4. staffel ist da

"Die Discounter" – so lustig geht's in Supermärkten zu

Die Mockumentary-Serie "Die Discounter" überzeugt auch in der neuen 4. Staffel durch ungewohnt frischen, deutschen Humor, der dabei dennoch die Grenzen des Erträglichen austestet. Ab sofort auf Amazon Prime.

Wäre auch in der Serie lieber Rapperin geworden: die deutsche Rap-Sängerin Nura Habib Omer als Supermarkt-Kassiererin Flora in "Die Discounter"
Wäre auch in der Serie lieber Rapperin geworden: die deutsche Rap-Sängerin Nura Habib Omer als Supermarkt-Kassiererin Flora in "Die Discounter"
Dennis Dirksen
Christian Klosz
Uhr
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Spätestens mit "The Office" begann der Siegeszug der sogenannten Mockumentary-Comedy-Formate, die den Stil von Dokus kopieren, aber eine fiktive Handlung präsentieren. "Was wäre, wenn Menschen wirklich so wären?" – um diese Frage kreisen diese Serien. Sie stellen oft auch archetypische Charaktere und Mikro-Kosmen dar, die es in der Realität so oder in ähnlicher Form tatsächlich gibt, und verstehen sich so als Gesellschaftssatire. Der Mockumentary-Erfolg in den frühen 00er-Jahren hatte nicht zuletzt auch mit dem Siegeszug des Reality-TV zu tun, das diese Serien in gewisser Weise durch Übertreibung parodierten.

"Die Discounter", Staffel 4: Wie eine große, glückliche, etwas schräge Familie wirkt das Team der Filiale von "Feinkost Kolinski" in Hamburg-Altona
"Die Discounter", Staffel 4: Wie eine große, glückliche, etwas schräge Familie wirkt das Team der Filiale von "Feinkost Kolinski" in Hamburg-Altona
Dennis Dirksen

Mockumentary-Frischzellenkur Auf die bekannten englischsprachigen Formate – allen voran das geniale "The Office" von Ricky Gervais aus dem Jahr 2001 – folgten deutschsprachige: "Stromberg" mit Christoph Maria Herbst als so unfähiger wie narzisstischer Chef gilt da bis heute als Klassiker des Genres.

Neue Deutsche Welle "Die Discounter", deren erste Staffel 2021 auf Amazon Prime erschien und sofort ein Hit wurde, unterzog das inzwischen bereits etwas angestaubte Genre einer bemerkenswerten Frischzellenkur, die auch auf das junge Schöpfer-Trio Oscar und Emil Belton sowie Bruno Alexander, alle damals um die 20 Jahre alt, zurückzuführen ist. Produziert wird das Format übrigens von Christian Ulmen, selbst ein Pionier der deutschen Fernsehunterhaltung (etwa mit der Reality-TV-Serie "Mein neuer Freund").

Bewährte Formel Die bisherigen 3 Staffeln der "Discounter" konnten allesamt uneingeschränkt überzeugen, auch weil die Formel stets beibehalten wurde: Sprudelnde Kreativität, Anarcho-Humor, geniale Drehbuch-Einfälle, tolle Darsteller und viel Improvisation. Staffel 4 startete nun mit den 6 ersten Folgen, die letzten 4 werden kurz vor Weihnachten veröffentlicht, dann ist "Pause", wie die Macher kürzlich kommunizierten. Ob und wann es eine 5. Staffel geben wird, steht in den Sternen.

Simples Setting … Dabei ist das Setting der Serie eigentlich ziemlich unspektakulär: Eine heruntergekommene Filiale der fiktiven Billig-Supermarktkette "Kolinski" in Hamburg, erst am Standort Altona, dann in Billstedt, beides nicht gerade privilegierte Gegenden. Dort spielt sich im Grunde die gesamte Handlung ab, die sich aus mit der Kamera eingefangenen Beobachtungen des Arbeitsalltags der Angestellten ergibt.

Ladendetektiv und "Security-Chef" Jonas (Merlin Sandmeyer) an der Grillstation beim Firmen-Happening
Ladendetektiv und "Security-Chef" Jonas (Merlin Sandmeyer) an der Grillstation beim Firmen-Happening
Dennis Dirksen

… geniale Umsetzung Doch die Art und Weise, wie das umgesetzt wurde und wird, hat etwas Originäres, Frisches, das man so lange nicht (oder noch nie) gesehen hatte, schon gar nicht in einer deutschen Serien-Produktion. Einzigartig und originell ist der politisch unkorrekte Humor, liebenswert der zur Fremdscham einladende Charme der Besetzung. Dass der Mikrokosmos Supermarkt dabei so akkurat und detailreich dargestellt werden konnte, hat übrigens einen Grund: Das Schöpfer-Trio hat sich selbst "Insider-Wissen" über Praktika im Discounter angeeignet.

Kult-Charaktere mit Eigenheiten So wurden die Discounter-Mitarbeiter Thorsten, Pina, Flora, Peter, Jonas und Co. bei ihren Fans schnell zum Kult, und das völlig zurecht. Jeder für sich ist ein Unikat mit schrägen Eigenheiten: Der Filialleiter Thorsten (Marc Hosemann) ist an sich für den Posten völlig ungeeignet, schreit seine Angestellten an und behandelt sie wie Dreck, die lieben ihn aber trotzdem irgendwie, weil er "einer von ihnen" ist. Flora, gespielt von der Rap-Sängerin Nura Habib Omer, träumt auch in der Serie von einer Karriere als Rapperin, hat aber in der Kolinski-Belegschaft eine (ziemlich kaputte) Ersatzfamilie gefunden.

Filialleiter Thorsten (Marc Hosemann, l.) und sein Team im Einsatz am Supermarktparkplatz
Filialleiter Thorsten (Marc Hosemann, l.) und sein Team im Einsatz am Supermarktparkplatz
Dennis Dirksen

Liebenswerte Witzfiguren Der Macho Peter (Ludger Bökelmann) hält sich selbst für den Coolsten, gerät aber immer wieder in peinliche Situationen, die ihn von seinem hohen Ross plumpsen lassen. Die Streberin Pina (Klara Lange) zeigt Ambitionen als Filialleiterin, für den Posten wäre sie zweifellos besser geeignet als Thorsten, als Problem erweist sich aber ihr überschießendes Pflichtbewusstsein. Und "Security-Chef" Jonas (Merlin Sandmeyer) ist eine einzige Witzfigur, völlig absurd und lächerlich, manchmal bemitleidenswert – und dabei trotzdem irgendwie liebenswert dargestellt.

Archetypen und Antihelden Alle Protagonisten sind kondensierte Archetypen – der Macho, die Streberin, der unfähige Boss, der Trottel – die es so oder ähnlich in der echten Welt gibt. Sie sind auch allesamt hoffnungslose Fälle und klassische Antihelden, deren Schwächen ausgiebig, aber nicht ohne Sympathie dargestellt werden. Ihre Perspektivlosigkeit schweißt sie zusammen und sie machen das Beste aus dem, was sie nicht haben. Und das macht unheimlich Spaß – beim Zuschauen, aber offenbar auch den Darstellern selbst.

Gut drauf: das Team von "Die Discounter" bei der Präsentation der neuen 4. Staffel am 20. November in Berlin
Gut drauf: das Team von "Die Discounter" bei der Präsentation der neuen 4. Staffel am 20. November in Berlin
Nicole Kubelka / Action Press / picturedesk.com

Fortsetzung von Altbekanntem Staffel 4 von "Die Discounter" knüpft inhaltlich und formal dort an, wo Staffel 3 endete, auch wenn es handlungstechnisch noch weniger Konkretes gibt als schon zuvor: Titus (Bruno Alexander) möchte nach dem Wechsel in die innerstädtische "Nobelfiliale" von Kolinski (Gastauftritt: Claudia Obert als herrische Kundin) doch wieder zurück an seine alte Arbeitsstätte, weil er Lia (Marie Bloching) vermisst.

Alltägliches Discounter-Chaos Auch Jonas will, dass Titus zurückkommt, und steckt ihm Thorstens Briefe zu, die Titus für Lias hält. Während Thorsten glaubt, mit Titus zu schreiben, und sich für dessen geplante Rückkehr extra ein neues Auto zulegt. Er selbst möchte Regionalleiter von Kolinski werden und muss dafür in eine Fortbildung. Ein Sicherheitstraining für die Belegschaft wird zur Shit-Show, Jonas wird von einem kleinen Mädchen terrorisiert. Und Peter wird zum Klimaaktivisten.

Im Jahr 2023 erhielt "Die Discounter" den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie "Beste Comedy-Serie", entgegengenommen wurde die Auszeichnung von Klara Lange, Nura Habib Omer und Ludger Bökelmann (v. l.)
Im Jahr 2023 erhielt "Die Discounter" den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie "Beste Comedy-Serie", entgegengenommen wurde die Auszeichnung von Klara Lange, Nura Habib Omer und Ludger Bökelmann (v. l.)
Rolf Vennenbernd / dpa / picturedesk.com

Solides Fan-Service Qualitativ kann die 4. Staffel von "Die Discounter" nicht ganz an die bisherigen Staffeln anknüpfen, bietet aber immer noch genug der bekannten Trademarks der Serie, um Fans zufriedenzustellen. Gerade die 4. Folge ist bemerkenswert, da sie ein auf "Discounter"-Art umgesetztes Plädoyer für Klimaschutz enthält und eine für die Serie ungewohnte Ernsthaftigkeit zeigt – aber dennoch nicht ohne Humor: Genial aufs Korn genommen wird dabei uninformierte Klimawandel-Leugnung (Jonas verkommt zum Schwurbler und "Flacherdler"), aber auch plakative Klimaschutz-Selbstdarstellung als elitäres Phänomen (über Gaststar Fahri Yardim), das man sich leisten können muss. Ach ja: Und auch Anke Engelke hat einen Gastauftritt.

Fazit "Die Discounter" bleiben kurzweilig, unterhaltsam, sehenswert und sich selbst treu, auch wenn das hohe Niveau der ersten Staffeln nicht ganz gehalten werden kann. Vielleicht ist eine Pause nach der 4. Staffel gar keine so eine schlechte Idee, die Serien-Schöpfer haben inzwischen ja auch weitere Projekte am Start, die ihre Aufmerksamkeit brauchen. Ob eine Aufsplittung der vorerst letzten Staffel in 2 Teile angesichts der recht kurzen Dauer der einzelnen Folgen aber wirklich nötig war, bleibt dahingestellt.

"Die Discounter", Staffel 4, Deutschland 2024, 10 Episoden à ca. 25 Min., Episoden 1-6 ab sofort, Episoden 7-10 ab 23. Dezember auf Amazon Prime

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