KLIMA-EXPERTIN KATHARINA ROGENHOFER
"Nicht alle Technologien, denen man ein grün vorschiebt, können liefern"
Bei Klimatechnologien muss man auf das richtige Pferd setzen. Expertin Katharina Rogenhofer über gute Lösungen und Trugbilder.
In der Klimadebatte wird viel über Technologien gesprochen. Das ist gut so, schließlich spielen sie eine zentrale Rolle am Weg aus der Klimakrise. Ohne Windräder, ohne Solaranlagen auf den Dächern, ohne Wärmepumpen wird es schwierig mit der Energiewende. Aber Achtung: Nicht alle Technologien, denen man ein "grün" oder ein "E" vorschiebt, können liefern, was mit ihnen versprochen wird. In der Hoffnung auf einfache Lösungen werden ihre Möglichkeiten stark überzeichnet. Was rauskommt: Trugbilder, die der Wissenschaft nicht standhalten.
Zuerst die gute Nachricht Fast alle Technologien, die wir brauchen, um bei Öl und Gas endgültig den Hahn abzudrehen, haben wir bereits. Sie sind erprobt und einsatzbereit: Windkraft, Solaranlagen, Batterien, Wärmepumpen, Elektro-Mobilität, … – die Liste ist lang.
Wenn sie dann jemand fortführt, etwa von E-Fuels für Autos, von grünem Gas zum Heizen spricht, klingt das zunächst richtig und wichtig. Warum sollten wir nicht das Öl im Tank und das Erdgas in den Heizungsrohren durch saubere Alternativen ersetzen? Die Antwort ist schlicht, dass diese Technologien teuer und ineffizient sind und die Ressourcen für ihre Herstellung begrenzt.
Konkret heißt das Die Herstellung von E-Fuels braucht viel Strom und bei der Übertragung und der Verbrennung im Tank geht weitere Energie verloren. Nur rund 13 Prozent der zugeführten Energie können tatsächlich zum Fahren genutzt werden. Bei einem Elektroauto sind es hingegen mehr als zwei Drittel. Bei grünem Gas in der Heizung ist es ähnlich: Wärmepumpen sind fünfmal effizienter als Heizen mit Wasserstoff. Teurer als ihre jeweiligen nachhaltigen Alternativen sind E-Fuels und Wasserstoff durch diebenötigten Energiemengen obendrein.
Auf die Anwendung fokussieren! Es gibt allerdings Bereiche, in denen Wasserstoff und E-Fuels keine Trugbilder sind, sondern ganz konkrete Lösungen. Dort nämlich, wo verlässliche Alternative fehlen. Bei E-Fuels sind das der Flug- und Schiffsverkehr, bei Wasserstoff etwa eine Nutzung in der Industrie. Werden die Brennstoffe jedoch in ineffizienten Bereichen wie Heizen oder Mobilität eingesetzt, nimmt das Betrieben die einzige Möglichkeit, ihre Produktionsprozesse klimaneutral zu gestalten.
Politische Aussagen haben Auswirkungen Doch die Märchen rund um diese Technologien halten sich hartnäckig. In der EU ist die Neuzulassung für Autos mit Verbrennermotoren ab 2035 untersagt. Außer sie werden mit E-Fuels betankt. In Österreich passierte in der Debatte um das Erneuerbare-Wärme-Gesetz ähnliches: Zuerst wurde ein Enddatum für Gasheizungen bis 2040 diskutiert, dann eine Ausnahme für Grüngas angehängt, und am Ende wurde das ganze Vorhaben restlos gestrichen.
Trugbilder verschleppen Ausbau Rücken Trugbilder in den Fokus klimapolitischer Debatten, ist die Gefahr groß, dass aufs falsche Pferd gesetzt wird. Denn wo auf grünes Gas gehofft wird, bleibt der Heizungstausch aus. Werden E-Fuels im Tank versprochen, steigt niemand auf Elektro-Autos oder öffentlichen Verkehr um. Kurz: Die Trugbilder verschleppen den Ausbau jener Technologien, diezur Verfügung stehen und im breiten Einsatz funktionieren. Und während alle warten, wird weiter fossiles Öl und Gas gepumpt.
Quelle der Verwirrung Von mancher Seite ist das genau so gewollt. Denn der Umbau zu einer klimafreundlichen Wirtschaft und Gesellschaft bringt tiefgreifende Veränderungen mit sich, und neben Gewinner:innen auch Verlierer:innen. Studien zeigen, dass vor allem die Fossilwirtschaft den Übergang hin zu erneuerbaren Energien verlangsamt. Damit das gelingt, werden Solarenergie und Windkraft als Bedrohung für Versorgungssicherheit oder der Wechsel auf eine Wärmepumpe als unüberwindbare Hürde dargestellt. Die Fossilwirtschaft verschleppt also gezielt den Einsatz von Lösungen, von jenen Technologien, die bereitstehen. Ihre Argumente werden aber von vielen übernommen, auch weil die technischen Details kompliziert sind und die Hoffnung auf eine einfache Lösung groß ist.
Auf die erprobten Pferde setzen Glücklicherweise ist die Lösung aber tatsächlich simpel: Heute sollten Pferde an den Start, deren Training abgeschlossen ist, die gesattelt an der Startlinie stehen. Die Technologien, die sich als effizient, günstig und breitentauglich bewiesen haben, müssen gefördert und ausgebaut werden. Wir sollten auf jene Pferde setzen, die uns rasch und effizient am weitesten bringen, um unabhängig von Öl, Kohle und Gas zu werden: Erneuerbare Energien, Wärmepumpen oder Elektromobilität etwa sind effizient und sparen Kosten.
Damit wir in ihrer Anwendung den Turbo starten können, braucht es aber auch einen verlässlichen rechtlichen Rahmen. So kann Planungssicherheit für Betriebe und die Bevölkerung geschaffen und damit sichergestellt werden, dass die verfügbaren Ressourcen und die Infrastruktur bestmöglich genutzt werden.
Energieverbrauch muss sinken Der Umstieg auf saubere Energie allein ist aber nur ein Teil der Lösung. Damit unsere Energieressourcen nicht verschwendet und effizient eingesetzt werden können, muss auch der Gesamtenergieverbrauch sinken. Wie? Etwa, indem wir Gebäude sanieren, renovieren und dämmen und den öffentlichen Verkehr flächendeckend und kostengünstig ausbauen.
Es braucht Forschung Technologien, die für die Breite ineffizient oder zu teuer sind, sollten gezielt nur dort eingesetzt werden, wo sie ihre Wirkung bestmöglich entfalten können. Und dort, wo Technologien noch in den Kinderschuhen stecken – oder noch nicht einmal existieren – braucht es Forschung und Entwicklung, um für die Zukunft gerüstet zu sein.
Wesentlich ist, dass wir uns am Weg nicht von Trugbildern ablenken lassen und uns voll und ganz darauf konzentrieren, Technologien so einzusetzen, dass sie einen effizienten Umbau ermöglichen.
Katharina Rogenhofer studierte Zoologie in Wien und "Biodiversity, Conservation and Management" an der Universität Oxford. Initiatorin FridaysForFuture Österreich, Sprecherin Klimavolksbegehren. Autorin. Vorständin KONTEXT Institut für Klimafragen