Seit 2022 dürfen Ärzte auch bei uns todkranke Patienten bei ihrem Wunsch nach selbstbestimmtem Sterben unterstützen. Welche Voraussetzungen man dafür erfüllen muss, wie es in der Praxis abläuft, wie viele Österreicher es bereits getan haben – der Überblick.
Die Beschäftigung mit dem Thema kann belastend sein. Bitte lesen Sie den Beitrag nur, wenn Sie sich dazu in der Lage fühlen. Am Ende des Gesprächs finden Sie Notrufnummern, unter denen Betroffenen von Suizid-Gedanken geholfen werden kann.
Das erste Gesetz, das es erlaubt, Menschen bei ihrem Wunsch zu sterben zu unterstützen, wurde bereits 1942 in der Schweiz erlassen. Seither ist bei den Eidgenossen assistierter Suizid nur noch dann strafbar, wenn die Unterstützung aus eigennützigen Motiven geschieht.
Damit stellte die Schweiz für viele Jahrzehnte vom rechtlichen Standpunkt eine absolute Ausnahme dar. Die sich ab den 1980er-Jahren Sterbehilfeorganisationen wie Exit oder Dignitas zunutze machten, indem sie die Unterstützung für Sterbewillige Stück für Stück strukturierten, organisierten und professionalisierten. Seither reisen alljährlich hunderte sterbenskranke Menschen aus aller Welt in die Schweiz, um sich dort ihren Wunsch nach einem selbstbestimmten, würdevollen Tod zu erfüllen.
Weitere Länder in Europa, die ihre Gesetzeslage diesbezüglich liberalisierten, waren Belgien und die Niederlande (2002) sowie Luxemburg (2009). Deutschland folgte 2020, Spanien 2021.
In Österreich ist assistierter Suizid seit Anfang 2022 durch das Sterbeverfügungsgesetz möglich – allerdings und strengen Auflagen. Was assistierter Suizid eigentlich bedeutet, welche Untersuchungen dafür notwendig sind, wie der exakte Ablauf der Prozedur ist und wie viele Österreicher bisher diesen Weg gewählt haben – die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Was ist assistierter Suizid?
Rechtlich handelt es sich um Beihilfe zum Selbstmord. Dabei erhält eine Person, die den Wunsch hat, aufgrund ihres medizinischen Zustandes zu einem von ihr gewählten Zeitpunkt aus dem Leben zu scheiden, unter bestimmten Voraussetzungen ärztliche Unterstützung in Form von Aufklärung, Beratung sowie dem Verschreiben und Bereitstellen eines tödlichen Präparats. Dieses Präparat muss die Person eigenständig zu sich nehmen.
Ist das in Österreich erlaubt?
Ja, seit dem 1. 1. 2022 ist das sogenannte Sterbeverfügungsgesetz in Kraft, in dem der assistierte Suizid geregelt ist.
Unter welchen Voraussetzungen erhält man diese ärztliche Unterstützung?
Voraussetzung für einen assistierten Suizid ist, dass die Person unheilbar oder schwer chronisch erkrankt ist und dadurch unerträglichen Leidenszuständen ausgesetzt ist, die sie dauerhaft beeinträchtigen und die nicht anders abwendbar sind. Auf diese Weise soll diesen Personen ein selbstbestimmtes und würdiges Sterben ermöglicht werden.
Wer entscheidet, ob solche Umstände vorliegen?
Entscheidet sich eine Person für diesen Weg, muss sie zwei sogenannte Aufklärungsgespräche mit zwei verschiedenen Ärzten führen, von denen einer ein Palliativarzt sein muss. Diese Ärzte müssen bestätigen, dass bei der Person die medizinischen Bedingungen für diesen Entschluss gegeben sind, dass die Entscheidungsfähigkeit des Patienten gegeben ist, der Patient nach seinem eigenen, freien Willen handelt und sich der Tragweite seines Entschlusses bewusst ist.
Was passiert, wenn beide Ärzte die Rechtmäßigkeit bestätigen?
Dann tritt im Normalfall eine zwölfwöchige Wartefrist ein, eine sogenannte Cool-Down-Phase, um dem Patienten die Zeit zu geben, sich noch einmal mit seinem Wunsch auseinanderzusetzen. Nach den zwölf Wochen kann eine sogenannte Sterbeverfügung bei einem Notar oder einer Patientenanwaltschaft errichtet werden.
Kann jeder für sich eine Sterbeverfügung errichten?
Das kann prinzipiell jede Person, die volljährig und entscheidungsfähig ist. Der Patient sollte zudem österreichischer Staatsbürger sein oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben."
Was, wenn der Krankheitsverlauf bei einer Person schon weit fortgeschritten ist?
Im Akutfall kann die Wartefrist bis zum Erstellen der Sterbeverfügung auf zwei Wochen reduziert werden. Auch darüber entscheiden die beiden Ärzte im Rahmen der Aufklärungsgespräche.
Was geschieht, wenn man eine Sterbeverfügung erhalten hat?
Damit kann man dann in einer Apotheke jenes Präparat besorgen oder von einer Vertrauensperson besorgen lassen, das eingenommen werden muss, um den Suizid durchzuführen.
Bekommt man dieses Präparat in jeder Apotheke?
Nein, es steht jeder Apotheke frei, ob sie ein Präparat für den assistierten Suizid abgeben.
Um welches Präparat handelt es sich dabei?
Natrium-Pentobarbital, ein Narkosemittel, das in einer vielfach überdosierten Menge verabreicht wird.
Wie nimmt man das Mittel zu sich?
Entweder man trinkt es, oder man lässt es sich intravenös zuführen. In diesem Fall benötigt man eine medizinische Fachkraft, die den Venenzugang legt und die Infusion vorbereitet.
Wie schmeckt das Präparat?
Sehr bitter, deshalb wird vielen Patienten vorab ein Mittel gegeben, um den Brechreiz zu unterdrücken.
Wann muss das Präparat eingenommen werden?
Das liegt alleine beim Patienten. Es gibt keine Bestimmungen, wie rasch man das Präparat anwenden muss bzw. dass man es überhaupt anwenden muss. Die einzige Bedingung ist, dass der Patient das Präparat – wenn es zur Anwendung kommen soll – selbständig trinkt oder selbst die Infusion in Gang setzt.
Wie schnell wirkt das Präparat?
Je nach Anwendungsform. Nimmt es der Patient intravenös zu sich, fällt er nach wenigen Minuten in einen Schlafzustand, der schließlich in einen Komazustand übergeht. Trinkt man das Präparat, dauert es meist einige Minuten länger, ehe der Patient einschläft. In beiden Fällen lähmt das Präparat danach das Atemzentrum, Blutdruck und Kreislauf sinken ab und schließlich hört das Herz auf zu schlagen.
Wie rasch tritt der Tod ein?
Bei intravenöser Gabe zwischen fünf und zehn Minuten. Wird das Präparat getrunken, dauert es zwischen zehn und maximal 20 Minuten.
Gibt es Unterstützung für Patienten, die dabei nicht alleine sein möchten?
Es gibt einige Ärzte, die ihre Patienten auf diesem Weg begleiten. Die einzige Hilfsorganisation, die sich professionell mit der Begleitung sterbewilliger Patienten auseinandersetzt, ist die Österreichische Gesellschaft für ein humanes Sterben (oeghl.at), ein gemeinnütziger Verein, dessen ehrenamtliche Mitarbeiter die meiste Erfahrung auf diesem Gebiet vorweisen können.
Dürfen Angehörige beim assistierten Suizid dabei sein?
Selbstverständlich, es liegt allein im Ermessen des Patienten, wann, unter welchen Umständen und mit wem er diesen Schritt setzt.
Kostet der assistierte Suizid etwas?
Ja. Für die Erlangung der Sterbeverfügung fallen diverse Kosten an, die sich im Bereich von einigen hundert Euro bewegen. Wer eine professionelle Sterbebegleitung in Anspruch nehmen möchte, muss darüber hinaus mit weiteren Kosten rechnen, die sich, je nach Aufwand und Zeit, auf mehrere tausend Euro summieren können.
Übernimmt die Krankenkasse einen Teil der Kosten?
Nein, der assisitierte Suizid muss komplett aus eigener Tasche bezahlt werden.
Wie viele Menschen haben in Österreich bereits assistierten Suizid begangen?
Laut den offiziellen Zahlen der Statistik Austria haben seit in Kraft treten des Gesetzes bis Ende 2024 insgesamt 264 Menschen in Österreich assistierten Suizid begangen (2022: 54 Personen; 2023: 98 Personen; 2024: 112 Personen).