Politik-Experte Peter Hajek

"Sind politische Umfragen nicht sinnlos, Herr Hajek?"

Der Meinungsforscher über seinen Beruf, wie man Umfragen für die Wiener Bestattung macht und warum es sinnlos ist, Männer nach ihrem Sexleben zu fragen.

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Peter Hajek vorzustellen ist, wie Uhren in die Schweiz zu tragen. Er ist promovierter Politologe, geprüfter Markt- und Meinungsforscher, Miteigentümer des Instituts "Unique Research", Lehrbeauftragter an Unis und Fachhochschulen, Polit-Analytiker auf "ATV" und der Mann hinter den Umfragen von "Heute" und "Profil". Die besten Passagen aus dem Podcast mit Christian Nusser. Peter Hajek über:

Peter Hajek, Meinungsforscher, Politologe, Uni-Lektor und Politik-Experte
Peter Hajek, Meinungsforscher, Politologe, Uni-Lektor und Politik-Experte
Helmut Graf

Seinen Kindheitstraum: Pilot, Astronaut oder irgendwas mit Umfragen?
Als Kind wusste ich nicht, dass es so was wie Umfragen gibt. Aber der Gedanke ist bei mir tatsächlich schon recht früh gekommen, und zwar deshalb, weil ich aus einem politischen Haushalt komme.

Seine Politisierung daheim
Mein Vater war Betriebsrat, es war ein hochpolitischer Haushalt und ich habe sehr früh begonnen, mich für Politik zu interessieren. Und dann habe ich begonnen, mit 16, 17 das "Profil" zu lesen.

Seine bereits 25 Jahre im Job
Das erschreckt mich immer wieder.

Mann spielt ein bisschen Ping-Pong. Dann hat man den Fragebogen fertig
Peter Hajek über das Erstellen von Umfragen

Ob Meinungsforscher ein cooler Beruf ist
Es ist ein Beruf, wo die Erfahrung und dementsprechend das Alter etwas zählt. Weil man auch insbesondere zu Zeiten, als KI und Digitalisierung noch nicht so fortgeschritten waren, einfach wahnsinnig viel im Kopf haben musste.

Was ein Meinungsforscher den ganzen Tag tut
Machen wir es einfach. Es kommt ein Kunde zu uns und er sagt, er hat möglicherweise irgendwo ein Problem oder er möchte ein spezielles Wissen erwerben über seine Zielgruppe. Dann bespricht man das mit ihm. Das ergibt einen Fragebogen. Dann spielt man ein bisschen Ping-Pong. Und dann hat man den Fragebogen fertig, geht damit ins Feld.

Was "ins Feld gehen" heißt
Ins Feld gehen heißt, man macht die Interviews, danach wird ausgewertet. Das ist dann die große Statistik. Man hat einen Tabellenband vor sich, zieht seine Schlüsse, vergleicht mit anderen Umfragen, Studien, Zahlen, etwa von der Statistik Austria. Dann geht es zum Kunden, man macht eine Präsentation und das war's.

Podcasts sind ein sich stark entwickelnder Markt in Österreichs Medienlandschaft
Podcasts sind ein sich stark entwickelnder Markt in Österreichs Medienlandschaft
Helmut Graf

Was hat es für einen Sinn, Menschen abseits von Wahlen zu fragen, was sie wählen? Sind politische Umfragen nicht sinnlos?
Ich möchte Ihnen nicht die Geschichte zusammenhauen, aber ich mache die Umfrage nicht, um zu wissen, wie Menschen zu einem fiktiven Zeitpunkt abstimmen. Das ist ja nur die mediale Verkürzung, weil es für die Medien sehr, sehr interessant ist.

Wofür sonst?
Wenn wir bei einem politischen Kunden sind, dann versuchen wir, Themen in der Wahlbevölkerung zu erheben. Also, die SPÖ kommt zu uns und sagt, es gibt demnächst einen Wahlkampf. Dann versuchen wir erstens Themen zu finden. Für die sozialdemokratische Wählerschaft, aber auch für Menschen, die sich grundsätzlich vorstellen könnten, die SPÖ zu wählen. Und dann sagen wir, in diese Richtung könnte es gehen, dieses Thema kommt gut an oder dieses Thema kommt weniger gut an.

Gibt es unter den Kunden viele Besserwisser? Ja, Journalisten
Peter Hajek über den Berufsalltag

Was das konkret heißt
Nehmen wir ein klassisches Beispiel. Haben wir nicht gemacht aber: Kinderarmut, ein Thema, das Andreas Babler stark besetzt. Wenn sie das abfragen, kommt das wahnsinnig gut an bei den Menschen, insbesondere bei SPÖ-Wählergruppen, aber auch bei freiheitlichen Wählern. Aber das Thema steht nicht ganz oben auf der Agenda der Menschen. Also sagen wir: Honoriges Thema, aber es wird kein Wahlkampftreiber sein.

Womit Meinungsforscher ihr Geld machen
Die wirkliche Butter am Brot, die kommt natürlich aus der Wirtschaft. Also das sind Pharmaunternehmen, die zum Beispiel einen Impfstoff einführen wollen. Das sind auch Medienhäuser, die wissen wollen, wie ihre Leserinnen und Leser ticken. Das sind Banken, das sind Versicherungen, das sind öffentliche Dienstleister. Einer meiner Lieblingskunden ist zum Beispiel die Bestattung Wien.

Wie man sich eine Umfrage bei der Bestattung vorstellen darf
Die Kunden sind nicht die Verstorbenen, sondern die Hinterbliebenen. Welche Wünsche haben die noch Lebenden für ihr Begräbnis. Und da hat sich natürlich in den letzten Jahren sehr, sehr viel getan. Also wir haben in den Umfragen gesehen, dass die Waldbestattung, die Strauchbestattung, die individuelle Gestaltung des Begräbnisses an sich, von Powerpoint-Präsentationen bis zu unterschiedlichen Musikstücken, dass sich das einfach verändert hat.

Ob es unter den Kunden viele Besserwisser gibt
Ja, Journalisten.

Waldbestattungen liegen im Trend, hier der Waldfriedhof am Wiener Zentralfriedhof in Simmering
Waldbestattungen liegen im Trend, hier der Waldfriedhof am Wiener Zentralfriedhof in Simmering
Picturedesk

Was eine Umfrage kostet
Also sie können, je nachdem, welche Stichprobengröße sie haben, welche Zielgruppe sie haben, welche Methode sie anwenden, bei 3.000 bis 4.000 Euro netto beginnen und dann hinauflizitieren, bis 50.000, 60.000, 70.000 Euro.

Ob es häufig Interessenskonflikte gibt
Die habe ich immer so aufgelöst, dass ich meinen politischen Kunden gesagt habe, zwei Dinge vorneweg: Ich mache mein Mandat gegenüber den Medien öffentlich und es gibt keine Gefälligkeitsumfragen, also das heißt Umfragen, die den Auftraggeber in einem besseren Licht erscheinen lassen. Und meinen Fixpartnern, "Heute", "Profil", "ATV", habe ich immer gesagt, wo ich aktuell gerade eine Umfrage laufen habe.

Bei 3.000 Euro fängt es an und geht rauf bis 70.000 Euro
Peter Hajek über Umfragekosten

Muss man oft nein sagen?
Ein klassisches Beispiel, 2016, Nationalratswahl, die ZiB 1 oder ZiB 2, glaube ich, hat bei mir angerufen und wollte Interviews zu den einzelnen Kandidaten. Ich habe gesagt, tut mir leid, kann ich nicht machen, bin befangen, ich arbeite für einen Kandidaten.

Was eine Umfrage seriös macht
Die Transparenz. Ich gehe nach den wissenschaftlichen Maßgaben vor, die in der Grundlagenforschung an der Universität entwickelt wurden, die übernehme ich, übersetze ich, führe ich aus und erkläre dem Kunden und der Kundin ganz klar, wie wir vorgehen. Wir legen natürlich auch immer die Zahlen offen, was übrigens Verpflichtung ist. Jeder Kunde hat die Möglichkeit zu sagen, bitte schicken Sie mir die Rohdaten, ich möchte mir das anschauen.

Kommt das häufig vor?
Ich habe lange Jahre während der Pandemie für das Bildungsministerium und Heinz Fassmann Umfragen gemacht. Schicken Sie die Kinder in die Schule, wie sehen Sie die Maskenpflicht, sollen Lehrer Maske tragen, wollen Sie ihre Kinder impfen? Also Planungsumfrage eigentlich. Wir haben die erste Umfrage gemacht, ich bekomme einen Anruf aus dem Kabinett: Bitte schicken sie uns den Rohdatensatz darüber, der Minister möchte ihn sich anschauen. Nicht, weil er es nicht geglaubt hat, er wollte schauen, wie die Stichprobe zusammengesetzt ist und hat eine Überprüfung vorgenommen. Dann habe ich den Anruf bekommen: alles gut.

Menschen rennen auf die Straße hinaus und schauen die Nummer des Motorblocks nach
Peter Hajek über Umfragetypen

Irren sich Auftraggeber öfters?
Klassisches Beispiel aus der Praxis, die Bundesregierung ist davon ausgegangen, dass beim ersten Lockdown im März 2020 so 50 bis 60 Prozent der Kinder in die Schule kommen werden. Ich habe dem Ministerium zurückgemeldet, es werden wahrscheinlich plus minus fünf Prozent sein. So war es dann auch. Und das war dann ganz wichtig, weil da ging es um Einsätze der Lehrkräfte und so weiter.

Warum Umfragen manchmal komplett danebenliegen
Beispiel die letzte Landtagswahl in Kärnten. Wir haben eigentlich den Trend bei allen Parteien gut eingeschätzt, außer bei der ÖVP, schwere Unterschätzung. Wir wissen bis heute nicht warum. Ich habe der Universität Wien den Datensatz im Nachhinein geschickt und die haben gesagt, er ist vollkommen in Ordnung. "Herr Kollege", hat der Forscher gesagt, "ich verstehe die mediale Aufregung nicht, es lag doch nur eine Partei außerhalb der Norm. Und ich habe gesagt: "Ja, aber erklären Sie das denen da draußen einmal."

Ob man aus 800 Befragten wirklich die Gesamtbevölkerung hochschätzen kann?
Wichtiger Punkt. Wir sehen ja, dass es in vielen, vielen Fällen zutrifft. Es gibt Themenfelder, wo Sie die Menschen sehr gut befragen können und Themenfelder, wo es heikel wird. Machen Sie eine Befragung im Automobil-Sektor und die Menschen rennen auf die Straße hinaus und schauen noch die Nummer des Motorblocks nach, um Ihnen den zu sagen. Heikel wird es, wenn es in den persönlichen Bereich geht.

Peter Hajek, Meinungsforscher, Politologe, Uni-Lektor und Politik-Experte, im Podcast mit Christian Nusser
Peter Hajek, Meinungsforscher, Politologe, Uni-Lektor und Politik-Experte, im Podcast mit Christian Nusser
Helmut Graf

Wo die meisten Menschen abblocken
Finanzbereich. Machen sie eine Freundesrunde am Abend, sie werden alles erfahren: Es reicht, es geht sich aus, man kann davon leben, sie erfahren nur keine exakte Zahl. Zweiter Bereich: Intimbereich, Körperpflege, Sexualität. Bei den Sexualkontakten übertreiben die Männer immer sehr, sehr stark.

Ob sich viele Menschen besser darstellen wollen
Ich habe einmal einen Auftrag von einem Zahnimplantate-Hersteller gehabt. Er wollte wissen, wie oft sich die Menschen am Tag die Zähne putzen. Ich habe gesagt, das brauchen wir nicht fragen, weil die sagen uns dreimal am Tag, das ist sozial erwünscht.

Und Politik?
Da wird es einfach heikel, das muss ich wissen. Und wenn ich das weiß, dann kann ich es auch viel besser einschätzen und auch dem Kunden viel besser darlegen.

Ob ihn Ergebnisse überraschen können
Gendern. Wir haben für "Pragmaticus" eine Genderbefragung gemacht. Wovon ich wirklich überrascht war, dass es nur 28 Prozent ganz strikt ablehnen.

Die Österreicher sind gegen Verbote? Hahaha
Peter Hajek über Irrtümer

Welche Themen am emotionalsten sind
Verbote zum Beispiel, haben wir auch abgetestet. Der Auftraggeber war sehr pragmatisch, weil er davon ausgegangen ist, dass die Menschen gegen Verbote sind. Hahaha, wir in Österreich. Die Menschen wären für viel mehr Verbote. Außer beim Thema Autofahren und beim Alkohol. Vor allem die Kombination ist wirklich sehr, sehr heikel.

Wie die nächste Nationalratswahl ausgeht
Einer wird gewinnen.

Die FPÖ?
Also die Wähler und Wählerinnen treffen meistens ihre Wahl schon sehr, sehr früh. Wir haben das bei Sebastian Kurz gesehen, den wir ein halbes Jahr vor der Nationalratswahl 2017 abgetestet haben im Auftrag von "ATV", damals war noch Mitterlehner Parteichef. Das Wahlergebnis war exakt so, wie es dann bei Sebastian Kurz herauskam, wirklich erstaunlich.

Also alles schon fixiert?
Wir wissen nicht, was noch in einem Wahlkampf passiert. Kommt ein Ibiza-Video, fällt dem Herrn Babler noch irgendwas wahnsinnig Tolles ein, es wird ein bisschen mehr sein als die eine oder andere Sozialleistung zu erhöhen. Aber grundsätzlich steht die Geschichte.

Peter Hajek ist Geschäftsführer und Eigentümer von "Unique Research", promovierter Politikwissenschafter und akademisch geprüfter Markt- und Meinungsforscher. Beschäftigt sich seit 25 Jahren mit empirischer Sozialforschung. Lehraufträge an Universitäten, Fachhochschulen.

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