Normandie

Warum Österreich bei den Feierlichkeiten zum D-Day fehlte

Vor 80 Jahre nahm der Zweite Weltkrieg seine entscheidende Wende. Dutzende Staatschefs gedachten am Donnerstag der historischen Ereignisse in der Normandie. Aber ohne uns!

Douglas C-47-Maschinen fliegen über die Köpfe von Joe Biden, Jill Biden, Emmanuel Macron und Brigitte Macron
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Christian Nusser
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Ordnung muss sein, auch wenn dadurch die geschichtlichen Abläufe etwas aus den Fugen gerieten. Britische Fallschirmspringer stellten am Donnerstag die Landung der Alliierten aus der Luft nach. Das gestaltete sich zunächst etwas seltsam. Denn nachdem die Soldaten auf einer Wiese in Sannerville bei Caen gelandet waren und ihre Siebensachen verstaut hatten, erwartete sie der französische Zoll: Passkontrolle. Die vollbepackten Fallschirmspringer wurden also auf einem Klapptisch beamtshandelt und bekamen einen Stempel in den Pass. Brexit means Brexit!

Am 6. Juni 1944, also auf den Tag genau vor 80 Jahren, erstürmten zunächst 175.000 Soldaten vorwiegend aus Großbritannien, Kanada und den USA fünf Strandabschnitte der französischen Normandie, alle fünf hatten einen Codenamen: Sword, Juno, Gold, Omaha, Utah. 11.600 Flugzeuge und 4.100 Landungsbotte kamen zum Einsatz.

"Operation Overlord" leitete die endgültige Wende im Zweiten Weltkrieg ein, es war der erste Schritt zur Befreiung Europas von den Nationalsozialisten. Für die Offensive wird heute häufig der Name "D-Day" verwendet, sinngemäß also "Tag X", das "D" gilt als Platzhalter für  "Decision" (Tag der Entscheidung), aber auch "Delivery" (Liefertag) oder "Doomsday" (Jüngster Tag) sind in Verwendung. Mit einem Mal war Hitler-Deutschland in die Zange genommen. Auf der einen Seite Russland, auf der anderen Seite die Alliierten.

Der Angriff galt dem 2.685 Kilometer langen Atlantikwall der deutschen Wehrmacht, erbaut von 300.000 Zwangsarbeitern, überrannt in nicht einmal 24 Stunden. Beide Seiten erlitten hohe Verluste. Allein am D-Day kamen bis zu 6.000 alliierte Soldaten ums Leben und bis zu 9.000 Angehörige der Wehrmacht. Die Gesamtzahl der Todesopfer während der "Operation Overlord" erreichte 100.000 Soldaten, 300.000 wurden verwundet.

Die Briten feierten vor Sie erinnerten sich bereits am Mittwoch im südenglischen Portsmouth an die Tage als von hier Tausende Soldaten Richtung Frankreich aufbrachen. Premierminister Rishi Sunak war da, die Schauspielerin Helen Mirren, König Charles hielt eine Rede, Drohnen malten die Silhouette eines Kampfflugzeugs in den Nachthimmel. Großbritanniens Thronfolger Prinz William (41) las Notizen aus dem Tagebuch von Captain Alastair Bannerman vor, verfasst am 6. Juni 1944 frühmorgens, gerichtet an seine Frau. "Ich glaube nicht, dass ich lange schreiben kann." Bannermann überlebte die Invasion.

Großer Auftritt für Selenskyj Tags darauf folgte auf der anderen Seite des Ärmelkanals die große Zeremonie, sie stand ganz im Zeichen der Ukraine. Präsident Wolodymyr Selenskyj, der mit Ehefrau Olena angereist war, wurde von minutenlangem Applaus empfangen, umarmt, alle erhoben sich von den Plätzen, in vielen Reden waren er, sein Land und der gemeinsame Abwehrkampf Mittelpunkt.

Die französische "Patrouille de France" gefolgt von der British Royal Air Force's überfliegen das Gelände
Die französische "Patrouille de France" gefolgt von der British Royal Air Force's überfliegen das Gelände
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25 Staats- und Regierungschefs waren gekommen, Tom Hanks („Der Soldat James Ryan“) und Regisseur Steven Spielberg saßen im Publikum. Bewegend der Auftritt der rund 200 letzten lebenden Veteranen, alle gehen auf Hundert zu oder vom Hunderter weg. Einige von ihnen herzten Selenskyj. "Die freien Nationen stehen zusammen", sagt König Charles, "wenn es um den Kampf gegen die Tyrannei geht."

US-Präsident Joe Biden zog einen Bogen von damals zu heute. "Vor Diktatoren einknicken, weglaufen, wenn es ernst wird. Das werden wir nicht zulassen", sagte er. "Die Freiheit ist ein Kampf, der jeden Tag aufs Neue geführt werden muss", so Frankreichs Präsident Emmanuel. Russland war nicht eingeladen, Präsident Wladimir Putin wurde mit keinem Wort erwähnt.

Aber wo war Österreich? "Nicht eingeladen", lautet die knappe, aber präzise Auskunft der Präsidentschaftskanzlei. Und deshalb war Alexander Van der Bellen am Donnerstag nicht in der Normandie, sondern konnte zeitgleich das österreichische Fußball-Nationalteam verabschieden, das sich auf den Weg zur EM nach Deutschland machte. Und Kanzler Karl Nehammer durfte neben Van der Bellen stehen, denn er war ebenfalls nicht nach Frankreich gebeten worden.

    Emmanuel Macron zeichnet die Veteranen Joseph Miller (Zweiter von Links) and Arlester Brown (sitzt vorne rechts) mit der Legion of Honour aus
    Emmanuel Macron zeichnet die Veteranen Joseph Miller (Zweiter von Links) and Arlester Brown (sitzt vorne rechts) mit der Legion of Honour aus
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    Warum ist das so? Als der Zweite Weltkrieg vorbei war, fanden die Feierlichkeiten, die an den D-Day erinnern sollten, zunächst noch in vergleichsweise bescheidenem Rahmen statt. Deutschland und Österreich waren von Beginn an nicht eingeladen und das ändert sich auch in der Folge nicht. Die beiden Länder hatten aus der Sicht vieler Ländern nicht ausreichend deutlich gemacht, ob sie die Befreiung durch die Alliierten nun tatsächlich als Befreiung empfunden hatten oder eher als Schmach für einen verlorenen Krieg.

    Für Deutschland änderte sich das 2004 lud der damalige französische Präsident Jacques Chirac erstmals einen deutschen Kanzler zu den Feierlichkeiten nach Caen ein. Gerhard Schröder durfte sogar eine Rede halten, er nannte die deutsche Zurückhaltung gegenüber Militäraktionen eine der Lehren der Geschichte. Worte, die der Wind inzwischen weggeweht hat.

    Am Donnerstag nahm Kanzler Olaf Scholz teil, als stummer Gast, das Protokoll sah es so vor. An Österreich dachte niemand. "Wir wurden inzwischen einfach vergessen", sagte ein politischer Vertreter aus Wien am Donnerstag zu Newsflix.

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