Jahr 2024 zu 95 Prozent decken konnte, profitieren Industrie und Bevölkerung derzeit kaum von den niedrigeren Preisen der Erneuerbaren.
Das KONTEXT Institut für Klimafragen hat das heimische Energiesystem unter die Lupe genommen und zehn Schritte identifiziert, die einen sauberen und effizienten Umbau ermöglichen. Die Analyse kommt zum Ergebnis: Erst wenn Stromerzeugung, Netze, Verbrauchsverhalten und rechtliche Rahmenbedingungen grundlegend auf ein zukunftsfähiges Energiesystem ausgerichtet sind sinken die Kosten nachhaltig.
Im Vordergrund steht dabei der gezielte Ausbau der erneuerbaren Energie, vor allem jener der Windkraft. Bei der Erzeugung erneuerbarer Energie ist jedoch nicht nur die Ausbaumenge entscheidend, sondern auch der Standort. Strom sollte dort erzeugt werden, wo er besonders gut genutzt werden kann – etwa dort, wo große industrielle Abnehmer, Speicher oder genügend Netzkapazitäten vorhanden sind.
Auch der gezielte Ausbau von Netzen und Speicher ist zentral. Intelligente Lösungen sind notwendig, um die Energieverteilung und den -verbrauch zu steuern. Echtzeitinformationen aus Sensorik- und Smart-Meter-Daten, dynamische Strom- und Netzpreise und Flexibilitätsmärkte können dabei nützlich sein. Das entlastet Netze und reduziert deren Ausbaubedarf und somit die Kosten.
Derzeit wird nur knapp ein Viertel des österreichischen Energieverbrauchs durch Strom gedeckt. Der Umstieg auf Strom für Heizen, Mobilität und Industrie ist nicht nur notwendig, um auch in diesen Bereichen von Öl und Gas loszukommen. Ein höherer Elektrifizierungsgrad macht das Energiesystem auch effizienter, flexibler und langfristig kostengünstiger.
Strombasierte Anwendungen, wie etwa Wärmepumpen, benötigen deutlich weniger Energie als Öl- und Gasheizungen. Gleiches gilt für E-Mobilität und elektrifizierte industrielle Prozesse. Obwohl der Strombedarf durch die Elektrifizierung steigt, sinkt damit der gesamte Energiebedarf. Fixkosten für Erzeugung, Netze und Speicher verteilen sich durch die Elektrifizierung auf mehr Abnehmer:innen und werden damit leistbarer.
Zudem sind viele dieser Anwendungen zeitlich steuerbar und können damit netz- und systemdienlich eingesetzt werden. Der Einsatz von Sektorkopplung, also die Nutzung von Strom in anderen Sektoren, wie zum Beispiel Mobilität, kann neben Speichern dem System helfen: Wenn etwa E-Autos in Haushalten dann geladen werden, sobald Energieüberschüsse bestehen, oder diese zur Wärmebereitstellung in Pufferspeichern genutzt wird.
All diese Maßnahmen erfordern nicht nur gezielte Investitionen, sondern auch viel politischen Willen. Beim Ausbau der Windkraft sind zwar in erster Linie die Bundesländer gefordert. In allen weiteren Fragen liegt die Zuständigkeit aber bei der Bundesregierung.
Das Erneuerbaren-Ausbaubeschleunigungsgesetz (EABG) und das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) sind die beiden Schlüsselgesetze, die die rechtlichen Rahmenbedingungen für den raschen Ausbau erneuerbarer Energien und die intelligente Steuerung von deren Verteilung und Verbrauch schaffen. Beide Gesetze liegen beschlussfähig vor.
Im Regierungsprogramm hatten ÖVP, SPÖ und Neos versprochen, sie noch vor dem Sommer 2025 zu verabschieden. Ob dieses Versprechen gehalten werden kann, ist noch offen.
Nach dem klimapolitischen Fehlstart im Budget wären diese Maßnahmen, eine gute Gelegenheit, in die richtige Spur zu finden. Erneuerbare Energie liegen in großer Menge und das ganze Jahr über vor unserer Haustür. Sie zu nutzen würde die Energiekosten dauerhaft senken, das Leben leistbarer, die Wirtschaft wettbewerbsfähiger und uns alle unabhängiger machen. Es würde uns Energiefreiheit verschaffen.
Katharina Rogenhofer studierte Zoologie in Wien und "Biodiversity, Conservation and Management" an der Universität Oxford. Sie ist Initiatorin von FridaysForFuture Österreich, Autorin, war Sprecherin des Klimavolksbegehrens. Aktuell ist sie Vorständin des KONTEXT Institut für Klimafragen