China nutzt seine Marktmacht bei Seltenen Erden. Russland übt mit Öl und Gas politischen Druck aus. Was hilft Österreich und dem Rest der Welt raus aus der Erpressbarkeit? Eine kluge Energiewende und Kreislaufwirtschaft, sagt Expertin Katharina Rogenhofer.

Plötzlich läuten die Alarmglocken. China hatte kürzlich angekündigt, Exportkontrollen auf Seltene Erden einzuführen. Wieder wird Europa und Österreich schlagartig und schmerzhaft bewusst, wie abhängig wir von anderen Ländern sind.
Seltene Erden sind essenziell für moderne Technologien und für die Ökologisierung besonders relevant. Sie werden für Windrädern ebenso benötigt, wie für E-Autos und Batterien. Besonders wichtig sind sie für Permanentmagnete, die etwa in Elektromotoren verbaut werden.
Laut dem Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) importierte Österreich im Jahr 2023 rund die Hälfte dieser Magnete im Wert von 21,2 Millionen Euro direkt aus China. McKinsey sieht bis zu 50.000 Arbeitsplätze in Österreich bedroht, wenn die Lieferungen ausfallen.
Diese akut schmerzhaft gewordene Abhängigkeit von Rohstoffen, erinnert stark an den Februar 2022 als Russland die Ukraine überfiel. Allen Österreicher:innen wurde schlagartig vor Augen geführt, dass ihr Gas zu 80 Prozent von einem nunmehr kriegstreiberischen Regime stammte und die Einkünfte daraus nicht nur zum Druckmittel wurden, sondern auch direkt in neue Waffen floss.

Damals wie heute, war das Abhängigkeitsrisiko aber abzusehen. Dass Moskau das erpresserische Potenzial dieser Abhängigkeit nutzt, war bereits länger offensichtlich. Zwischen 1991 und 2006, also in Friedenszeiten vor dem Angriff auf die Ukraine, zählte die Stockholmer Defence Research Agency 55 Fälle, in denen Russland die Gaslieferungen aussetzte oder zumindest damit drohte. Viele dieser Fälle waren mit wirtschaftlichen oder politischen Forderungen verbunden.
Ähnlich lang bekannt ist auch die Abhängigkeit von Rohstoffen: Viele heimische Industriezweige sind auf den Import essenzieller Güter, Rohstoffe und Komponenten aus einigen wenigen Lieferländern angewiesen. Besonders im Bereich kritischer Infrastruktur bestehen Abhängigkeiten von Halbleitern und Rohstoffen wie Magnesium und Niob. Die Elektrifizierung und der Ausbau erneuerbarer Energien führen außerdem zu einem steigenden Bedarf an seltenen Erden, wie Kobalt und Lithium.
Solche Abhängigkeiten sind auch dann ein Risiko, wenn keine übelmeinenden Regime ihre Marktmacht missbrauchen. Auch Hindernisse in den globalen Lieferwegen oder Extremwetterereignisse können zu Ausfällen führen und damit ganze Teile der Industrie lahmlegen.
In einem zweiten Aspekt ähnelt die aktuelle Situation, jener vom Februar 2022. Damals, wie heute, lautete die erste politische Reaktion: Diversifizierung. Wenn wir nur das Gas aus anderen Ländern, wie Kasachstan, den Golf-Emiraten oder dem Irak beziehen, befreien wir uns aus der einseitigen Abhängigkeit, lautet damals die Losung.
Auch heute sind die Rufe laut, die Seltenen Erden vermehrt in anderen Ländern zu kaufen und dafür neue Handelsabkommen zu schließen.

Diese Spontanreaktionen sind nachvollziehbar, lösen aber das Problem nicht. Schließlich wird die Abhängigkeit damit zwar gestreut, aber nicht beendet. Eine wirkliche Befreiung schaffen nur tiefgreifende Veränderungen in der Wirtschaft und Gesellschaft.
Die Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten endet für Europa und Österreich dann, wenn wir in der Lage sind, uns günstig mit Energie selbst zu versorgen. Das geht nur mit einem beispiellosen Ausbau der erneuerbaren Energien und der Elektrifizierung von Verkehr, Heizungen und Industrie.
Auch die Abhängigkeit von Rohstoffen schrumpft für Europa und Österreich erheblich, wenn wir es schaffen, uns mit den benötigten Rohstoffen selbst zu versorgen. Da es für die meisten kritischen Rohstoffe und seltenen Erden aber keine ausreichenden Vorkommen in Europa gibt, geht das nur auf zwei Arten.
Einerseits, indem wir die Innovation von Technologien vorantreiben, die ohne diese selten vorkommenden Rohstoffe auskommen. Batterien, die ganz ohne seltene Erden funktionieren, hat China bereits in Autos eingebaut. Und auch für die Speicherung von Energie abseits von Autos gibt es Beispiele von Speichern die mit sehr verbreiteten Salzen oder Sand auskommen. Hier sollte Europa – schon alleine aus Eigeninteresse – mitmischen.
Und andererseits verringern wir unsere Abhängigkeit, indem wir gebrauchte Rohstoffe nicht wegwerfen, sondern wieder verwenden. Das Gebot der Stunde lautet also: Kreislaufwirtschaft.

Um die Kreislaufwirtschaft zu etablieren, sind viele politischen Maßnahmen erforderlich. Die Fähigkeit, kritische Rohstoffe auszubauen und wieder aufzubereiten, muss gezielt gefördert werden. Rohstoff-Abfälle dürfen außerdem nicht mehr exportiert werden, sondern sollten in einem Markt für Sekundärrohstoffe EU-weit gehandelt werden.
Generell müssen sich auch zirkuläre Geschäftspraktiken durchsetzen. Dafür ist es notwendig, Zirkularität und Nachhaltigkeit als Kriterien etwa in der öffentlichen Beschaffung vorzuschreiben, um auf diese Weise in grünen Leitmärkten die Nachfrage für solche Produkte zu stimulieren.
Ermutigend ist, dass die Politik diese Notwendigkeit scheinbar erkannt hat. Die Kreislaufwirtschaft steht im Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2026 ganz oben auf der Agenda. Die Stadt Wien hat kürzlich eine eigene Strategie für zirkuläres Wirtschaften präsentiert. Auch im aktuellen Regierungsprogramm in Österreich spielt die Kreislaufwirtschaft eine große Rolle. Ob die Bedeutung in der Regierung auch ernstgenommen wird, wird sich wohl in der kommenden Industriestrategie zeigen.
Und in noch einem Punkt ähnelt die aktuelle Situation jener von 2022 und dem Umgang mit Abhängigkeit. Sowohl die Energiewende als auch die Kreislaufwirtschaft schaffen einen Mehrwert, der weit über die Unabhängigkeit und Sicherheit hinaus geht.
Erneuerbare Energie senkt mittelfristig die Kosten, lässt den Menschen mehr Geld zum Leben und die Industrie günstiger produzieren. Gleichzeitig schafft sie die Möglichkeit für innovative Unternehmen mit neuen Technologien zu reüssieren. Das schafft Wohlstand und Arbeitsplätze.

Auch die Kreislaufwirtschaft bringt positive Effekte auf vielen Ebenen. Sie erfordert neue Technologien, in denen österreichische Unternehmen bereits heute führend sind. Gleichzeitig ist die Wiederverwertung von Rohstoffen deutlich weniger energie- und ressourcenintensiv als die Verarbeitung von Primärrohstoffen.
Getoppt werden diese positiven Effekte aber von den klimapolitischen Auswirkungen. Denn sowohl die Energiewende als auch die Kreislaufwirtschaft senken den Treibhausgasausstoß massiv. Die Ökologisierung, mit den Erneuerbaren Energien und der Kreislaufwirtschaft als tragende Säulen, machen uns strategisch unabhängiger, sicherer, wohlhabender, wettbewerbsfähiger und sauberer. Und sie bewirkt, dass die Alarmglocken künftig ruhig bleiben dürfen.
Katharina Rogenhofer studierte Zoologie in Wien und "Biodiversity, Conservation and Management" an der Universität Oxford. Sie ist Initiatorin von FridaysForFuture Österreich, Autorin, war Sprecherin des Klimavolksbegehrens. Aktuell ist sie Vorständin des KONTEXT Institut für Klimafragen