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Fliegender Holländer: Wieso Hirscher wieder auf die Piste geht

Rücktritt vom Rücktritt: Marcel Hirscher, der Ski-Seriensieger des letzten Jahrzehnts, schnallt die Brettln an. Die Hintergründe.

Sag niemals nie: Der Salzburger Marcel Hirscher, einer der erfolgreichsten Skifahrer aller Zeiten, kehrt nach seinem Rücktritt im Sommer 2019 auf die große Sportbühne zurück und wird künftig für die Niederlande auf die Jagd nach der Bestzeit gehen
Sag niemals nie: Der Salzburger Marcel Hirscher, einer der erfolgreichsten Skifahrer aller Zeiten, kehrt nach seinem Rücktritt im Sommer 2019 auf die große Sportbühne zurück und wird künftig für die Niederlande auf die Jagd nach der Bestzeit gehen
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Newsflix Redaktion
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Österreich stieß einen Seufzer aus. Vorbei die Langeweile im Skisport. Nach der Saison 2018/19 hatte Marcel Hirscher die Ski abgeschnallt, fünf Jahre später ist er wieder da.

Hirscher selbst bestätigte Mittwoch zu Mittag alle Gerüchte: Comeback, aber nicht im rotweißroten Renndress, sondern in den Farben der Niederlande.

Der siegende Holländer Hirscher und der Rennchef seiner Skimarke Van Deer, der ehemalige ÖSV-Erfolgscoach Toni Giger, versuchten den Schneeball möglichst flach zu halten. Nein, Marcel werde zunächst keine Weltcuprennen fahren, vielmehr bei kleinen FIS-Bewerben einmal nach wertvollen Punkten streben, die ein mögliches Comeback auf Weltcupebene erleichtern würden. Nein, in Europa werde man ihn auch nicht so bald wieder auf der Rennpiste sehen, zunächst geht es nach Neuseeland, in den dortigen Winter. Und nein, einen Masterplan, der den Seriensieger von früher zurückholen soll, gebe es bislang nicht, vielmehr würden sich die Dinge ergeben, wenn es soweit sei. Ob der Neo-Niederländer wirklich zum siegenden Holländer wird, bleibt abzuwarten.

Aber bei allem Hurra blieben am Mittwoch dann doch einige Fragen unbeantwortet – oder wurden noch gar nicht gestellt. Newsflix hat nachgeforscht und beantwortet die wichtigsten Fragen zum Sport-Comeback des Jahres:

Weshalb startet Marcel Hirscher nicht mehr für Österreich?
Offiziell: Weil er den jungen Athleten des ÖSV nicht im Weg stehen und auch keine Extrawürste in Form von Ausnahmeregelungen haben möchte – denn immerhin ist er seit fünf Jahren nicht mehr wettbewerbsmäßig Skigefahren, da ist ein Trainingsrückstand ganz normal. Und bis er – vielleicht – wieder so weit ist, um Erfolge mitzufahren, würde er eventuell einem Jungen den Platz wegnehmen.

Und warum fährt er für die Niederlande?
Hirscher ist Doppelstaatsbürger, seine Mutter Sylvia stammt aus Den Haag, daher war dieser Schritt ganz logisch.

Marcels Eltern, Ferdinand und Sylvia Hirscher. Marcels Mutter ist gebürtige Holländerin, stammt aus Den Haag, weshalb ihr Sohn künftig für die Niederlande an den Start gehen wird
Marcels Eltern, Ferdinand und Sylvia Hirscher. Marcels Mutter ist gebürtige Holländerin, stammt aus Den Haag, weshalb ihr Sohn künftig für die Niederlande an den Start gehen wird
Neumayr / picturedesk.com

Weshalb passiert das gerade jetzt?
Weil nur mehr wenige Tage zur Verfügung stehen, um die Wechsel von der FIS, dem internationalen Skiverband, absegnen zu lassen. In den FIS-Regularien heißt es: "Alle Anträge zur Lizenzänderung von einem Mitgliedsverband zu einem anderen, unterliegen der Begutachtung des FIS-Vorstands während der Frühjahrssitzungen. Anträge müssen jeweils bis 1. Mai an das FIS-Büro gesendet werden."

Hätte Marcel theoretisch auch zu einem anderen Verband wechseln können?
Nein, sagt die FIS: "Prinzipiell wird eine Lizenzänderung nur dann genehmigt, wenn der Wettkämpfer eine persönliche Verbindung mit der neuen Nation beweisen kann. Bevor ein Antrag zur Lizenzänderung eingereicht wird, muss der Wettkämpfer die Staatsbürgerschaft und den Reisepass des Landes besitzen, für das er Wettkämpfe bestreiten möchte. Ferner muss der Wettkämpfer seinen tatsächlichen rechtlichen Hauptwohnsitz während mindestens zwei Jahren unmittelbar vor dem Datum des Antrags auf Lizenzänderung auf das neue Land/den neuen Nationalen Skiverband gehabt haben. Eine Ausnahme der zweijährigen Hauptwohnsitzregelung tritt ein, wenn der Wettkämpfer auf dem Staatsgebiet des neuen Landes geboren wurde oder sein Vater / seine Mutter Staatsbürger des neuen Landes ist."

Hätte der ÖSV dem nicht einen Riegel vorschieben können?
Auf jeden Fall, wie aus den FIS-Regularien hervorgeht: "Wenn ein Wettkämpfer schon für einen Nationalen Skiverband an einem im FIS-Kalender registrierten Bewerb teilgenommen hat, so muss er eine schriftliche Zustimmung dieses Nationalen Skiverbandes einholen, indem dieser bestätigt, mit dem Lizenzwechsel einverstanden zu sein." Um diese Zustimmung hat Marcel Hirscher den ÖSV gebeten und dieser hat sie auch bereits erteilt – "als Wertschätzung für Marcel Hirschers Verdienste" für den ÖSV komme man dem Wunsch nach einem Nationenwechsel nach und respektiere auch die Entscheidung, so ÖSV-Generalsekretär Christian Scherer.

Wann wird Hirscher das erste Mal ein Rennen für die Niederlande bestreiten?
Laut seinem Rechhchef Toni Giger soll Marcel im kommenden Sommer in Neuseeland an FIS-Rennen teilnehmen, um dort FIS-Punkte für einen Start im Riesentorlauf-Weltcup zu sammeln.

Welche Rennen werden das sein?
Von 5. bis 8. August finden in Cardrona  auf der neuseeländischen Südinsel je vier Slaloms und Riesentorläufe im Rahmen der FIS-Rennen statt und von 14. bis 18. August ebenfalls je vier Slaloms und Riesenslaloms im Skigebiet Coronet Peak, ebenfalls auf der Südinsel.

Produziert seit 2021 seine eigenen Skier: Marcel Hirscher ist einer der Eigentümer der Skimarke "Van Deer"
Produziert seit 2021 seine eigenen Skier: Marcel Hirscher ist einer der Eigentümer der Skimarke "Van Deer"
JFK / EXPA / picturedesk.com

Wird Marcel mit seinen eigenen Skiern an den Start gehen?
Davon ist auszugehen. Seit 2021 ist Marcel Hirscher Co-Eigentümer der Skimarke "Van Deer" (holländisch für "Vom Hirschen"), er besitzt 45 Prozent des Unternehmens, Red Bull hat 51 Prozent, Dominic Tritscher vier Prozent. Zudem hat er den Skibekleidungshersteller "The Mountain Studio" mitgegründet.

Was sind FIS-Rennen eigentlich?
FIS-Rennen sind vom Internationalen Skiverband FIS veranstaltete Ski-Wettbewerbe, die keiner Rennserie angehören. Anders als bei den Rennserien (wie z. B. Weltcup, Europacup, Nor-Am Cup oder Continental Cup) werden dabei keine Cup-Punkte vergeben und addiert. Es werden auch keine Gesamtsieger ermittelt. Resultate bei FIS-Rennen schlagen sich vor allem in sogenannten FIS-Punkten nieder, die nach einem komplizierten Schlüssel berechnet werden. Ein gewisser Punktewert ist für jeden Skisportler Voraussetzung, um an Europacup, Weltcup oder Weltmeisterschaften teilnehmen zu dürfen.

Aus diesem Grund gehen vorwiegend junge Athleten, die am Beginn ihrer Karriere stehen, bei FIS-Rennen an den Start. Immer wieder nehmen aber auch Weltklasse-Sportler teil, etwa um Pausen im Weltcupkalender zu überbrücken. Dadurch kommt es mitunter zu sehr stark besetzten FIS-Rennen. Die Startberechtigung für die alpinen Rennserien ist disziplinenbezogen, daher muss beispielsweise ein Slalom- und Riesenslalomspezialist selbst dann FIS-Rennen zur Qualifikation im Abfahrtslauf bestreiten, wenn er dank seiner Erfolge in den technischen Disziplinen Gesamtweltcupsieger ist.

Wie viele FIS-Punkte bekommt man bei FIS-Rennen?
Bei den FIS-Punkten eines Skirennläufers geht es immer darum, eine Gesamtbewertung der sportlichen Leistungen der vergangenen Monate und Jahre abzubilden, ähnlich der Weltrangliste im Tennis. Nach den FIS-Punkten wird festgelegt, welche Fahrer bei Cup-Rennen (Weltcup, div. Kontinentalbewerbe) an den Start gehen dürfen und welchen Platz sie in der Startreihenfolge haben. Nur die jeweils besten Fahrer in einer Disziplin bekommen im Weltcup ihre Startnummern zugelost, alle anderen starten nach der Reihenfolge ihrer FIS-Punkte.

Sind FIS-Punkte mit Weltcuppunkten vergleichbar?
Nein, während die Punkte für die Cup-Wertungen (z.B. Weltcup) nach dem herkömmlichen System vergeben und berechnet werden (100 Punkte für Platz 1, 1 Punkt für Platz 30, wer am Ende mehr Punkte gesammelt hat, hat gewonnen), geht es bei den FIS-Punkten darum, einen möglichst niedrigen Wert zu erreichen. Je mehr FIS-Punkte jemand sammelt, desto schlechter seine Position im FIS-Punkteranking und desto geringer seine Chancen, in den Cupbewerben antreten zu können.

Wie werden die FIS-Punkte berechnet?
Es gibt Basispunkte, die vor dem Beginn jeder neuen Saison, meist Mitte Juni, veröffentlicht werden. Diese basieren auf den Leistungen der Athleten in den letzten Saisonen und werden dann die ganze Saison über laufend aktualisiert. Für die Saison 2023/24 etwa, die aktuell noch bis Ende April läuft, wurde die Basispunkteliste bislang insgesamt 21 Mal aktualisiert.

Und wie gewinnt / verliert man dann Punkte?
Das errechnet sich aus den aktuellen Ergebnissen der Athleten und wird für jede Disziplin einzeln bewertet. Das System ist sehr ausgeklügelt und hochkompliziert, selbst Ski-Profis müssen gelegentlich in den Regularien nachlesen um zu wissen, was weshalb wie gewertet wird.

Auch fünf Jahre nach seinem Rücktritt hat Hirscher noch ordentlich FIS-Punkte. In der Slalom-Weltrangliste liegt er  auf Platz 300.
Die FIS-Liste ist eine Langzeitbewertung, vergleichbar mit der Tennis-Weltrangliste

Hat Marcel Hirscher auch fünf Jahre nach seinem Rücktritt noch FIS-Punkte, oder sind die alle längst verfallen?
Hirscher hat nach wie vor FIS-Punkte aus der Zeit vor seinem Rücktritt zum Ende der Saison 2018/19, auch wenn er derzeit nicht aktiv ist. Man kann das auch ganz detailliert auf der FIS-Homepage nachlesen. Am besten platziert ist er derzeit im Slalom (hier hat er aktuell 30,36 FIS-Punkte und belegt damit Rang 300 unter allen registrierten aktiven Athleten) und im Riesentorlauf (45,84 FIS-Punkte und Rang 777). Bei seinem Rücktritt aus dem aktiven Rennsport hatte Marcel Hirscher in diesen beiden Bewerben jeweils Null FIS-Punkte und lag damit an der Spitze des Rankings.

Verliert Hirscher jetzt auch seine letzten FIS-Punkte, wenn er für eine andere Nation startet?
Nein, in den FIS-Regularien heißt es: "Ein Wettkämpfer behält seine bisherigen FIS Punkte, wenn er seinen Nationalen Skiverband wechselt unter der Bedingung, dass der vorherige Nationale Skiverband dem Wechsel zugestimmt hatte." Und das ist ja der Fall.

Wann darf er wieder im Weltcup an den Start gehen?
Wenn er durch seine Ergebnisse bei den bevorstehenden FIS-Rennen seinen FIS-Punktestand soweit verbessert hat, dass er im Starterfeld eines Weltcupbewerbs eine halbwegs aussichtsreiche Startnummer erhält.

Wie rasch könnte das passieren?
Das ist sehr schwer einzuschätzen. Einerseits war Marcel Hirscher mehr als ein Jahrzehnt lang einer der komplettesten Skifahrer der Welt, andererseits ist er jetzt fünf Jahre lang nicht mehr wettkampfmäßig gefahren und hatte nach eigenem Bekunden in dieser Zeit etwas 100 Skitage, von denen 90 Prozent – nach seinen Maßstäben – reines Vergnügen gewesen sind. Es bleibt abzuwarten, ob bzw. wie rasch der Dominator vergangener Jahre wieder in die alte Spur zurückfindet.

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