Zug um Zug veröffentlicht das US-Justizministerium nun Tausende Dokumente. Sie zeichnen ein grauenhaft klares Bild des Systems Jeffrey Epstein. Der Sexualstraftäter hat den Missbrauch von Frauen und mutmaßlich Minderjährigen regelrecht zelebriert.

"CSAM nicht gescannt"
Dieser Hinweis findet sich dutzende Male in den vom US-Justizministerium am Freitag, dem 19. Dezember, veröffentlichten Ermittlungsakten über den Finanzmagnaten und verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein.
"CSAM" steht dabei für "Child Sex Abuse Material" – Material über sexuellen Kindesmissbrauch. Früher nannte man das pauschal Kinderpornographie. Solches Material findet sich quer durch das gesamte veröffentlichte Datenmaterial. Dazu kommen zahlreiche Fotos, auf denen Epstein offensichtlich mit sehr jungen Mädchen zu sehen ist. Die Gesichter der Betroffenen wurden von den Behörden unkenntlich gemacht, um die mutmaßlichen Opfer zu schützen.
Das nun bekannt gewordene Material aus den Ermittlungsakten zeichnet ein grauenvolles Bild von Epstein und seiner Komplizin Ghislaine Maxwell. Tausende Bilder von Hausdurchsuchungen im New Yorker Stadthaus des 2019 durch Suizid verstorbenen Finanzmagnaten und auf dessen privater Karibikinsel Little Saint James, die zu den US Virgin Islands gehört.
Dazu hunderte Fotos aus Epsteins persönlicher Sammlung, festgehalten auf Dutzenden Computerfestplatten. Sie zeigen Bilder von den Reisen des Paares, zahlreiche Prominente, mit denen sich Epstein umgab, sowie immer wieder Frauen, deren Gesichter von den Behörden unkenntlich gemacht wurden.



Die Veröffentlichung dieser Bilder ist eine Gratwanderung, auch für Medien. Nicht jeder Promi, der auf den Fotos zu sehen ist, hat automatisch etwas mit Missbrauch zu tun. Selbstverständlich gilt die Unschuldsvermutung.
In den guten Zeiten pflegten viele Mitglieder der Society, Politiker, Sportler, Manager den Umgang mit Epstein, er war angesagt. Oft fehlt jetzt auch der Kontext, unter welchen Umständen welches Bild entstanden ist.
Trotzdem ist die Veröffentlichung wichtig. Bilder erzählen mehr aus tausend Worte, NewsFlix hat sie mit Bedacht ausgewählt (in den Unterlagen finden sich viele noch abstoßendere Fotos).
Was die nun publizierten Akten offenlegen, dokumentiert ein System. Es geht hier nicht um Einzelfälle. Es werden Machenschaften offengelegt, die sich vor den Augen vieler abspielten, und die Opfer für ihr Leben traumatisierten.
Dafür liefern diese Fotos Belege und deshalb müssen sie gesehen werden.
Welche Erkenntnisse aus den jüngsten Akten-Veröffentlichungen gewonnen werden können, welche Prominenten seine Nähe suchten (oder umgekehrt), wie der Alltag in Epsteins Anwesen ausgesehen haben muss – das lässt sich aus den Epstein-Akten schließen:



Sowohl in seinem vornehmen Stadthaus in New York, als auch auf seiner Karibikinsel fanden Ermittler zahlreiche Fotos von sehr jungen Frauen, viele von ihnen könnten zum Zeitpunkt, als sie aufgenommen wurden, noch minderjährig gewesen sein. Auf einigen Bildern sind eindeutig Kinder zu sehen. Ob die Behörden wissen, um wen es sich im Einzelnen dabei handelt, ist nicht bekannt. Die Gesichter sämtlicher Frauen und Mädchen wurden mit schwarzen Balken versehen, um ihre Identität zu schützen.
Was lässt sich daraus schließen?
Epstein machte aus seinen Neigungen offenbar kein Hehl. Und all jene, die von ihm in seine Häuser eingeladen wurden, können nicht behaupten, niemals etwas davon mitbekommen zu haben. Denn Epstein zelebrierte seine Vorlieben förmlich.
Auf den Festplatten der sichergestellten Computer entdeckten die Ermittler abertausende Fotos – und viele davon zeigen junge Frauen. Und es war offenbar Ghislaine Maxwell, die Buch führte über all die Teenager, die sie ihrem Partner und Komplizen zuführte.
Wofür wurden die Fotos gesammelt?
Es wurden auch Listen von Frauen und Männern sichergestellt, in denen deren körperliche Merkmale stichwortartig verzeichnet sind. Ob und wie Bilder und Eintragungen in diesen Listen zusammenpassen, lässt sich aufgrund der Schwärzungen in den Dokumenten allerdings nicht unabhängig feststellen. Aber aus weiteren Ermittlungen ist inzwischen bekannt, dass Ghislaine Maxwell offenbar "Kataloge" von jungen Frauen anlegte, aus denen sich Günstlinge des Paares aussuchen konnten, wen sie zugeführt haben wollten.
Gab es noch weitere Verwendungen für die Fotos?
Ja, es wurden daraus auch "Fotobücher" zur Erinnerung gebastelt. Einige Beispiele dafür konnten die Ermittler sicherstellen, diese wurden nun auch veröffentlicht.



Neben zahlreichen erotischen "Kunstwerken", die Kinder und Halbwüchsige zum Thema haben, fanden die Ermittler in Jeffrey Epsteins Stadthaus, aber auch auf seinem karibischen Anwesen eine Ausstattung, wie man sie eher in einem Bordell erwarten würde. Schränke voller Gleeitmittel und Öle, Sexspielzeug in diversen thematischen "Abstufungen" (von rosarot und kuschelig bis zu Heavy Metal-Fesseln) sowie zahlreiche Vibratoren und weitere Instrumente.



Ebenfalls im New Yorker Stadthaus des Finanzmanagers fanden die Ermittler einen ausgestopften Tiger sowie einen an die Wand geklebten "Fan-Brief, in dem ein gewisser Steven aus Buffalo dem Sexualstraftäter Mut zuspricht. Er schreibt darin u.a. "ich finde es schrecklich, dass du dich über die Jahre mit diesen Mädchen in diese Misere gebracht hast. Diese Mädchen wussten, was sie taten…"
Auf Epsteins Karibikinsel stand auf seinem Schreibtisch eine Phrenologie-Büste. Die Phrenologie ist eine längst widerlegte Pseudowissenschaft des 19. Jahrhunderts, die behauptete, man könne Persönlichkeit, Charakter und geistige Fähigkeiten eines Menschen durch die Form und Beulen seines Schädels bestimmen – diese sind auf dem weißen Keramikkopf eingezeichnet.



Kaum ein Prominenter tauchte bislang öfter in den veröffentlichten Ermittlungs-Unterlagen auf als der ehemalige US-Präsident Bill Clinton. Man sieht ihn mit einer unbekannten Frau in einem Whirlpool, beim Schwimmen mit Ghislaine Maxwell, mit weiteren Prominenten wie Mick Jagger oder Michael Jackson sowie mit Jeffrey Epstein auf Reisen. Und als sehr seltsames "Kunstwerk" im Video-Überwachungsraum in Epsteins New Yorker Haus.






Was sagt Bill Clinton zu seiner Nähe zu Jeffrey Epstein?
Clintons Sprecher Angel Ureña sagte dazu, die politischen Ziele des Justizministeriums unter Trump erklärten, weshalb diese Aufnahmen, vor allem das Whirlpool-Foto, veröffentlicht worden seien: "Es gibt hier zwei Arten von Menschen. Die erste Gruppe wusste von nichts und brach den Kontakt zu Epstein ab, bevor seine Verbrechen ans Licht kamen", sagte der Clinton-Sprecher. "Die zweite Gruppe setzte die Beziehungen zu ihm danach fort. Wir gehören zur ersten Gruppe. Kein noch so langes Hinauszögern seitens der zweiten Gruppe wird daran etwas ändern."
Was ist damit gemeint?
Clintons Sprecher spielt damit unverhohlen auf die nach wie vor nicht geklärte Rolle an, die der aktuelle Präsident Donald Trump in der Causa Epstein gespielt hat. Nach wie vor ist etwa unklar, wie viel er von den Missbrauchs-Verbrechen Epsteins gewusst hat und weshalb er spätestens in seiner ersten Amtszeit als Präsident nichts dagegen unternommen hat. In diesem Lichte sei es zu sehen, weshalb der Demokrat Clinton hier vom Justizministerium besonders "in die Auslage gestellt" werde.
Jeffrey Epsteins Partnerin und spätere Komplizin, die Britin Ghislaine Maxwell, tauxcht ebenfalls häufig in den Akten und Fotos, die nun veröffentlicht worden sind, auf. Einerseits als nette Freundin Epsteins auf seinen zahlreichen Reisen rund um die Welt, es sind Bilder, wie man sie in Millionen Fotoalben auf der Welt findet.
Aber dann gibt es auch noch die "andere Ghislaine Maxwell", die sich vor der Kamera sexuell inszeniert und in aufreizenden Posen hat ablichten lassen. Es wirkt ein wenig wie "Dr. Jekyll und Mrs. Hyde" …



Ob Epstein die Prominenz gesucht hat oder die Prominenten Epsteins Nähe, ist bis heute umstritten. Vermutlich war es von beidem etwas, je nach persönlichen Bedürfnissen. Tatsache ist jedenfalls, dass der Finanzmanager Dutzende bekannte Menschen aus der ganzen Welt um sich scharte. Die nun veröffentlichten Bilder haben diesbezüglich zwar keine großen Überraschungen gebracht, aber dennoch einige interessante Bekanntschaften offenbart, u.a. jene mit dem Hollywood-Regisseur Brett Ratner, der nun bei dem Film "Melania" über die Tage vor Donald Trumps Amtseinführung Regie führte.





