rekorde purzeln
Wirtschaft stürzt ab, Börsen heben ab: Wie geht denn das?
Warum Aktienmärkte und Bitcoin derzeit boomen. Wie lange die Rallye dauern wird. Und was das für Sie jetzt heißt. Börsen-Expertin Monika Rosen analysiert.
Die Wirtschaft in der Eurozone befindet sich aktuell bestenfalls in einer Stagnation, im Fall von Deutschland ist es vielmehr bereits eine Rezession. Davon merkt man an der Börse in diesen Tagen aber nichts. Der deutsche Leitindex Dax hat zuletzt die Schwelle von 18.000 Punkten durchbrochen, und auch an der Wall Street in New York purzeln die Rekorde. Dort sind es die großen Tech-Aktien, allen voran Chiphersteller und KI-Wunder Nvidia, die scheinbar nur eine Richtung kennen, und zwar nach oben.
Von dieser Euphorie ließ sich auch Bitcoin anstecken und durchbrach die Schallmauer von 73.000 Dollar. Geben die Fundamentaldaten das alles eigentlich noch her, oder kommt demnächst die große Ernüchterung? Wir fragen nach bei Börsen-Expertin Monika Rosen:
Börsen-Boom trotz mauer Konjunktur in Europa: Was sind die Gründe?
Die Anleger setzen derzeit stark darauf, dass die EZB bald die Zinsen senkt. Aktuell hat man hier Juni für die erste Senkung im Visier. Außerdem fallen auch in Europa die Unternehmensergebnisse im Schnitt besser aus als erwartet. Und man sollte auch die Sogwirkung der Börse in New York nicht unterschätzen. Sie ist die größte Aktienbörse weltweit, gibt den Takt vor. Solang sie so gut läuft wie derzeit der Fall, lassen sich auch die europäischen Märkte davon etwas mitziehen.
Was beflügelt denn die Kurse in New York?
An der Wall Street spielt die Musik ganz stark im Bereich Technologie, und hier vor allem bei KI. Die Aktie des Chipherstellers Nvidia ist derzeit in aller Munde, allein seit Jahresbeginn hat sie schon rund 80 Prozent zugelegt. Kritiker zeigen sich allerdings besorgt, dass der Rest des Marktes da nicht mitkommt. Die Rallye ist nicht wirklich breit abgestützt, das sehen einige Experten durchaus skeptisch. Davon abgesehen, dreht sich auch in den USA die Diskussion stark um die Frage, wann die erste Zinssenkung erfolgt. Zuletzt kamen jenseits des Atlantiks die Inflationsdaten stärker herein als erwartet, das hat den Hoffnungen auf eine baldige Zinssenkung wieder einen Dämpfer verpasst.
Zeigt sich der Mut zum Risiko auch beim Kurs von Bitcoin?
Ja, durchaus. Die Crypto-Währung hat zuletzt die Marke von 73.000 Dollar überschritten und damit ein neues Rekordhoch erreicht. Auf Sicht der letzten zwölf Monate hat sich der Kurs verdreifacht. Bitcoin ist schon auch ein Gradmesser für die Risikobereitschaft der Anleger, und die ist im Moment eben durchaus gegeben. Außerdem hat die US-Börsenaufsicht im Jänner die Möglichkeit geschaffen, börsennotierte Fonds (sogenannte ETFs oder Exchange Traded Funds) auf Bitcoin aufzulegen. Damit wird die Crypto-Währung einem wesentlich breiteren Publikum zugänglich. Man muss keine elektronische Geldbörse mehr anlegen, um Bitcoin zu halten, sondern kann sie wie einen Fonds kaufen. Diese Möglichkeit gibt es aber nur in den USA, in Europa erlauben die Regularien dies nicht.
Welche Rolle spielen die politischen Turbulenzen derzeit an der Börse?
Die Geopolitik beeinflusst das Börsengeschehen derzeit kaum. Das klingt zwar sehr zynisch, aber sowohl der Krieg in der Ukraine, als auch jener im Mittleren Osten (Gaza) wird von den Anlegern derzeit eher ignoriert. Am ehesten spürt man das Thema noch beim Ölpreis. Der ist zuletzt wieder gestiegen, nachdem die Ukraine Drohnenangriffe auf russische Raffinerien durchgeführt hat.
Wie lange läuft diese Rallye noch?
Sicherlich die schwierigste Frage von allen. Man kann aber schon ein paar grundsätzliche Dinge festhalten. Im Unterschied zum Internet-Boom der Jahre 1999 und 2000 machen die Tech-Unternehmen, die den Markt derzeit ziehen, sehr wohl Gewinne. Nicht nur das, ohne ihren Beitrag wären die Gewinne im breiten US-Index S&P 500 im 4. Quartal 2023 rückläufig gewesen. Und die Tech-Aktien haben auch einen positiven Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr gegeben. Also ja, die Rallye ist teilweise schwindelerregend, aber sie erfolgt nicht ohne fundamentalen Hintergrund.
Welche Strategie sollten Anleger in diesem Umfeld daher wählen?
Die eine Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Am Ende des Tages ist jede Investmententscheidung abhängig von der persönlichen Risikobereitschaft und vom Zeithorizont, für den man investieren möchte. Langfristig zahlt sich aber ein disziplinierter Ansatz immer aus. Nicht von kurzfristigen Schlagzeilen irritieren lassen, sondern ein Ziel konsequent verfolgen. Und nicht alles auf eine Karte setzen, sondern das Portfolio streuen. Damit vermeidet man, dass der Verlust zu hoch ausfällt, wenn man irgendwo doch einmal daneben liegt.