pleite für österreich

Na Grüezi! Schweizer holt ESC-Sieg und zerstört Pokal

Turbulenter Song Contest: Greta Thunberg festgenommen, Rauswurf für die Niederlande, Österreich Vorletzter. Am Ende fand Nemo den richtigen "Code".

Der Schweizer Nemo holt sich mit dem Song "The Code" den Sieg im 68. Eurovision Song Contest in Malmö
Der Schweizer Nemo holt sich mit dem Song "The Code" den Sieg im 68. Eurovision Song Contest in Malmö
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Newsflix Redaktion
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Da soll noch einer sagen, die Schweizer sind alle Lokführer oder Buchhalter, emotional eher Matterhorn als Copacabana. Man muss sie nur was gewinnen lassen. In der Nacht auf Sonntag holte sich Nemo aus Biel souverän den Sieg beim Eurovision Song Contest in Malmö und danach war der ehemalige Straßenmusiker nicht mehr zu halten, beziehungsweise hatte er nicht mehr alles im Griff. Der Siegerpokal rutschte ihm aus der Hand und zerbrach in zwei Teile. Wurscht, ein bisschen Uhu, wird schon passen.

Beim Daumen wird das nicht so einfach gehen. Der ging nämlich auch zu Bruch.

Der Wettkampf blieb bis zum Schluss spannend und das hieß bis knapp vor 1 Uhr nachts. Nemo hatte mit seinem Song "The Code" überlegen die Jurywertung gewonnen, musste dann aber zittern, weil Kroatien die meisten Stimmen bei der Publikumsbewertung erreichte. Am Ende reichte es zu 44 Punkten Vorsprung. Die Schweiz hatte zuletzt 1988 den ESC gewonnen, damals hieß er noch Grand Prix Eurovision de la Chanson, Céline Dion sang "Ne partez pas sans moi".

"Es bedeutet mir viel, dass ich als erste non-binäre Person den Song Contest gewonnen habe", sagt Nemo bei der Pressekonferenz nach der Show. Es brauche noch so viel Toleranz in der Welt. "Aber jetzt wird einmal gefeiert."

Baby Lasagna aus Kroatien wurde mit "Rim Tim Tagi Dim" Zweiter vor der Ukraine und Frankreich. Israel folgte dank einer hohen Publikumsbewertung als Fünfter. Für Eden Golan war der Auftritt ein Spießrutenlauf. In der Halle waren deutliche Pfiffe zu hören (die im Fernsehen ausgeblendet wurden), auch als die Jurywertungen aus Israel abgegeben wurden, gab es Buhrufe und Pfiffe.

Für Österreich setzte es eine Pleite. Zunächst fiel beim Auftritt von Kaleen gegen Ende hin das Bild aus, dann landete sie mit ihrem Song "We Will Rave" auf dem vorletzten Platz. Vom Publikum gab es nur magere fünf Punkte. Norwegen wurde Letzter, die Deutschen schafften immerhin Rang 12.

Party in der Schweiz, nach dem ESC-Sieg von Nemo in Malmö
Party in der Schweiz, nach dem ESC-Sieg von Nemo in Malmö
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"Welcome to Genocide Song Contest!" Auf ihrem Instagram-Account hatte Greta Thunberg am Freitag ein verstörendes Foto gepostet. Es zeigt sie gemeinsam mit zehn Aktivisten, die ein Transparent hochhalten. "Willkommen beim Genozid Song Contest" ist darauf zu lesen, dazu der Text: "Malmö sagt NEIN zum Völkermord! Menschen aus ganz Schweden versammeln sich diese Woche in Malmö, wo der Eurovision Song Contest stattfindet, um gegen die Teilnahme Israels an dem Wettbewerb zu protestieren."

Greta abgeführt Auch am Finaltag gab es vor der Malmö Arena wilde Proteste von einigen hundert Personen. Besuchern der Show wurde "schämt euch" zugerufen. Es kam zu Rangeleien mit der Polizei, die Beamten setzten Tränengas ein. Auch israelfeindliche und antisemitische Parolen wurden skandiert. Greta Thunberg wurde von der Polizei abgeführt. Andere Demonstranten wurden weggetragen. Thunbergs Mutter Malena Ernman hatte 2009 für Schweden am ESC teilgenommen. Sie belegte in Moskau Platz 21.

Sturm auf Halle verhindert Einen Versuch einiger Aktivisten, bis zum Sicherheitsbereich am Vorplatz der Malmö Arena vorzudringen und diesen zu durchbrechen, konnte die Polizei verhindern, wie ein AFP-Reporter berichtet.

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg wurde in Malmö von der Polizei abgeführt
Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg wurde in Malmö von der Polizei abgeführt
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Wirklich unpolitisch war der Eurovision Song Contest noch nie. Aber bisher war der Gesangswettbewerb eine Veranstaltung der eher versteckten Symbolik, mit diskreten Hinweisen auf aktuelle Konflikte, Zeitströmungen und Gemütslagen. Natürlich, es gab Ausschlüsse. Weißrussland 2021 etwa, weil der Song die Protestbewegung gegen Diktator Lukaschenko verhöhnte. 2022 dann durfte Russland nach dem Überfall auf die Ukraine nicht teilnehmen, beide Länder sind auch heuer nicht dabei. Aber so etwas wie diesmal haben die Fans der Show noch zu keiner Zeit erlebt. Das Motto des ESC wirkte angesichts der Bilder wie ein Hohn: "United By Music". 2024 verband die Musik nicht mehr, sie trennte.

Vergiftung statt Klimarettung Das war schon bei beiden Semifinali zu spüren gewesen. In der Malmö Arena mühte sich die israelische Sängerin Eden Golan am Donnerstag, die richtigen Töne zu treffen, vor der Halle waberte ein Soundteppich aus Israel-Hass und Antisemitismus durch die südschwedische Stadt. Mittendrin: Greta Thunberg, die eigentlich das Weltklima retten wollte, nun aber offenbar erst einmal mit der Vergiftung des Erdballs beginnen will.

Bis zu 12.000 Menschen waren laut Angaben der Polizei gekommen, um gegen die Teilnahme Israels am ESC zu demonstrieren, so das offizielle Motto der Demo. Die Teilnehmer fanden sich in der Nähe des Rathauses zusammen und marschierten in einen Park, einige Kilometer von der Malmö Arena entfernt. Nicht die klassischen Regenbogenfahnen dominierten den Weg, in der Fußgängerzone wehten palästinensische Fahnen an den Fenstern und Balkonen.

"Terrorstaat Israel" riefen die Aktivisten, und natürlich "From the river to the sea". Eine neue Intifada wurde beschworen, ein indirekter Aufruf zu gewalttätigem Widerstand. Einige Teilnehmer hätten "schickt die Juden zurück nach Polen!" gerufen, schreibt das israelische News-Portal ynet und "Sinwar, wir werden dich nicht sterben lassen". Jahja Sinwar ist einer der Anführer der Terrororganisation Hamas.

Aber auch in der Malmö Arena war die Stimmung schnell vergiftet, und das obwohl Proteste von Seiten der Veranstalter vorab untersagt worden waren. Das zeigte sich von Beginn an. Der irische Teilnehmer Bambie Thug hatte sich während der Proben fürs erste Semifinale mit Körperbemalung präsentiert. In einer frühmittelalterlichen Schrift waren die Wörter "Waffenstillstand" und "Freiheit" zu lesen. In der Liveshow war dann stattdessen "Krönt die Hexe" zu lesen, was immer das bedeuten mag. Er habe das auf Anordnung der European Broadcasting Union (EBU) ändern müssen, sagte er.

Die russisch-israelische Sängerin Eden Golan gilt mittlerweile als Mitfavoritin auf den Sieg
Die russisch-israelische Sängerin Eden Golan gilt mittlerweile als Mitfavoritin auf den Sieg
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In der Nähe der Malmö Arena wurde gegen die Teilnahme Israels demonstriert
In der Nähe der Malmö Arena wurde gegen die Teilnahme Israels demonstriert
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Am Donnerstag der nächste Eklat Vor Beginn und am Ende das Semifinales mit Israels Teilnehmerin Eden Golan, erschien im belgischen öffentlich-rechtlichen Sender VRT eine Botschaft am Bildschirm. "Wir verurteilen die Menschenrechtsverletzungen des israelischen Staates", war zu lesen. Die TV-Gewerkschaft ACOD steckte dahinter, VRT wusste Bescheid, hatte keine Einwände. Der israelische TV-Sender Kan 11, der Golan ins Rennen schickt, richtete einen offiziellen Protest an die EBU und an das schwedische Fernsehen. Es blieb nicht der einzige. Während des ersten Semifinales hatte der schwedische Sänger Erik Saadi ein Palästinensertuch getragen, ein Verstoß gegen die EBU-Vorgaben.

Am Freitag entglitt die Situation endgültig Der niederländische Sänger Joost Klein, mit seinem Song "Europapa" auch einer der Favoriten auf den Gewinn, durfte weder zur Durchlaufprobe noch zur Juryfinale antreten (die Fachjury gibt ihre Wertung bereits am Freitag ab). Stattdessen wurde der Auftritt vom Halbfinale eingespielt. Es habe "einen Vorfall" gegeben, sagte die EBU, ohne auf Details einzugehen.

Das gab es beim ESC noch nie: Der Niederländer Joost Klein wurde aus dem Bewerb geschmissen
Das gab es beim ESC noch nie: Der Niederländer Joost Klein wurde aus dem Bewerb geschmissen
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Rauswurf für Klein Am Finaltag entschied die EBU dann, den niederländischen Teilnehmer komplett aus dem Bewerb zu kicken. Es habe eine "Anzeige eines weiblichen Mitglieds der Produktionscrew" gegeben, so die European Broadcasting Union. Es wäre nicht angemessen, wenn er weiter im Wettbewerb steht, während das Verfahren läuft.

Das Statement der EBU im Wortlaut:
"Der niederländische Künstler Joost Klein wird nicht am großen Finale des diesjährigen Eurovision Song Contest teilnehmen.
Die schwedische Polizei hat eine Beschwerde untersucht, die von einem weiblichen Mitglied des Produktionsteams nach einem Vorfall nach seinem Auftritt im Halbfinale am Donnerstagabend eingereicht wurde. Während das Gerichtsverfahren seinen Lauf nimmt, wäre es für ihn nicht angemessen, den Wettbewerb fortzusetzen.
Wir möchten klarstellen, dass entgegen einigen Medienberichten und Social-Media-Spekulationen an diesem Vorfall kein anderer Künstler oder Delegationsmitglied beteiligt war.
Wir pflegen eine Null-Toleranz-Politik gegenüber unangemessenem Verhalten bei unserer Veranstaltung und verpflichten uns, allen Mitarbeitern des Wettbewerbs ein sicheres Arbeitsumfeld zu bieten. Vor diesem Hintergrund gilt das Verhalten von Joost Klein gegenüber einem Teammitglied als Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln.
Das große Finale des 68. Eurovision Song Contest wird nun mit 25 teilnehmenden Songs fortgesetzt."

So reagiert das Klein-Team Die niederländische Rundfunkanstalt AVROTROS zeigt sich "schockiert" über die Entscheidung:
"Wir haben die Disqualifikation durch die EBU zur Kenntnis genommen. AVROTROS hält die Disqualifikation für unverhältnismäßig und ist schockiert über die Entscheidung. Wir bedauern dies zutiefst und werden später darauf zurückkommen."

Was tatsächlich passiert ist Medien hatten schon zuvor berichtet, dass Klein eine Mitarbeiterin der TV-Produktion  attackiert haben soll. AVROTROS präzisierte später: "Entgegen klarer Absprachen wurde Joost gefilmt, als er gerade von der Bühne kam und in den Green Room eilen musste. Zu diesem Zeitpunkt gab Joost wiederholt zu verstehen, dass er nicht gefilmt werden wolle. Hierauf wurde nicht reagiert. Dabei machte Joost eine bedrohliche Bewegung in Richtung der Kamera. Dabei hat Joost die Kamerafrau nicht berührt."

Der Niederländer war aber auch schon am Donnerstag bei der Pressekonferenz der zehn Semifinale-Gewinner aus der Rolle gefallen. Er redete mehrfach dazwischen, griff die israelische ESC-Teilnehmerin Eden Golan an und zog sich dann demonstrativ die niederländische Flagge über den Kopf, als sie sprach.

Der Niederländer Joost Klein zog sich eine Fahne über den Kopf als Eden Golan sprach
Der Niederländer Joost Klein zog sich eine Fahne über den Kopf als Eden Golan sprach
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Griechin stellte sich schlafend Die griechische Sängerin Marina Satti tat bei der selben Pressekonferenz so als würde sie schlafen, während Golan redete. Und: Der finnische Sänger Käärijä, der 2023 den zweiten Platz geholt hatte, postete auf Instagram ein Video, auf dem er mit Golan herumalberte. Danach distanzierte er sich davon, er wolle das nicht als politische Unterstützung verstanden wissen.

Für Eden Golan wurde Malmö zunehmend zum Ort des Schreckens Ihr Lied war im Vorfeld zweimal wegen der Verbreitung politischer Botschaften abgelehnt worden, Aus "October Rain" wurde "Dance Forever", nun ging sie mit "Hurricane" ins Finale, das Semifinale überstand sie souverän. Sogar Israels Staatpräsident Isaac Herzog hatte sich einschalten müssen, um die Texter zum Umschreiben zu überreden und Golan zum Antreten.

Kaleen, Österreichs Teilnehmerin am Eurovision Song Contest in Malmö, ging als Letzte in den Bewerb
Kaleen, Österreichs Teilnehmerin am Eurovision Song Contest in Malmö, ging als Letzte in den Bewerb
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Abstimmung begann früher Beim ESC war diesmal einiges neu, das ging komplett unter. Die ganze Welt konnte abstimmen und dieses "Rest of the World"-Voting hatte bereits am Tag vor Beginn der Final-Show begonnen. Außerdem durften die Zuschauer der Teilnehmerländer, wie schon beim ESC 2010 und 2011, direkt mit Beginn des ersten Starters im Finale voten.

Österreich am vorletzten Platz Österreichs Teilnehmerin Kaleen, die sich am Donnerstag cool fürs Finale qualifiziert hatte, half das alles nichts. Ihre Dance-Nummer sorgte in der Halle bei der Live-Show und bei allen Proben für Ekstase. Am Samstag ging sie mit Startnummer 26 als Letzte an den Start. Und stand am Ende als Vorletzte da.

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