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Das sagt die Kritik zu den Schweinen in der Oper
"Animal Farm": George Orwells Parabel auf die Sowjetunion unter Stalin gibt es jetzt auch als Singstück. Das von Publikum wie Kritik gefeierte Stück ist im März noch drei Mal in der Staatsoper zu sehen.

"Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher als die anderen." Der berühmteste Satz aus George Orwells weltbekannter Fabel "Animal Farm / Farm der Tiere" prangt in knallrosa Neonleuchtschrift über der Bühne der Wiener Staatsoper. Das Haus am Ring hatte, gemeinsam mit drei weiteren europäischen Opernhäusern, den russischen Komponisten Alexander Raskatov mit einer Oper nach der Kommunismus-Parabel des englischen Schriftstellers beauftragt. Die vielumjubelte Premiere des Stücks fand am 28. Februar statt, in den kommenden Tagen steht "Animal Farm" noch drei Mal in Wien am Spielplan.
Tiere an die Macht George Orwell, der sich selbst als Sozialist verstand und 1936 auf Seiten der Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg kämpfte, war einer der schärfsten literarischen Kritiker des sowjetischen Totalitarismus, wie er sich nach der Machtergreifung Josef Stalins immer brutaler und ungehemmter entwickelte. In seinem Buch "Farm der Tiere" beschrieb er eindringlich die Entwicklung der Sowjetunion von der Oktoberrevolution 1917 bis zu den stalinistischen "Säuberungen" Ende der 19030er-Jahre in Form einer Fabel. Die ausgebeuteten Tiere eines Bauernhofs in Südengland verjagen den Bauern und übernehmen die Macht auf dem Hof. Aber trotz großer Ideale und Beschwörungen der Gleichheit aller, stellen sich die Schweine des Hofs schon bald über die anderen Tiere und entwickeln sich zu den noch schlechteren Menschen.
Im Auftrag der CIA Nach Orwells frühem Tod mit 46 im Jahr 1950, erwarb der amerikanische Geheimdienst CIA über Mittelsmänner die Rechte an "Farm der Tiere" und benutzte das Werk, um es propagandistisch gegen den Sowjet-Kommunismus einzusetzen. Es wurden Buchausgaben davon in den Ostblock geschleust, ein Zeichentrickfilm produziert sowie ein Comicstrip in Auftrag gegeben und publiziert. Und im Osten war das Werk bis 1988 strengstens verboten und sein Besitz wurde mit schweren Strafen geahndet.

"Animal Farm" sehen und hören Die Wiener Inszenierung des Stückes unter der Regie des Italieners Damiano Michieletto und mit dem Briten Alexander Soddy am Pult, steht im März noch drei Mal auf dem Programm, nämlich am 5., 7. und 10. März, Beginn ist jeweils um 19 Uhr. Die Ö1-Liveübertragung der Aufführung vom 2. März ist noch bis 31. März auf sound.orf.at zum Nachhören abrufbar.
Die Kritiken zu "Animal Farm" - das sagt die Presse
Die Presse: "Eine musikalisch anspielungsreiche, hochtourige Groteske, werkdienlich in Szene gesetzt. Der orchestrale Soundtrack mit allerlei schriller Vokalakrobatik wird souverän koordiniert: einhelliger Jubel."
Kronen Zeitung: "Musikalisch, szenisch und optisch ein Wurf, präzise, eiskalt, beklemmend. Dirigent und Orchester kosten die kleinteilige, oft fragmentarisch wirkende Musik in prächtigen Farben aus. Die Besetzung stimmt bis in die kleinsten Rollen. Perfekt der Staatsopernchor. Das Publikum war begeistert - besonders von den Tiermasken."
Kleine Zeitung: "Aus dem riesigen Arsenal der Musikstile destilliert der Komponist seine eigene Tonsprache und erfindet tierische Ausdrucksformen hinzu. Da wird gemuht, gemäht und gewiehert. Was die Stimmen nicht vermögen, leistet das ausufernde Schlagwerk. Der Regisseur bündelt das schaurige Geschehen zu packenden Bildern. Die Solisten und den glänzenden Chor in faszinierenden Tiermasken transformiert er in animalische Charaktere."
Kurier: "Eine Opernproduktion, bei der alles passt. Der Dirigent agiert umsichtig und koordiniert die groß besetzten Chöre famos. Am schönsten klingt die Musik, wenn es um Emotionen geht. Sphärenklänge signalisieren Hoffnung, den Traum von einem besseren Leben. Höchste Ansprüche stellt die Partitur ans Ensemble, das diese mit Hingabe bewältigt. Jubel für alle Mitwirkenden und viele Bravos für den Komponisten."

Der Standard: "Inhaltlich ist die Oper von brisanter Innenspannung. Musikalisch allerdings wird das Werk – im Orchestralen – gleichsam zu seinem eigenen Hindernis. Immer wieder leuchten zwar einzelne reizvolle Passagen auf. Leider entsteht aus der Stil- und Ausdrucksvielfalt jedoch keine Bewegung. Die Sängerinnen und Sänger sind nicht nur mit Tiermasken verhüllt – sie imitieren auch animalisches Verhalten in einer Art und Weise, die sie punktuell auf die Stufe von Laientheater herabkatapultiert, bis sie durch ihre Menschwerdung dann maskenlos doch etwas glaubwürdiger werden. Für das kurze Glück und schnelle Ende einer Gleichheitsutopie gab es, ist nicht zu verschweigen, allerdings nur Zustimmung."
Bayerischer Rundfunk: "Die Inszenierung und das pointierte Libretto führen eine satirische und gleichzeitig abgründige, immer wieder sadistische Szene vor. Vor allem überwältigt die Komposition. Grunzen, Blöken, Wiehern und Meckern bestimmen die oft kurzen gesanglichen Ausbrüche, bisweilen in wahnwitzigen Koloraturen und oft in abenteuerlichen Tonwechseln. Die Inszenierung überzeugt, weil sie keine plumpen Aktualisierungen vornimmt. Wie die Musik ist sie nicht selten auch lustvoll und mit bösem Humor. Doch gerade dadurch kommt die "Farm der Tiere" gegenwärtigen politischen Ängsten, Befürchtungen, Bedrohungen gespenstisch nahe. Es ist ein intellektueller Weckruf, effektvoll, publikumswirksam, ja trotz des klassischen Stoffes wie selbstverständlich auf die unmittelbare Gegenwart bezogen."
Die deutsche Bühne: "Die Inszenierung von ist unumwunden hochpolitisch sowie stets systemkritisch und voller Zitate, denn zu den zuvor in neonpink strahlenden Buchstaben 'All animals are equal' gesellt sich am Ende der Schriftzug 'but some of them are more equal than others'. Das also bleibt von den Thesen des Animalismus übrig. Und die Worte spiegeln sich in einer realen Klassengesellschaft wider, die Orwell bereits kritisierte."