Expertin Monika Rosen

"Warum schnelle Schlankmacher ein immer dickeres Geschäft werden"

Abnehmspritzen haben Novo Nordisk zu einem der wertvollsten Unternehmen Europas gemacht. Börsen-Expertin Monika Rosen analysiert den Höhenflug – und was da noch drin ist.

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Mit seiner Fett-weg-Spritze hat der dänische Pharmariese Novo Nordisk einen Hype ausgelöst. Das Mittel, bekannt unter den Namen "Wegovy" oder "Ozempic", lässt ohne Diät-Qual in kürzester Zeit die Kilos purzeln. Und während die Kunden ihr Fett wegkriegen, hat sich das Unternehmen zu einem veritablen Schwergewicht entwickelt. Die Aktie geht durch die Decke wie keine zweite derzeit. Das müssen Sie über den Höhenflug wissen.

Es war alles anders geplant

Novo Nordisk wurde in den 1920er-Jahren gegründet und hat als eines der ersten Unternehmen bahnbrechende Forschung im Zusammenhang mit Insulin zur Senkung des Blutzuckers für die Behandlung von Diabetes angestellt. Dafür haben sie sich einen Nobelpreisträger ins Haus geholt, den Dänen August Krogh, der die Auszeichnung 1920 für seine Forschungen über Blutkapillaren und den Gasaustausch bei der Atmung erhielt. Er war mit Marie Krogh verheiratet, der vierten Frau in Dänemark mit abgeschlossenem Medizinstudium. Sie erkrankte an Diabetes, August Krogh erfuhr von der Entdeckung des Insulins in Kanada und stürzte sich in die Weiterentwicklung in Europa.

Das damals noch kleine dänische Unternehmen Novo Nordisk begann 1923 mit der Produktion von Insulin. Bis heute sind Insulin und die Diabetes-Forschung die Schwerpunkte des Konzerns.

Monika Rosen war über 20 Jahre lang Chefanalystin im Private Banking einer österreichischen Großbank. Sie ist auch Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft
Monika Rosen war über 20 Jahre lang Chefanalystin im Private Banking einer österreichischen Großbank. Sie ist auch Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft
Helmut Graf

Abnehmen als Nebeneffekt

Die Fett-weg-Spritze "Wegovy" hat sich sozusagen als Nebenschiene der Diabetes-Behandlung entwickelt. Der in "Wegovy" enthaltene Wirkstoff Semaglutid ist seit einigen Jahren zur Senkung des Blutzuckers bei Diabetes zugelassen. Auch bei Menschen, die nicht an Diabetes leiden, zeigt das Mittel Wirkung, indem es das Abnehmen leicht macht. Rund 15 Prozent Gewichtsreduktion innerhalb von zwölf Wochen sind laut Experten möglich, und zwar ohne strammes Diätprogramm. Einfach indem man sich einmal wöchentlich die Spritze setzt, die es fix und fertig zur Injektion in der Apotheke zu kaufen gibt (wenn sie nicht ausverkauft ist).

Kilos runter, Kurs rauf

Der Hype um diese einfache Art des Abnehmens beschert Novo Nordisk einen Umsatzrekord nach dem anderen. Das Unternehmen ist inzwischen der wesentliche Wirtschaftstreiber Dänemarks. Und nicht nur das. Der Aktienkurs ist regelrecht explodiert, hat sich seit dem Jahr 2020 verdreifacht. Novo Nordisk hat beim Börsenwert den US-Elektroautobauer Tesla überholt – Tesla-Gründer Elon Musk ist übrigens ebenfalls ein Fan der Abnehmspritze. Novo Nordisk ist die wertvollste europäische Aktie, hat den französischen Luxuskonzern LVMH locker hinter sich gelassen. Im Ranking der wertvollsten Unternehmen weltweit steht Novo Nordisk aktuell auf Platz 12.

Massenmarkt Übergewicht

Fakt ist: In den westlichen Industrieländern ist Übergewicht ein immer größer werdendes Problem, insbesondere in den USA. Da geht's nicht nur um ein paar Kilos zu viel, sondern um echte Fettleibigkeit. Wenn dann ein Mittel daher kommt, das dem Gewicht schnell und mühelos zu Leibe rückt, war es absehbar, dass das ein Bestseller wird. Die Spritze ist alles andere als günstig, trotzdem herrscht ein einzigartiger Run auf das Mittel.

Die Zentrale von Novo Nordisk in Bagsvaerd, Dänemark
Die Zentrale von Novo Nordisk in Bagsvaerd, Dänemark
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Die Krux mit dem JoJo

Eine echtes Wundermittel ist die Abnehmspritze freilich nicht. Denn sie leidet am gleichen Phänomen wie herkömmliche Crash-Diäten: dem JoJo-Effekt. Wer nach der Spritzenkur weiter völlert ohne Grenzen, hat die Kilos schnell wieder oben. Und die Spirale beginnt von vorn. Kritiker geben außerdem zu bedenken, dass es die Fett-weg-Spritze erst zu kurz gibt, um über mögliche Langzeitfolgen Bescheid zu wissen. Das stimmt. Aber derweil scheint das am Markt noch allen egal zu sein.

Auch andere wollen mitnaschen

Inzwischen wollen auch andere Unternehmen am Erfolg von Novo Nordisk mitnaschen und entwickeln eigene, ähnliche Präparate zur Gewichtsreduktion. Wichtigster Konkurrent der Dänen ist der US-Pharmakonzern Eli Lilly. Und nach der Abnehmspritze soll eine ähnlich wirkende Pille das nächste große Ding werden. Ist ja für manche vielleicht doch noch angenehmer als der Piks mit der Injektionsnadel.

100 Milliarden Dollar schwerer Markt

Eine so kontinuierliche Aufwärtsentwicklung des Aktienkurses wie bei Novo Nordisk ist wirklich bemerkenswert. Wie viel Potenzial da noch drin ist, wie lange es weitergeht? Schwer zu sagen. Aber eine Bremse ist noch nicht erkennbar. Und Novo Nordisk bleibt ja nicht stehen, entwickelt weitere Präparate und wird selbst "dicker": Gerade erst wurde der Kauf des deutschen Biotech-Unternehmens Cardior für rund eine Milliarde Euro angekündigt.

In der gesamten Schlankheits-, Wellness- und Anti-Aging-Industrie ist richtig viel Geld drin – und es wird immer mehr. Der Markt wird, Schätzungen zufolge, bis 2030 bis zu 100 Milliarden Dollar schwer sein. Das ist also ein echt fetter Kuchen.

Chips und Schoko unter Druck

Wo Gewinner, da immer auch Verlierer. Das gilt für diesen Markt ebenfalls. Am anderen Ende des Schlankheits-Business stehen die Hersteller von Snacks, Schokolade & Co. – da sind große Player an der Börse teils schon etwas unter Druck geraten. Eine zweite Verlierer-Schiene könnten die Hersteller von künstlichen Hüften und Kniegelenken sein. Denn Übergewicht ist sehr häufig der Auslöser dafür, dass man so etwas braucht. Weniger Übergewichtige, weniger künstliche Gelenke.

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