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Im Krankenstand auf Instagram: Was kann mir da passieren?

Was erlaubt ist, was verboten: Arbeitsrecht-Expertin Katharina Körber-Risak über aktuelle Fälle und Fallen.

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Eine Arbeitnehmerin ist seit Monaten im Krankenstand. Kolleginnen aus der Personalabteilung werden auf aktuelle Fotos auf Instagram aufmerksam, die sie ausgelassen feiernd in einem Club zeigen. Ein krankgemeldeter Arbeitnehmer wird während der Arbeitszeit auf einer Skitour gesehen. Was nun?

Instinktiv würden wohl viele sagen: kann nicht sein.

Aber darf die Arbeitnehmerin im Krankenstand wirklich nicht feiern? Und welche Möglichkeiten hat der Arbeitgeber, der auf die Skitour während der Arbeitszeit aufmerksam wird? Es gibt in diesem Zusammenhang einiges zu beachten.

Katharina Körber-Risak ist Gründerin und Partnerin der Körber-Risak Rechtsanwalts GmbH und seit 2004 schwerpunktmäßig im Arbeitsrecht tätig
Katharina Körber-Risak ist Gründerin und Partnerin der Körber-Risak Rechtsanwalts GmbH und seit 2004 schwerpunktmäßig im Arbeitsrecht tätig
Helmut Graf

1. Entgeltfortzahlung als soziale Absicherung

Unsere Wirtschaft basiert (derzeit noch) zu einem großen Teil auf menschlicher Arbeitsleistung. Arbeitsverträge werden zwischen Arbeitgebern, meistens Unternehmen, und Arbeitnehmer:innen abgeschlossen. Es ist nachvollziehbar, dass die auf Arbeitgeberseite verantwortlichen Führungskräfte ein hohes Interesse daran haben, dass so viel wie möglich gearbeitet wird. Der Arbeitskräftemangel in vielen Branchen verstärkt diesen Wunsch.

Krankenkasse springt ein Nachdem Menschen aber eben keine Maschinen sind, hat der Gesetzgeber auch Zeiten der Erholung vorgesehen, zumindest fünf Wochen bezahlter Urlaub pro Jahr sind das in Österreich. Das Gesetz sorgt auch für den Fall vor, dass arbeitende Menschen krank werden. Es gibt einen zwingenden Anspruch auf Weiterleistung des Entgelts während eines Krankenstandes. Dies zwar nicht unbegrenzt, aber immerhin doch einmal für zumindest sechs Wochen pro Arbeitsjahr, der Anspruch steigt mit längerer Dienstzeit. Bei längeren Krankenständen gibt es noch vier Wochen halbe Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber, die Krankenkasse springt dann zusätzlich ein.

Arbeitnehmer:innen sollen also nicht durch Krankheit oder Unglücksfall in eine wirtschaftliche Notlage gebracht werden. Arbeitgeber übernehmen durch die Entgeltfortzahlung einen substantiellen Anteil der notwendigen Absicherung. Das ist nicht Teil der viel diskutierten "Lohnnebenkosten", sondern es sind einfach Lohnkosten mit dem Risiko, dafür für einen gewissen Zeitraum keine Arbeitsleistung zu erhalten.

Grobe Fahrlässigkeit Damit das System fair bleibt, besteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung aber nicht in allen Fällen. Kein Entgelt gibt es beispielsweise, wenn der Arbeitende die Krankheit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit selbst verursacht hat. Skifahren beispielsweise gehört hierzulande zum Normalzustand und daher werden Skiunfälle zumindest auf Pisten nicht als grob fahrlässig eingestuft. Jedenfalls grob fahrlässig ist ein alkoholisiert verursachter Autounfall, oder eine Erkrankung nach Besuch einer "Masern-Party" ohne entsprechenden Immunstatus.

2. Wann ist man arbeitsrechtlich krank?

Krankheit oder, wie Jurist:innen sagen, ein "regelwidriger Körperzustand" ist eine durch gesundheitliche Gründe hervorgerufene Arbeitsunfähigkeit. Um nicht arbeiten zu müssen, aber weiter sein Entgelt zu beziehen, reicht es also nicht nur aus, krank zu sein, die Krankheit muss auch arbeitsunfähig machen.

Ein Tennislehrer sitzt nicht im Büro So ist beispielsweise ein Versicherungssachbearbeiter, der sich einen Meniskusriss beim Fußballspielen zugezogen hat, nicht arbeitsunfähig, wenn er Büroarbeit im Sitzen erbringen kann. Wäre er angestellter Tennislehrer, wäre er aber wohl arbeitsunfähig. Ein leichter Heuschnupfen wird einen Maschinenbauer nicht so beeinträchtigen, dass er seine Arbeit nicht erledigen kann. Wer mit Fieber im Bett liegt, kann klarerweise in keinem Job eingesetzt werden. Der arbeitsrechtliche Krankheitsbegriff ist also eigentlich ein Arbeitsunfähigkeitsbegriff. Die Krankheit bzw. Verletzung muss sich so auswirken, dass die konkret geschuldete Arbeitsleistung nicht möglich ist.

Darf ein Tennislehrer im Krankenstand weiterhin Unterricht geben? Oder selbst spielen?
Darf ein Tennislehrer im Krankenstand weiterhin Unterricht geben? Oder selbst spielen?
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3. Welchen Zweck hat eine Krankschreibung?

Arbeitnehmer:innen, die sich gesundheitlich nicht in der Lage fühlen ihre Arbeitsleistung zu erbringen, müssen sich krankmelden. Der Arbeitgeber kann dann eine ärztliche Krankenstandbestätigung verlangen. Bringt die Arbeitnehmerin sie nicht, verliert sie für die Dauer der Säumnis ihren Entgeltanspruch (diese Regelung ist ein bisschen "totes Recht", weil es in der Lohnverrechnung viel zu viel Aufwand macht). Die ärztliche Krankschreibung dient als Nachweis, weil sonst vorgetäuschte Krankenstände überhand nehmen könnten.

Wie die warmen Semmeln In der Praxis werden solche "Krankschreibungen" von Ärzt:innen allerdings häufig ausgegeben wie warme Semmeln, wie man leicht in einem Selbsttest feststellen kann. Die Frage "Für wie lange brauchen Sie die Krankschreibung?" haben wohl die meisten schon einmal beim Arztbesuch gehört. To be fair: Es ist nicht Aufgabe der Ärzt:innen, sich über die konkrete Arbeitsunfähigkeit Gedanken zu machen und in vielen Fällen wird ein Krankenstand wohl auch Arbeitsunfähigkeit bedingen.

Allerdings besteht auch keine medizinische "Narrenfreiheit" Im Fall einer Ärztin, die einer guten Freundin mehrere Tage rückwirkend (!) bestätigt hatte, krank gewesen zu sein, hatte ein Gericht durchaus Fragen an die Ärztin, die als Zeugin aussagen musste (und sie als sehr unglaubwürdig beurteilt wurde). Auf die Frage, wie sie die Erkrankung, die beim angeblichen Arztbesuch schon einige Tage zurücklag, diagnostiziert hatte, gab sie an, dass sie die Patientin schon Jahrzehnte kenne, und wenn diese sage, dass sie krank gewesen sei, dann glaube sie ihr das. Die Folge war nicht nur ein verlorener Prozess für die Arbeitnehmerin, sondern auch ein Disziplinarverfahren für die Ärztin.

"Ausgehzeiten" schaffen Klarheit Was ist jetzt aber mit den eingangs geschilderten Aktivitäten von Arbeitnehmer:innen im Krankenstand (also während sie eigentlich arbeiten sollten)? Es kann natürlich Krankheiten bzw. Gesundheitszustände geben, die eine Arbeitsleistung unmöglich machen, eine:n aber nicht ans Bett oder die Wohnung fesseln. In den Standard-Krankenstandsformularen können Ärzt:innen daher auch sogenannte "Ausgehzeiten" vermerken. Nach einem Herzinfarkt kann leichtes Spazierengehen vom Arzt empfohlen werden, aber kein stressiger Acht-Stunden Arbeitstag. Übrigens: einen "Teil-Krankenstand" gibt es in Österreich nicht. Bei der Frage, ob eine Person arbeitsfähig ist oder nicht, gibt es also nur hopp oder dropp.

4. Gesundheitsdaten sind sensible Daten

Es stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten ein Arbeitgeber hat, wenn ihm Zweifel am Krankenstand kommen. Nicht wenige Arbeitnehmer:innen melden sich beispielsweise in einer laufenden Kündigungsfrist krank, auch das Wetter soll schon Einfluss auf die Häufung von Krankenständen gehabt haben. Wenn dann noch Fotos von Freizeitaktivitäten auf Social Media auftauchen, wird mancher Arbeitgeber ein Interesse an weiteren Informationen haben. Die Möglichkeiten, diese zu bekommen, sind gesetzlich aber im Wesentlichen abgeschnitten.

Krankheit geht Arbeitgeber nichts an Gesundheitsdaten sind sensible Daten und der Arbeitgeber hat nach herrschender Ansicht keinen Anspruch auf die Information, welche Ursache eine vom Arzt bestätigte Arbeitsunfähigkeit hat. Arbeitnehmer:innen können dies zwar freiwillig offenlegen, was in der Praxis auch überraschend häufig passiert. Geschieht dies nicht, bleibt der Arbeitgeber im Dunkeln und sollte auch gar nicht erst mutmaßen, was Ursache des Krankenstands ist.

Genauso wenig wie der Arbeitgeber aber normalerweise weiß, welche Krankheit der Arbeitnehmer hat, kann er einschätzen, welche Aktivitäten dem Arbeitnehmer vom Arzt erlaubt oder sogar empfohlen sind und welche abträglich sind für den Gesundheitszustand.

Darf ein Bauarbeiter nach einer Herz-OP wieder die Schaufel in die Hand nehmen?
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5. Abträgliches Verhalten im Krankenstand ist ein Entlassungsgrund

Arbeitnehmer:innen haben aus dem Arbeitsvertrag grundsätzlich die Verpflichtung, sich im Krankenstand so zu verhalten, dass sie möglichst rasch wieder gesund werden. Das beinhaltet die Verpflichtung, alle ärztlichen Anweisungen zu befolgen, die vom Arzt verschriebenen Medikamente korrekt einzunehmen und sich aller Handlungen zu enthalten, die die Genesung verzögern oder den Gesundheitszustand sogar verschlechtern können. Ein Verstoß dagegen bildet einen Grund für eine fristlose Entlassung. Gleiches gilt natürlich umso mehr, wenn ein Krankenstand überhaupt nur vorgetäuscht wird.

Skitour, das geht? Ein Partybesuch im Krankenstand wird in sehr vielen Fällen wohl "genesungsfeindlich" sein: auch die Vermutung, dass gar keine Arbeitsunfähigkeit besteht, wenn Arbeitnehmer eine Skitour gehen können, liegt nahe. Eine fristlose Entlassung muss der Arbeitgeber dann aber auf eigenes Risiko aussprechen, weil er nähere Infos zum Krankenstand vorher nicht bekommen wird.

Im Prozess beim Arbeitsgericht jedoch kommen alle Karten auf den Tisch: Manchmal wird dann behauptet, dass es aufgrund einer depressiven Verstimmung eine ärztliche Empfehlung zur Bewegung an der frischen Luft gegeben hat. Nicht immer geht es aber gut aus für die Arbeitnehmer …

Im Krankenstand mit Schaufel in Baugrube Ein Sachbearbeiter, der nach Informationen des Arbeitgebers einen schweren Herzinfarkt hatte, wurde nach seiner OP auf einem Facebook-Foto im Krankenstand mit einer Schaufel in der prallen Sonne in einer Baugrube entdeckt. Im Entlassungsprozess bestritt der Mann, schwere Arbeiten ausgeführt zu haben; er hätte nur auf der Baustelle des Sohnes "ein wenig zusammengekehrt". Auch wenn andere Beweisergebnisse nahelegten, dass das eine Schutzbehauptung war, musste sich das Gericht damit gar nicht mehr näher auseinandersetzen. Der behandelnde Arzt hatte nämlich ausgesagt, dass er dem Kläger in einer Nachkontrolle wirksamere Blutdrucksenker verschrieben hatte, weil sein Zustand nach wie vor kritisch gewesen sei. Der Entlassene wiederum sagte aus, dass er die "nach drei Tagen" auch genommen habe. Vorher habe er noch die niedriger dosierten Mittel genommen, er habe sie nicht wegschmeißen wollen. Das Gericht gab daraufhin dem Arbeitgeber recht. Begründung: Das Missachten bzw. verspätete Befolgen einer ärztlichen Weisung ist ein Entlassungsgrund.

Und was wurde jetzt aus dem anfangs geschilderten Fall mit der Instagram-Krankenständlerin? Nun, das Dienstverhältnis lief aus und es kam deshalb nie zu einem Prozess. Sie hätte so einen aber wohl schwer gewonnen …

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