neues buch

Wie radikal sich Ex-Minister Anschober die Zukunft erträumt

Der frühere Gesundheitsminister Rudolf Anschober blickt in seinem neuen Buch voraus bis zum 12. Mai 2040. Was an diesem Datum so besonders ist.

Interview mit dem ehemaligen Gesundheitsminister Rudolf Anschober im Wiener "Cafe Mozart" 2023
Interview mit dem ehemaligen Gesundheitsminister Rudolf Anschober im Wiener "Cafe Mozart" 2023
Helmut Graf
Newsflix Redaktion
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Als Rudolf Anschober am 2. Jänner 2020 von Bundespräsident Alexander van der Bellen angelobt wurde, sah er sich am Höhepunkt seiner Gestaltungsfreiheit. Ein Monat später war diese Gestaltungsfreiheit auf Virusgröße zusammengeschrumpft. Corona hatte Österreich in Beschlag genommen. Statt als Sozialminister mit Visionen durchs Land zu fahren, sah sich der Oberösterreicher als Gesundheitsminister Krisenfeuerwehr spielen und das in gut 100 Pressekonferenzen, allein oder als Teil des "virologischen Quartetts".

15 Monate im Amt Die Löscharbeiten dauerten über ein Jahr und als er abging, brannte das Haus immer noch lichterloh. Am 13. April 2021 trat Anschober zurück, beim Gesundheitsminister machte die Gesundheit nicht mehr mit. Er hatte mehrere Zusammenbrüche, war im Spital, die Pandemie raubte ihm Kraft und Willen. Am Ende einer langen Abschiedsrede sagte er "Auf Wiedersehen", aber ob es ein Wiedersehen in der Politik gibt, scheint mehr als zweifelhaft.

Vom Glauben an das Gute beseelt Anschober ist nun Vortragender, er reist durch Österreich und das nahe Ausland und liest aus seinen Büchern vor. "In Pandemia" arbeitete der 63-Jährige die Viruslast literarisch auf. Er kann schreiben, Anschober hat in einem seiner früheren Leben als Journalist gearbeitet. Das merkt man auch seinem neuen Werk "Wie wir uns die Zukunft zurückholen" an, es ist textsicher und malt stimmige Bilder. Man kann diese Bilder mögen, muss aber nicht. Sie sind blumig, rosarot, mutmaßlich naiv, weltverbesserisch in jedem Fall und vom Glauben an das Gute beseelt.

Pressekonferenz mit Rudolf Anschober am 13. April 2021, in der er seinen Rücktritt als Gesundheitsminister bekanntgibt
Pressekonferenz mit Rudolf Anschober am 13. April 2021, in der er seinen Rücktritt als Gesundheitsminister bekanntgibt
Helmut Graf

Alles wird gut, wird alles gut? Das Buch schaut in die Zukunft, bis zum 12. Mai 2040. Es gibt eine Vision wider, wie sich die Erde aus der Klimakrise befreien könnte.  Das Cover von "Wie wir uns die Zukunft zurückholen" zeigt Anschober über Wien, seinem Lebensmittelpunkt. Die Stadt im Hintergrund ist unscharf gestellt, die Abendsonne scheint ihm ins Gesicht. Das Bild soll Optimismus verbreiten und das ist der Tenor des Buches. Die wichtigsten Passagen:

Warum er es geschrieben hat
"Wie wir uns die Zukunft zurückholen" ist meine sehr persönliche Zeitreise in eine gute Zukunft. Das Gedankenexperiment erzählt davon, was alles möglich wird, wenn wir umgehend handeln, unsere Gewohnheiten und die bisherige Politik überwinden und gemeinsam eine Revolution starten.

Was es mit dem Schwarzen Sommer auf sich hat
Lange Zeit ist in Sachen Klimaschutz viel schiefgelaufen, bis eine noch nie dagewesene Hitzewelle, der Schwarze Sommer, die Krise eskalieren lässt.

Was die Folgen des Schwarzen Sommer sind
Nach diesem Schock und mit den Lehren aus der Polykrise gelingt es, die Wende umzusetzen, die Klimakrise zu begrenzen und unser Leben zu verbessern.

Warum der 12. Mai 2040 ein Schlüsseldatum ist
Ich liebe diese stillen Nachtstunden, die den leisen Geräuschen der Tiere Raum lassen. Vertraute Töne in einer besonderen Nacht. Den 12. Mai 2040 schreiben wir heute. Es ist mein Geburtstag. Ein besonderer Geburtstag: mein achzigster.

Wie er sich selbst zum 80. Geburtstag sieht
Ich gehe ein paar Schritte leise, um meine Partnerin nicht zu wecken, bleibe vor dem Spiegel stehen und sehe einen alten Mann. Viele Falten und Altersflecken im Gesicht, die Haare weiß und dünn. Aber die Augen sind wach und klar.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober besichtigt das Lager des Impf-Großhändlers Herba Chemosan
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Helmut Graf

Wie er den Autoverkehr der Zukunft denkt
Seit dem Aus für fossil betriebene Fahrzeuge hat sich die Zahl der Autos um ein Drittel verringert und die verbliebenen Fahrzeuge mit E-Antrieben sind leise. Pendelfahrten wurden deutlich weniger, Tempo 30 gilt mit Ausnahme der Durchzugsstraßen in der gesamten Stadt, das hat den Verkehrslärm noch einmal halbiert.

Wie der öffentliche Raum neu verteilt wurde
Dort, wo früher die zweite Fahrspur der Autos war, führt jetzt ein breiter Radweg zum Stadtteilbahnhof mit seiner Fahrradtiefgarage, stadteinwärts ist er rot gefärbt, gelb in die Gegenrichtung. Ich muss lachen, während ich mich zurückerinnere. Was waren das für emotionale Auseinandersetzungen bei jedem Rückbau einer Straße.

Welche Folgen Klimaflucht haben könnte
Belami (sein Hund, Anm.) und ich gehen an der Volkshochschule vorbei, in der seit zwei Jahren Klimavertriebene aus dem Globalen Süden, die mit einer "ClimateCard" hierhergekommen sind, eine Ausbildung erhalten.  Verdammt! Die Fensterfläche beim Eingang wurde mit rassistischen Sprüchen beschmiert.

Wie das veränderte neue Leben ausschaut
Es ist noch nicht einmal sechs Uhr früh und doch sind bereits etliche Menschen unterwegs. Manche zu Fuß, etwa unsere Nachbarin Marie mit ihrem Hausschwein Piggy an der Leine, viele fahren auf ihren Fahrrädern, die meisten in den Öffis, einige wenige in Autos.

Warum er an die Siesta glaubt
Die Hitzewellen der letzten Jahre haben das Leben der Bevölkerung verändert: Zunehmend nutzen die Menschen die kühleren Morgenstunden und den Abend, den Nachmittag verbringen nur wenige mit Arbeit und schon gar nicht im Freien, sondern mit einer kleinen Siesta. Auf die Kleidung hat sich geändert, ist heller, luftiger, legerer geworden.

Das "virologische Quartett": Gesundheitsminister Rudolf Anschober, Bundeskanzler Sebastian Kurz Vizekanzler Werner Kogler, Innenminister Karl Nehammer
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Helmut Graf

Was die "Wende" sabotiert hat
Die politischen Geschäfte liefen wie geschmiert, wer sich alles daran beteiligte, erfuhren wir erst Jahre später. Einigen Verantwortlichen wurde das mit einer komfortablen Altersversorgung vergolten: Kaum aus dem Amt geschieden, nahmen Spitzenpolitiker:innen in Deutschland, Großbritannien, Italien, Österreich und anderen Ländern hochdotierte Jobs in regionalen Energieunternehmen ... ein.

Warum er an die UNO glaubt
Die Wende beginnt mit einer Reform der UNO. Im September 2025 gelingt bei der UNO-Vollversammlung in New York ein Schritt hin zu einer Reform der Vereinten Nationen mit dem Ziel, die Wirksamkeit der globalen Zusammenarbeit zu stärken, der in der Dimension seiner Auswirkung erst Jahre später erkannt wurde.

Was 2026 passieren wird
Und dann kommt das Jahr 2026 und mit ihm ein Schwarzer Sommer ... 2026 lernen wir zu verstehen, was es heißt, wenn das eigene Haus brennt ... die Zeit der Ausreden und des Wegschauens ist vorbei, das Zeitalter des Desasters beginnt.

Was 2027 folgt
Der Aufstand beginnt …Die Kommissionspräsidentin hat einen klugen Schachzug gemacht: Sie will mit dem Klimanotplan die neue Breitschaft für eine rasche Umsetzung der wichtigsten Maßnahmen nützen ... den Worten folgen diesmal Taten.

Was in Österreich 2028 passiert
Zurück in Österreich finde ich ein Land vor, in dem gerade eine Regierungskrise ausgebrochen ist. Der Grund: das Ergebnis des sogenannten Russland-Untersuchungsausschusses.

Was am 12. Mai 2040 passiert
Da stehe ich nun und bin gefordert. Eine Rede zu halten, fällt mir schwer. Ich bin euphorisiert und müde zugleich. Aber wie immer in meinem Leben sprechen an besonderen Tagen, zu außergewöhnlichen Anlässen, vor allem Herz und Bauch.

Mit einer Ansprache von Anschober zu seinem 80. Geburtstag geht das Buch zu Ende. "Jetzt befinden wir uns mitten in dieser Transformation" schreibt er. "Viele Folgen unseres Handelns können wir nicht wieder gutmachen, aber wir wissen nun, dass die Richtung stimmt".

Rudolf Anschober, "Wie wir uns die Zukunft zurückholen", Brandstätter Verlag, 208 Seiten, 25 Euro.

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