Körpersprache-Duell: "Macron war das Alphaltier"

Es entstanden die Bilder, die beide wohl erzeugen wollten. Am Donnerstag weilte Österreichs Kanzler Karl Nehammer bei Frankreichs Staatspräsident-.. Emmanuel Macron. Er brachte ihm Boxhandschuhe mit, eine ironische Anspielung auf die Fotos, die Macron zuletzt publizieren ließ. Sie zeigen ihn mit dicken Muckis beim Trainieren an einem Boxsack, das Auftreten wirkt martialisch und so sollte es wohl auch verstanden werden.

Macron kämpft sich in der Weltpolitik immer weiter nach oben, er versucht das europäische Vakuum nach dem Abgang von Angela Merkel auszufüllen. Nehammer war in diesem Kontext wohl nur ein Sparringpartner, Österreichs Rolle in der internationalen Politik ist bescheiden. Aber das Treffen war auch von einer gewissen Herzlichkeit geprägt, auch wenn das neutrale Österreich und das forsch auftretende Frankreich, das mit Bodentruppen in der Ukraine liebäugelt, politisch Siebenmeilenstiefel voneinander entfernt sind.

Abseits davon war interessant zu beobachten, wie die beiden miteinander umgingen. An den Bildern im Fernsehen fiel vor allem die kräftige Umarmung auf und die seltsam übersteigerte Form des Händedrucks. Was das zu bedeuten hat, analysiert Stefan Verra:

Was als Erstes auffällt
Es gibt diese Szene auf den Fernsehbildern: Karl Nehammer geht auf Emmanuel Macron zu und es ist sofort zu merken, dass er auf einen Politiker trifft, der Körperkontakt gut kann. Das ist wohl auch das Glück von Nehammer, denn Macron macht hier keine Gefangenen.

Wie man sieht, dass er ein Profi ist
Nehammer geht auf Macron zu, umarmt ihn mit dem vollen Körper. Macron realisiert, dass der österreichische Kanzler deutlich größer ist als er, es wirkt so, als würde er sich regelrecht über ihn beugen. Macron reagiert sofort, indem er den Rücken von Nehammer von Beginn an tätschelt und das dann immer wieder macht.

Was das Tätscheln bedeutet
Das ist kein Signal von besonderer Innigkeit. Nahezu immer ist es ein Signal, das zeigen soll: Es reicht!

Wie Macron fast unmerkbar Nehammer dirigiert
Die beiden gehen die Stufen nach oben. Macron gibt Nehammer körpersprachlich das Signal, sich umzudrehen. Nehammer folgt blitzschnell und wie auf Kommando, fast gleichzeitig reißt er seine Lippen nach hinten. Damit ist schon erkennbar, wer die Führungsrolle hat.

Wie die Rollen verteilt sind
Das lässt sich an Kleinigkeiten erkennen. In einem Moment streckt Macron die rechte Hand aus und Nehammer folgt umgehend. An solchen kleinen Signalen kann man erkennen, wer in dieser Situation das Alphatier ist.

Wie Nehammer wirkt
In seiner Rolle sehr angespannt, besonders gut ist das in der Passage mit dem Pressestatement zu erkennen. Da sieht man, wo er sich wirklich wohl fühlt, nämlich im Stakkato-artigen Erklären. Da ist er ernst, seine Augenbrauen gehen im äußeren Drittel stark nach oben, was ihm ein strenges Äußeres verleiht. Er versucht hier sehr staatsmännisch das Verhältnis von Frankreich und Österreich zu erklären.

Was das Problem dabei ist
Das Militärische liegt dem österreichischen Kanzler, aber er schafft es nicht, über diese Rolle hinaus Emotionen anzusprechen. Er wirkt unelegant, beim Umarmen, beim Pressestatement hat er zu viel Körperspannung und damit fehlt ihm die Eleganz. Ganz im Gegensatz zu seinem französischen Pendant. Die Boxhandschuhe sind in diesem Sinn wohl eher auch selbstironisch zu verstehen.

Stefan Verra ist einer der gefragtesten Körpersprache-Experten in Europa. Bestsellerautor (aktuell "Warum Frauen oft nicht ernst genommen werden und Männer unfreiwillig Single sind"), Gastdozent an Unis. Er spricht jährlich vor über 100.000 Menschen.