Clinton bis Trump
"First Lady": Neues Buch beleuchtet die Schattenfrauen der Macht
Fünf Frauen an der Seite der mächtigsten Männer der Welt. Das neue Buch einer Starjournalistin der "New York Times" enthüllt, was hinter der Fassade steckt.
Was macht eine gute "First Lady" aus? Eine, die bei ihrem Mann bleibt, auch wenn er Bill Clinton oder Donald Trump heißt? Dieser Frage geht die US-Journalistin Katie Rogers in ihrem neuen Buch "American Woman" nach. Rogers, seit 2018 "White House Correspondent" für die "New York Times", hat dafür die Ehefrauen der letzten fünf US-Präsidenten und ihre Zeit als First Lady analysiert. Ihr ernüchterndes Fazit: "Bei allem Glamour und aller Macht, First Ladys sind die am meisten geprüften Freiwilligen in der US-Politik. Sie haben eine Vielzahl an Pflichten, offizielle und solche, die einfach vorausgesetzt werden, und dennoch erhalten sie für ihre Mühen keinen Cent."
Pflichten? Sicher nicht! Herzlich wenig aus ihren Aufgaben hat sich die Ehefrau des 45. und vielleicht auch 47. Präsidenten der USA gemacht. Die 1970 in Slowenien geborene Melania Trump hat dem Polit-Establishment der US-Hauptstadt vom ersten Tag an den manikürten Mittelfinger gezeigt. Ihre spezielle Mischung aus Desinteresse, Ignoranz und purer Verachtung, die sie wie eine Parfumwolke umgeben hat, lässt noch heute Mitarbeiter im Dunstkreis des Weißen Hauses frösteln.
Rumpelkammer im Weißen Haus Ihr Büro im Ostflügel des Weißen Hauses nutzte Melania Trump einzig als "Swag Room", als bessere Rumpelkammer, in der ihr Stab Geschenke verpackte. War die First Lady unterwegs, war eigens ein Mitarbeiter dafür abgestellt, ihren riesigen Kosmetikkoffer, liebevoll "The Brick" – "der Ziegel" genannt, hinter ihr herzutragen. Und um ja keinen Zweifel daran zu lassen, was sie von ihrer Rolle hielt, trug sie im Sommer 2018, also ein Jahr nach der Amtseinführung ihres Mannes, beim Besuch eines Heimes für Migrantenkinder an der Grenze zu Mexiko, eine Jacke mit der Aufschrift "I really don't care. Do U?" – "Mir vollkommen egal. Dir?" auf dem Rücken. Mehr Ignoranz geht kaum.
Ein Job für eine Amerikanerin "Diese Jacke war der Wendepunkt, der jede Hoffnung, Melania könnte ihre Aufgaben doch noch ernst nehmen, zunichte gemacht hat", so New York Times-Expertin Rogers. Für die meisten Amerikaner, die ohnedies schon immer mit der unnahbaren Schönen aus Europa gefremdelt haben, war damit ein für allemal klar: First Lady ist ein Job, den nur eine Amerikanerin machen kann.
Die Aufgaben Die amerikanische Öffentlichkeit erwartet von einer First Lady primär, dass sie feminin und fürsorglich ist und gleichzeitig ihren eigenen Einflussbereich aktiv gestaltet. Ihr politisches Interesse sollte sich auf "weibliche" Themen beschränken (Bildung, Gesundheit, Kinder), sie soll bestenfalls eine eigene erfolgreiche Karriere gehabt haben, die sie aber natürlich bereitwillig für das Amt ihre Mannes aufgegeben hat, um dem amerikanischen Volk unentgeltlich zu dienen. Und selbstverständlich soll sie eine vollendete Gastgeberin sein und den Präsidenten in jeder angemessenen Form unterstützen, was immer das bedeuten mag.
Kein Präsident ohne First Lady Seit es die USA gibt, gibt es First Ladys. Von Martha Washington, Ehefrau von Staatsgründer und erstem US-Präsidenten George Washington, bis Eleanor Roosevelt, First Lady an der Seite von Franklin D. Roosevelt (kurz FDR), nahmen diese ihre Rolle mit mehr oder weniger Glamour, mehr oder weniger Verantwortungsbewusstsein wahr. Vor allem Eleanor Roosevelt, die zwölf Jahre, von 1933 bis 1945 – FDR war der einzige US-Präsident, der vier Mal gewählt worden ist, starb allerdings kurz nach Beginn seiner vierten Amtszeit im Frühjahr 1945 – als First Lady wirkte, definierte die Rolle grundlegend neu.
Pressekonferenzen nur für Frauen Sie gab selbst Interviews und Pressekonferenzen, zu denen ausschließlich Reporterinnen eigeladen wurden. Ab 1936 schrieb sie eine tägliche Zeitungskolumne ("My Day" erschien bis kurz vor ihrem Tod im November 1962), zudem engagierte sie sich im sozialen Bereich und wurde auch zu einer erbitterten Gegnerin der Rassentrennung. Keine First Lady vor ihr hatte ihre Überzeugungen so lautstark kundgetan wie Eleanor – die gleichzeitig klug genug war, ihre Rolle in der Öffentlichkeit massiv herunterzuspielen, um ihrem Mann und ihrer Sache gleichermaßen nicht zu schaden.
Von Jackie bis Nancy Eleanor Roosevelts Nachfolgerinnen re-definierten die Rolle der First Lady dann wieder Stück für Stück. Außer der glamourösen Jacqueline "Jackie" Kennedy, die vor allem als Stilikone auf sich aufmerksam machte und bis heute im kollektiven Gedächtnis geblieben ist, waren die First Ladys bis Ende der 1980er-Jahre allesamt das, was man von ihnen erwartete. Verlässliche und meist unsichtbare Stützen, während ihre Männer im Krieg standen, ob in Korea (Eisenhower), in Vietnam (Johnson und Nixon) oder im Kalten Krieg wie Ronald Reagan, der seine Nancy während der gemeinsamen Zeit in Hollywood kennen und lieben gelernt hatte.
Hillary Clinton im West Wing Gänzlich neue Zeiten brachen an, als Bill Clinton 1993 ins Weiße Haus aufrückte. An der Seite des Demokraten, drittjüngster Präsident der US-Geschichte, kam auch seine Ehefrau Hillary nach Washington – und an die Schalthebel der Macht. Denn die Rechtsanwältin machte kein Hehl aus ihren politischen Ambitionen. Zunächst wollte sie Justizministerin werden (was aber rechtlich unmöglich war), also übernahm sie den Vorsitz einer Arbeitsgruppe mit dem Ziel, eine Reform des nationalen Gesundheitssystems in die Wege zu leiten. Als für alle sichtbares Zeichen ihres Machtbewusstseins bezog Hillary ein Büro im dem Präsidenten vorbehaltenen Westflügel des Weißen Hauses – keine vor oder nach ihr hat das gewagt.
"Keine kleine Frau" Noch vor Amtsantritt ihres Mannes erklärte Hillary Clinton im TV: "Ich sitze hier nicht wie eine kleine Frau, die nur ihrem Mann zur Seite steht." Buchautorin Katie Rogers: "Hillary war gebildeter als ihre Vorgängerinnen, sie war eine Feministin und sie war ehrgeiziger als die meisten, kurz: Sie war eine Frau ihrer Zeit." Was ihr die Amerikaner übel nahmen – und bis heute übel nehmen. Clinton gilt vielen in den USA als Inkarnation all dessen, was sie an der Politik verabscheuen. Dass sie ihrem Mann die demütigende Lewinsky-Affäre offiziell vergeben hat – egal. Dass sie als Senatorin erfolgreich war – sei's drum. Auf Bundesebene wurde Hillary Clinton mehrfach dafür abgestraft, dass sie nicht so war, wie man als First Lady zu sein hat. Rogers: "Clintons Amtszeit hat die Sichtweise der Amerikaner auf die Rolle der First Lady grundlegend verändert."
Wer war da noch? Es folgte eine Phase der Entspannung, zumindest auf dem Posten der First Lady. George W. Bush brachte mit Ehefrau Laura jemanden mit ins Weiße Haus, der wieder wusste, wo sein Platz war. Ihre politische Hauptaufgabe sah sie in der Alphabetisierung der Kinder im Vorschulalter, ansonsten hielt sie ihrem Mann den Rücken frei, während dieser nach den Anschlägen vom 11. September die "Achse des Bösen" attackieren ließ.
Obama-Mania Mit Barack und Michelle Obama bekam das Weiße Haus plötzlich wieder so viel Glamour wie zuletzt unter den Kennedys. Das Anwalts-Paar aus Chicago brach über die USA herein wie ein Polit-Tsunami. Und anders als bei Hillary Clinton, nahmen es die Amerikaner Michelle Obama kein bisschen übel, wie sehr sie sich in die Politik ihres Mannes einmischte. Sie war stets an seiner Seite, beriet ihn politisch und war über acht Jahre Amerikas gutes Gewissen.
"Ich hasse die Politik" Anders als Hillary Clinton, hielt Michelle Obama allerdings nie hinter dem Berg damit, dass sie keinerlei eigene politische Ambitionen hegt. "Sie wissen, dass ich die Politik eigentlich hasse", sagte sie etwa bei einer Wahlkampfveranstaltung für Joe Biden vor vier Jahren. "Aber gleichzeitig ist sie eine der brillantesten Rednerinnen des Jahrhunderts, sie ist eine Supernova", so Buchautorin Katie Rogers. Das sehen viele Amerikaner wohl ähnlich, denn Michelle Obama hat nach wie vor erstklassige Beliebtheitswerte, nicht Wenige würden ihr zutrauen, die erste Präsidentin der USA werden zu können und in den USA gibt es seit Monaten den Spin, sie könnte kurzfristig als demokratische Alternative für den nicht immer fit wirkenden Joe Biden in den Ring gegen Donald Trump steigen, was Polit-Insider jedoch für ausgeschlossen halten.
Jill Biden, die Erste Während Amtsinhaber Joe Biden immer wieder stolpert, verbal oder ganz real, ist seine Ehefrau Jill der Fels in der Brandung für den Präsidenten, der wenige Tage nach der US-Wahl im November 82 wird. Und anders als bei ihrem Mann, finden die allermeisten Amerikaner es auch gut, dass Jill Biden nach wie vor ihrem bürgerlichen Beruf nachgeht, First Lady hin oder her. "Obwohl sie ihre Pflichten als First Lady wahrnimmt, unterrichtet sie nach wie vor Englisch", sagt Autorin Rogers, die Jill Biden im Zuge ihrer journalistischen Arbeit im Weißen Haus sehr nahe gekommen ist. "Das hat noch keine andere First Lady vor ihr getan."
Startvorteil dank Melania Dass das amerikanische Volk Jill Biden diese Extravaganz durchgehen lässt, sieht Katie Rogers einerseits als Zeichen für den Wandel, den die Rolle der First Lady aktuell durchmacht. Und andererseits macht sie auch die vier Jahre mit Melania Trump im Ostflügel des Weißen Hauses (oder eben auch nicht) dafür verantwortlich: "Nach Melania hatte Jill Biden mehr oder weniger Narrenfreiheit in der Weise, wie sie ihre Rolle ausgestalten wollte." Jedenfalls etwas, für die Amerikaner ihrer First Lady a. D. dankbar sein sollten.
"American Woman – The Transformation of the Modern First Lady, from Hillary Clinton to Jill Biden" von Katie Rogers, 304 Seiten, Crown 2024, € 29,80