Eröffnung

Dritte Albertina öffnet: Das macht jetzt Lust auf Kunst

Direktor Klaus Albrecht Schröder erklärt, womit er 100.000 Besucher pro Jahr ins ehemaligen Essl Museum Klosterneuburg locken will.

"The Selfish Gene" von Marc Quinn: Die Skulptur ist in der Eröffnungsschau der neuen Albertina Klosterneuburg zu sehen.
"The Selfish Gene" von Marc Quinn: Die Skulptur ist in der Eröffnungsschau der neuen Albertina Klosterneuburg zu sehen.
Heute / Sabine Hertel
Newsflix Redaktion
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Zweites Leben für das Essl Museum in Klosterneuburg: Am Mittwoch, dem 10. April, öffnet die Albertina in dem riesigen, 1999 eröffneten Museumsbau von Heinz Tesar mit der Albertina Klosterneuburg ihre dritte "Spielstätte" neben der Ur-Albertina hinter der Staatsoper sowie der Albertina Modern im Künstlerhaus am Karlsplatz. Die Albertina Klosterneuburg soll eine Ergänzung zu den beiden Häusern in der Innenstadt darstellen und zudem die Stadt Klosterneuburg und das Umland kulturell beleben.

Wechselvolle Geschichte Das Essl Museum musste 2016 seine Pforten schließen und diente seither der Albertina als Depot. Die Sammlung Essl, abzüglich zahlreicher Werke, die vor einigen Jahren versteigert werden mussten, kam im Rahmen einer Schenkung an die Albertina. Nach diversen baulichen Adaptierungen an dem Gebäude, wird nun mit drei Ausstellungen Wiedereröffnung gefeiert. "Es ist eine Vision, die Wirklichkeit geworden ist", so Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder.

Stärkung für die Region Er sieht in der Albertina Modern nicht nur eine sinnvolle Ergänzung der Albertina-Struktur, sondern auch eine Kräftigung der Region: "Der dezentrale Standort an der Peripherie einer Großstadt stellt für die Region einen wichtigen Impuls dar", so Schröder. "Neben dem Institute of Science an Technology Austria (ISTA), dem Stift Klosterneuburg und dem Museum Gugging wird die Region mit der Albertina nun mit einer Marke von internationaler Strahlkraft gestärkt."

Saison bis Anfang November Die Saison in Klosterneuburg geht heuer bis 2. November. Donnerstag bis Sonntag wird die Albertina von 10 bis 18 Uhr offen haben. Am ersten Wochenende, also von 13. bis 14. April, haben alle Interessierten freien Eintritt, auch die Führungen sind an diesem Wochenende kostenlos. Zudem wartet ein offenes Atelier auf Kinder und Erwachsene, die verschiedene künstlerische Techniken ausprobieren wollen. Das Café des Hauses hat ebenfalls von 10 bis 18 Uhr offen und ist mit Möbeln, die von Charles und Ray Eames gestaltet wurden, ausgestattet.

    Ab 10. April geöffnet: Albertina Klosterneuburg
    Ab 10. April geöffnet: Albertina Klosterneuburg
    Stefan Olah
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    Drei Schauen zum Start

    Zu Beginn werden in der Albertina Klosterneuburg drei verschiedene Schauen zu sehen sein:

    Pop-Art - The Bright Side Of Life "Kunstgeschichtlich ist die Pop-Art die Reaktion auf die Abstraktion in der Malerei, den vermeintlichen Endpunkt ihrer Entwicklungsgeschichte. Mit Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Mel Ramos und Alex Katz tritt das Gegenständliche in der Kunst wieder machtvoll in Erscheinung: nicht als "Nachahmung" der Natur, sondern als "Aneignung" von bereits existierenden Bildern. Ob Fotos oder andere Bilder aus Zeitungen, Comics, Illustrierten oder Werbeanzeigen: Jede Person, jeder Gegenstand wird zur Ware, zum Fetisch, zur Celebrity, zum Konsumobjekt."

    Von Hundertwasser zu Kiefer – Vom Symbol der Freiheit zu den Schatten der Vergangenheit "Gegenständliche Kunst ist Propaganda, die Ausdrucksform von Diktaturen vom Nationalsozialismus bis zum Stalinismus. Abstrakte Malerei ist die Antwort auf diesen Realismus im Dienst der Propaganda. Abstraktion als existenzieller Selbstausdruck des Künstlers entsteht aus der Weigerung, sich in Kunst und Form Gesetzen und Regeln zu unterwerfen. Dass man als nonkonformistischer Abstrakter auch populär und geradezu volkstümlich werden kann, beweist in Österreich der als Maler wie Architekt tätige Friedensreich Hundertwasser."

    Die lädierte Welt "Der Mensch in seiner endlichen, von Krankheit und Tod bedrohten Existenz ist auch Träger der Wunden, die die Gesellschaft dem Einzelnen schlägt. Vom vergeblichen Streben des Sisyphos bei Franz West, der strafenden Hand Gottes bei Kurt Moldovan und dem Leiden am Bürgerkrieg bei Fritz Wotruba bis zur tödlichen Krankheit Aids und den Verbrechen der US-Armee im irakischen Gefängnis Abu Ghraib, von den verbrannten Körpern von Auschwitz bis zur Flüchtlingskrise reichen die Bilder einer lädierten Welt, die uns die Kunst vor Augen stellt."

    Stolz auf seine dritte Spielstätte: Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder mit der Skulptur "Stripped (Red)" von Marc Quinn in der Schau "Die lädierte Welt".
    Stolz auf seine dritte Spielstätte: Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder mit der Skulptur "Stripped (Red)" von Marc Quinn in der Schau "Die lädierte Welt".
    Heute / Sabine Hertel

    Treibende Kraft hinter der neuen Albertina Klosterneuburg war und ist Klaus Albrecht Schröder, seit mittlerweile 25 Jahren "Mastermind" der Albertina und ihrer Expansion. Mit Newsflix sprach Schröder über sein "neuestes Baby":

    Welche Schwerpunkte wird die Albertina Klosterneuburg haben im Vergleich zu den anderen Standorten?

    "Wichtig ist, wo Albertina draufsteht, ist Albertina drin. Gleichzeitig unterscheidet sich die Albertina Klosterneuburg von den beiden anderen Standorten dadurch, dass dort ausschließlich Kunstwerke aus dem Besitz der Albertina gezeigt werden, also keine Leihgaben. Wir werden dort jeweils drei Ausstellungen gleichzeitig präsentieren.

    Zu Beginn zeigen wir den Übergang von der abstrakten Malerei der 50er-Jahre zur gegenständlichen Malerei der 60er-Jahre, wir zeigen eine Ausstellung zu amerikanischen Pop-Art im Verhältnis zu österreichischen und wir zeigen eine Skulpturenausstellung, die sich mit den Krisen beschäftigt, die die Menschheit heimsuchen, von der Aids-Epidemie über den österreichischen Bürgerkrieg in den 1930er-Jahren bis zu den Verfolgungen der Amerikaner in Gefängnissen in Abu Ghraib 2004 und vieles mehr. Auf 3.000 Quadratmetern werden wir mehr Kunst nach 1945 zeigen als jedes andere Museum in Österreich, auch mehr als die Albertina Modern."

    Wie wird sich die Erweiterung der Albertina auf das Ausstellungsprogramm und die Sammlungsstrategie auswirken?

    "Wir besitzen insgesamt 1,1 Millionen Kunstwerke, 65.000 Werke besitzen wir alleine an Kunst nach 1945. Wir wollen nicht, dass diese Kunst im Depot versteckt ist. Es gehört zu den Kernaufgaben des Museums, zu sammeln und zu erforschen, aber was gesammelt ist, muss auch gezeigt werden. Und da wir hier in unserem Hauptstandort keine Anbauten mehr vornehmen können und auch keine Erweiterungen bei der Albertina Modern, war klar, dass wir einen dritten Standort erschließen müssen. Und da hat sich das ehemalige Essl Museum angeboten."

    Da wir in Wien keine Erweiterungen mehr vornehmen können, war klar, dass wir einen dritten Standort erschließen müssen
    Albertina-Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder

    Welche Herausforderungen gab es bei der Umgestaltung des Standorts?

    "Das Museum ist in den 1990er-Jahren errichtet worden, im 21. Jahrhundert haben wir aber aufgrund der Klimaveränderungen ganz andere Herausforderungen und viel höhere Standards. Das fängt damit an, dass wir das Museum mit einer Fotovoltaikanlage ausgestattet haben, dass das gesamte Licht auf LED umgerüstet worden ist, dass heute alle drei Hallen, und nicht nur eine, voll klimatisiert sind. Und trotzdem haben wir 280 Tonnen CO2 im Jahr eingespart. Zusätzlich haben wir das Außenhaus wesentlich besser isoliert, sodass wir auch da Energieverlust einsparen. Das sind technologische Verbesserungen, die die Kunst schützen, erhalten, verbessern und es uns gleichzeitig erlauben, die Energiekosten deutlich herunterzufahren."

    Es ist Ihr letztes Jahr als Albertina-Direktor – wird die Eröffnung des neuen Standorts ihr letztes großes Projekt?

    "Ein neues Museum eröffnet nicht alle 14 Tage und ich bin jetzt seit 25 Jahren der Generaldirektor der Albertina, das ist schon einer der Höhepunkte in meiner Laufbahn. Aber die Vorgeschichte dieses Museums beginnt nicht jetzt und nicht vor drei Jahren, sondern 1999. Damals habe ich die Diversifikation der Sammlungen zu einer Ausstellungsstruktur gemacht. Wir hatten Zeichnungen und Druckgrafik von den anderen Kunstgattungen wie Malerei nicht länger isoliert, und das wurde konsequent weiterentwickelt zu einer Diversifikation der Sammlungen.

    Wir haben Fotosammlungen gegründet, 2007 haben wir die klassische Moderne gegründet, von Monet bis Picasso. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte verfügt die Albertina jetzt über eine permanente Schausammlung. 2014 haben wir die Kunst der Gegenwart gegründet. 2020 haben wir, weil der Inhalt schneller gewachsen als die architektonische Hülle, die Albertina Modern gegründet, das war ein wichtiger Meilenstein in der Expansion der Albertina. Und jetzt, 2024, im letzten Jahr meiner Direktion, kann ich die Albertina Klosterneuburg als einen wichtigen Höhepunkt meiner Laufbahn verbuchen."

    Das ehemalige Essl Museum heißt jetzt Albertina Klosterneuburg
    Das ehemalige Essl Museum heißt jetzt Albertina Klosterneuburg
    Heute / Sabine Hertel

    Welches sind Ihre persönlichen Erwartungen an die Albertina Klosterneuburg?

    Das Wichtigste für mich ist, dass diese Kunst zugänglich gemacht, dass sie nicht weggesperrt wird. Für die Grafische Sammlung haben wir einen Studiensaal, um gerade nicht gezeigte Kunstwerke dennoch Interessierten vorlegen zu können. Bei der Gegenwartskunst geht das nicht, das sind riesige Formate. Das heißt, wir können in Klosterneuburg gleichsam einen Studiensaalbetrieb machen und trotzdem haben wir ein ganz modernes Museum. An den BesuchIch habe keine gesteigerten Erwartungen. Wenn wir zwischen 80.000 und 100.000 Besucher im Jahr haben, bin ich mehr als zufrieden. Die Ertragskraft der Albertina ist so groß, dass wir bei über einer Million Besucher beim Hauptstandort nicht auf die Besucherzahlen in Klosterneuburg angewiesen sind."

    Wie wurde der neue Standort finanziert?

    "Wir konnten aufgrund unserer hohen Ertragskraft die Finanzierung dieses Museums ohne Erhöhung der Basissortierung, ohne Erhöhung der Subvention des Staates, ohne Mittel seitens des Landes Niederösterreich bewerkstelligen. Wir haben letztes Jahr eine Bilanzsumme von 135 Millionen Euro gehabt mit 350 Mitarbeitern und haben neun Millionen Euro Subventionen erhalten. Unsere Ertragskraft durch den Besuch ist so groß, dass wir das finanzieren können. Aber wir sind sehr dankbar und glücklich, dass wir einen neuen Jahrespartner gewonnen haben, die Verbund AG, die uns beim Tragen der allgemeinen Betriebskosten hilft. Aber dieses Haus ist schon sein 2007 ein wichtiger Standort der Albertina, somit ist nur ein ganz geringer Zusatzaufwand für die Bewachung notwendig, denn die Miete für das Gebäude zahlen wir sowieso."

    Wie viel hat die Albertina in dieses Projekt investiert?

    "Die Investitionen für die Eröffnung als Museum war fünfstellig, also ganz klein. Alle anderen Investitionen, die wir getätigt haben, um das Museum Klimafit zu machen, hätten wir jedenfalls tätigen müssen, auch wenn wir es weiterhin nur als Zentraldepot genutzt hätten, weil das der Auftrag an die Bundesmuseen ist, alles zu unternehmen, um CO2 einzusparen."

    Das Wichtigste für mich ist, dass diese Kunst zugänglich gemacht, dass sie nicht weggesperrt wird
    Klaus Albrecht Schröder über seine Prioritäten

    Welche Kostenvorteile entstehen für die Albertina durch den Museumsbetrieb in Klosterneuburg?

    "Es ist nicht die Aufgabe eines Museums, ein gewinnbringendes Unternehmen zu sein."

    Ist das Museum langfristig wirtschaftlich tragfähig?

    "Auf jeden Fall. Die Kosten, die wir im Jahr zusätzlich dafür aufwenden, sind so groß wie eine unserer Kleinausstellungen, und wir machen 17 Ausstellungen im Jahr in der Albertina, davon mehrere ganz große, die zwischen zwei und drei Millionen Euro kosten. Diesen Betrag können wir leicht nehmen."

    Der Standort ist öffentlich nicht leicht erreichbar, das kann vor allem für Touristen zu einer Herausforderung werden …

    "Unsere Hauptzielgruppe sind nicht Touristen. Wir wissen, dass Touristen durchschnittlich 2,8 Tage in Wien sind, in dieser Zeit wollen sie in den Stephansdom oder Schönbrunn sehen. Ich glaube nicht, dass wir die Touristen nach Klosterneuburg kriegen. Mir geht es um die Österreicher. Was die Erreichbarkeit betrifft, so geht man von der S-Bahn- und Busstation nur drei, vier Minuten, und man fährt mit dem Zug von der Spittelau weg. Eigentlich ist es leicht erreichbar, aber psychologisch hat man das Gefühl, das ist Niederösterreich, das ist weit weg."

    Wie wird das Museum dazu beitragen, die kulturelle Identität in Klosterneuburg zu bereichern und zu stärken?

    "So wie sich die 42nd Street in New York geändert hat, weil sich dort einige Theater angesiedelt haben und weil dort das Hilton Hotel errichtet wurde, so wird auch diese Etablierung letztendlich die Region bereichern. Klosterneuburg muss auch ein kulturell attraktiver Standort werden, und dazu kann die Albertina ganz entscheidend beitragen."

    Albertina Klosterneuburg – Essl Museum, 10. April bis 2. November, Do. bis So., 10-18 Uhr, Eintritt 9 Euro, das Kombiticket für alle drei Albertina-Standorte kostet 24,90 Euro. Infos: albertina.at

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