USA-Experte eugen freund

Sprit, Steuern, Pizza um 33 Dollar: Geld entscheidet US-Wahl

Präsident Biden will die Reichsten zur Kasse bitten: Polit-Experte Eugen Freund erklärt, warum das in den USA kein Tabu mehr ist.

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"It’s the economy, stupid!" Eh, klar. Wer in den USA die Gesellschaft und Wahlkämpfe mitverfolgt, der weiß: der Amerikaner wählt danach, wie es in seiner Brieftasche aussieht. Mittlerweile ohnehin im übertragenen Sinn. Denn Geld hat der Durchschnitts-Ami ohnehin nur selten im "wallet" - gezahlt wird mehr denn je mit Kreditkarte.

Kreditkarte ist fast so wichtig wie der Führerschein Und am besten, sie haben auch Schulden auf ihrer American Express oder Visa-Karte. Denn dann sind die Aussichten größer, dass ihnen die Bank einen Kredit gewährt. Offenbar, weil sie damit rechnet - diesmal im wahrsten Sinne des Wortes - dass ihr Kredit auch zurückgezahlt wird. Ganz logisch ist das nicht, aber jedenfalls ist das schon lange Usus in den Vereinigten Staaten.

Eugen Freund war ZiB 1-Moderator und lebte insgesamt elf Jahre in den USA
Eugen Freund war ZiB 1-Moderator und lebte insgesamt elf Jahre in den USA
Denise Auer, Picturedesk (Montage)

Zurück zur Wirtschaftspolitik. Wie beinahe der Rest der westlichen Welt war auch die Regierung von Joe Biden nach der Energiekrise, ausgelöst durch den Ukraine-Krieg, mit einer hohen Inflation konfrontiert. Anders als in Europa haben die USA das rasch(er) in den Griff bekommen. Am Papier. In der Realität sieht es freilich noch anders aus. Selbst eine Pizza kann sich etwa eine weniger betuchte New Yorker Familie derzeit schwer leisten: 33 Dollar, das sind auch in Euro nur unwesentlich weniger, kostet eine Pizza - ist (isst) man zu viert und trinkt auch noch vier große Cola dazu, sind schnell 150 Dollar weg.

Jede Garnierung extra kostet zwei Dollar Auch in der Provinz sind die Preise  deutlich gestiegen. Nehmen wir Peoria, die sprichwörtliche Durchschnitts-Stadt (liegt in Illinois): eine große Pizza kostet 17 Dollar, mit einer Garnierung; für jede weitere (Champignons, Salami, etc.) müssen sie weitere zwei Dollar auf den Tisch legen. Das sind sie für vier Personen mit Getränken schon bald knapp 100 Dollar.

Wie mich ein Chevrolet Impala Super Sport Cabriolet zum "König vom Klopeiner See" machte
Eugen Freund übe US-Lifystlyle in Kärnten

Auch die zweite wesentliche Kennzahl zeigt immer noch steil nach oben: die Spritpreise sind seit dem Amtsantritt von Joe Biden deutlich gestiegen, von 2,5 Dollar per Gallone (3,79 Liter)  im Jahr 2020 auf 3,6 Dollar in diesem März. Aber man muss es den Amis mit ihren Ami-Schlitten zugute halten: die Autos brauchen jetzt auch nicht mehr 20 Liter pro Hundert Kilometer, wie zur Zeit meines ersten USA-Aufenthalts in den 1980er Jahren, jetzt kommt man auch mit zehn Litern durch.

Ein kurzer Einschub: 1968 brachte mein Vater, ein Landarzt, von einem kurzen Wien-Aufenthalt einen Super-Schlitten nach St. Kanzian mit: Es war ein Chevrolet Impala Super Sport Cabriolet, fünf Meter vierzig lang, zwei Meter breit,  acht Zylinder, 5,7 Liter Kubikinhalt, 279 PS, Verbrauch: schon einmal 25 Liter auf 100 Kilometer - das ideale Fahrzeug, um damit auf den schmalen, nicht asphaltierten Landstraßen Unterkärntens auf Visiten zu fahren. Und mich zum ungekrönten "König des Klopeiner Sees" ("Die Presse") zu machen.

No-Go ist plötzlich populär Der Nicht-Autofahrer Joe Biden, der in seinem "Beast" (so nennt sich die Präsidentenlimousine) herumkutschiert wird, spürt die immer noch bedrückende Teuerung zwar sicher nicht in seiner Brieftasche, aber in den Umfragedaten. Auch wenn die Wirtschaft wächst, die Inflation gesunken ist, die Arbeitslosigkeit ebenso, dem Präsidenten wird das nicht zugute gehalten. Und jetzt plant der Mann im Weißen Haus noch einen Schritt, der im ersten Moment wie einer gegen alle Vernunft erscheint: er will die Steuern erhöhen. Nun, nicht "die", sondern Steuern für Super-Reiche und Unternehmen. Das war, solange ich denken kann, ein absolutes No-Go in den USA.

    Tradition am Korrespondenten-Dinner: Man lacht über sich und über andere
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    In den 1980er Jahren, als Präsident Ronald Reagan an die Macht kam, war einer seiner Slogans, die Bürokratie einzuschränken. Der Staat, so argumentierte er landauf, landab, müsse verkleinert werden, gemeint war damit im wesentlichen die Kürzung von Sozialausgaben. Ich erinnere mich noch gut an Kalifornien, seinen Heimat-Staat, in dem der "Antrag Nummer 13" („proposition 13“) ein durchschlagender Erfolg war: Dort wollte man mit Hilfe einer Erhöhung der Grundsteuer Schulen und das Lehrpersonal für Einwanderer finanzieren. Der Vorschlag wurde mit überwältigender Mehrheit abgelehnt.

    "Read my lips: no new taxes!" Reagan ("Die Regierung ist nicht die Lösung, die Regierung ist das Problem") kürzte in seiner Amtszeit die Einkommenssteuer von 70 auf 50 Prozent, die Kapitalgewinnsteuern von 28 auf 20 Prozent und einige andere Steuern ebenfalls. Das Budgetdefizit stieg in enorme Höhen, es war gegen Ende seiner Amtszeit so hoch, dass er einige der Steuernachlässe wieder rückgängig machen musste. Dennoch schaffte es noch ein weiterer Republikaner, sein Vize, an die Macht. George H.W. Bush wurde nicht zuletzt durch sein Credo berühmt, keine neuen Steuern einführen zu wollen ("Read my lips: no new taxes!"). Als er dann in seiner Amtszeit genau das Gegenteil tat, torpedierte er somit selbst seine Wiederwahl.

    Hier, und jetzt sind wir im Jahr 1992 gelandet, kommt nun "It’s the economy, stupid!" ins Spiel. Dieser Spruch hing in Bill Clinton’s "War Room", seinem Wahlhauptquartier. Clinton nützte jeden Wahlkampfauftritt, um Bush dessen gebrochenes Versprechen um die Ohren zu knallen. So schaffte der unbekannte Gouverneur aus dem unbedeutenden Bundesstaat Arkansas den Sprung ins Weiße Haus.

    Das Liebespaar, über das die Welt derzeit spricht: Taylor Swift und Football Star Travis Kelce
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    Nun hat sich jedoch etwas grundsätzlich geändert, und der Spürsinn von Präsident Biden erkannte das auch: die Mehrheit der Amerikaner will die enorme Ungleichheit im Einkommensbereich nicht länger ertragen. Oder anders ausgedrückt: Auch in den USA werden die Reichen immer reicher, die Armen ärmer. Ein Beispiel: Elon Musk (der Mann von Tesla und X, vormals Twitter) ist heute laut einer Kolumnistin der "New York Times" fast zehnmal reicher als vor nur vier Jahren. Gab es 1990 etwa 70 Milliardäre, sind es laut der jüngsten "Forbes"-Liste nun 813. Zusammen besitzen sie ein Vermögen von 5,7 Billionen Dollar, um 1,2 Billionen mehr als ein Jahr zuvor. Auch dank 97 Neuzugängen aus der Techno- und KI-Welt – und von Taylor Swift.

    "No new taxes" gilt also diesmal nicht Donald Trump ist in seiner Regierungszeit als Präsident genau diesem Klientel entgegen gekommen: er senkte damals die Reichen- und Unternehmenssteuer um eine Billion (1.000 Milliarden) Dollar. Nächstes Jahr läuft dieses Gesetz aus. Biden will wenigstens einen Teil dieses Geldes wieder zurückholen. "No new taxes" gilt also diesmal nicht - vorausgesetzt, diese Idee des Präsidenten findet im Kongress genug Unterstützer.

    Eugen Freund war Moderator der ZiB 1, lebte von 1979 bis 1984 in New York und war von 1995 bis 2001 in Washington als ORF-Korrespondent tätig. Er war Teil der SPÖ-Delegation im Europa-Parlament und ebendort Mitglied der USA-Delegation (2014-2019)

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