EURO 2024 Album

Fußballpickerl: Was bei Panini wirklich (schief) lief

Warum heuer erstmals Amerikaner das Stickeralbum für die Fußball-Europameisterschaft gemacht haben – und was der ÖFB damit zu tun hat.

Österreichs EM-Rekordtorschütze Marko Arnautovic (16 Tore in 35 Spielen inkl. EM-Qualifikation) im neuen EURO 2024 Stickeralbum
Österreichs EM-Rekordtorschütze Marko Arnautovic (16 Tore in 35 Spielen inkl. EM-Qualifikation) im neuen EURO 2024 Stickeralbum
Martin Kubesch
Newsflix Redaktion
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Fußball ist ein emotionales Thema. Und vor allem ist es eines, bei dem Europa noch immer den Takt vorgibt. Hier sind die mit Abstand stärksten Ligen der Welt beheimatet, von hier kommen die meisten Spielerstars, hier werden die schönsten Tore geschossen, hier hat die Alte Welt noch immer jene Bedeutung, die ihr in nahezu allen anderen Bereichen längst abhanden gekommen ist. Dachte Fußball-Europa jedenfalls. Und dann das: Ausgerechnet die USA, deren politische, kulturelle und militärische Hegemonie ohnedies erdrückend ist, greifen nun auch im Sport nach den letzten Bastionen europäischen Selbstwertgefühls. Aktuellstes Beispiel: Die Farce um das Stickeralbum für die bevorstehende Fußballeuropameisterschaft in Deutschland.

Italien ist raus, die USA sind drin Seit der EM 1980, die in Italien stattfand, produzierte der in Modena beheimatete Hersteller Panini Sammelalben für diesen Bewerb. Dabei ging man nach dem selben Prinzip vor wie bei den WM-Alben, die die Italiener bereits seit 1970 herstellen: Bilder der wichtigsten Spieler jeder Mannschaft, dazu Stadien, Trainer, Wappen. Ein Spielplan zum selber Ausfüllen, fertig. Ein Erfolgsrezept, das sich seither zig millionenfach verkaufte und mit den Jahren vom reinen Kinder-Vergnügen zum Fan-Hype entwickelte.

Doch damit ist seit diesem Jahr Schluss. Denn für die Europameisterschaften 2024 und 2028 (nicht für die WM 2026, diese Rechte hat nach wie vor Panini) hat der US-Hersteller Topps, ein Milliardenunternehmen und einer der Big Player weltweit im Bereich Sport Collectibles und Fancards, erstmals die Lizenz für das Stickeralbum zum prestigeträchtigen Turnier erworben. Doch anstatt ordentlich eingestellt und professionell vorbereitet aufs neue Spielfeld zu laufen, leisten sich die Amerikaner bei ihrem ersten EM-Album gleich eine ganze Latte an Fehlpässen und schießen sich sogar das eine oder andere Eigentor.

    Das Stickeralbum zur EUR= 2024 stammt erstmals vom US-Anbieter Topps
    Das Stickeralbum zur EUR= 2024 stammt erstmals vom US-Anbieter Topps
    Martin Kubesch
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    Album voller Fehler So fehlen bei einigen Mannschaften die wichtigsten Spieler völlig – etwa der französische Superstar Kylian Mbappé oder auch Deutschlands Torhüter Manuel Neuer und Newcomer Florian Wirtz von der Überraschungsmannschaft Bayer Leverkusen, die am vergangenen Wochenende erstmals die deutsche Meisterschaft gewonnen und damit "Seriensieger" FC Bayern entthront hat. Und da auch der zweite deutsche Stammtorhüter, Marc-André Ter Stegen vom FC Barcelona, nicht im Album vorkommt, hat das deutsche Team in dieser Aufstellung überhaupt niemandem im Tor. So wird das eher nix mit dem EM-Titel.

    Der Grund fürs Fehlen der Spieler: Topps konnte keine Abdruckrechte für die Spieler ergattern, die liegen noch bei Altanbieter Panini.

    Kahn und Matthäus vor Rückkehr ins Team? Dafür finden sich bei der deutschen Equipe aus vollkommen unerfindlichen Gründen drei "Legenden" als Klebebild, nämlich Oliver Kahn, 54, Bastian Schweinsteiger, 39, und Lothar Matthäus, 63. Und auch Mario Götze ist aufgeführt, obwohl er seit mehr als einem Jahr kein Länderspiel mehr für das deutsche Team bestritten hat. Bei den Franzosen wiederum verstärkt Weltmeister Zinedine Zidane, 51, die Équipe Tricolore, dafür finden sich bei den Geburtsdaten einiger Spieler von Topclub Paris St. Germain Zahlendreher.

    "Geköpfte" Kicker Bei den Mannschaften von Deutschland, England, Frankreich und Italien sind die Bilder der Spieler, die doch ins Album gefunden haben, überraschenderweise alle unmittelbar unterhalb des Kinns abgeschnitten, so dass sie teilweise aussehen, als hätte sie die Guillotine für das Foto zurechtgemacht. Und statt des Wappens der jeweiligen nationalen Verbände finden sich bei diesen vier Nationen "nur" die Landesfarben auf dem jeweiligen Wappen-Sticker. Auch hier: Topps bekam die Abdruckrechte nicht.

    Man muss einem neuen Partner auch Zeit geben
    ÖFB-Marketing-Mann Michael Schmid über den Topps-Einstieg

    Spott und Häme von den Fans Von Fußball- und Pickerlfans (die Schnittmenge ist hier relativ hoch) erntete das neue Sammelalbum daher auch gleichermaßen viel Spott und Häme, sobald es einmal ausgeliefert war. Und als würde diese Packung alleine nicht schon genügen, finden sich auch sonst zahlreiche Seltsamkeiten in dem Album, die treue Panini-Sammler Rot sehen lassen. Etwa die Tatsache, dass auch all jene Länder, die zwar in die Play-offs für das Turnier kamen, da aber ausgeschieden sind, im Album verewigt sind. Oder dass sich zahlreiche zusätzliche Bilder im Album finden, die nur einen einzigen Zweck zu haben scheinen: Die Zahl der zu sammelnden Aufkleber möglichst in die Höhe zu treiben.

    Teures Vergnügen Und so müssen insgesamt 728 Sticker gesammelt werden, um das 88-Seiten-Werk voll zu bekommen. Unter 200 Euro Investitionskosten, schätzen Pickerl-Auskenner, wird das kaum machbar sein. Ein kostspieliger Spaß, zumal über vielen Seiten des Albums sehr deutlich "Abzocke" steht, denn sinnvoll oder gar notwendig sind sehr viele der Bilder nicht.

    Money, Money, Money Wer sich jedoch auf die Suche nach den Hintergründen all dieser Merkwürdigkeiten begibt, erkennt recht rasch, weshalb die Herstellerfirma die Ablösesumme für ein vollgeklebtes Album derart hoch angesetzt hat. Denn die Amerikaner haben selbst offenbar tief in die Tasche gegriffen, um Lokalmatador Panini aus dem eigenen Stadion zu schießen. Und sie sind dabei taktisch extrem clever vorgegangen.

    Das neue Stickersammelalbum für die Euro 2024 fasst insgesamt 728 Bilder und wird, um es voll zu bekommen, mindestens 200 Euro an Investitionen benötigen
    Das neue Stickersammelalbum für die Euro 2024 fasst insgesamt 728 Bilder und wird, um es voll zu bekommen, mindestens 200 Euro an Investitionen benötigen
    Martin Kubesch

    Kollektiv statt Einzelkämpfer Denn erstmals haben nicht die einzelnen Landesverbände Vereinbarungen mit dem Album-Hersteller geschlossen, sondern wurde die UEFA, der europäische Fußballverband, vorgeschickt, um im Sinne aller Landesverbände die bestmögliche Lösung zu erzielen. Und bestmöglich heißt in diesem Fall natürlich, die lukrativste.

    Wie der ÖFB in die Verhandlungen gegangen ist Für den Österreichischen Fußballbund ÖFB lief dabei Marketingchef Michael Schmid auf - er erinnert sich: "2022 wurden wir von der UEFA kontaktiert mit der Idee, dass sie künftig für alle Mitgliederverbände gesammelt die Verhandlungen führt, was die Lizensierung des Stickeralbums betrifft, und so den Erlös für alle erhöht."

    Geld schießt (keine) Tore Gesagt, getan, die UEFA "verkaufte" das EM-Album an den Bestbieter - und das waren eben die Amerikaner von Topps. Und so erklärt sich auch, weshalb das neue Album teilweise so mangelhaft umgesetzt worden ist. Denn die Landesverbände von Deutschland, Frankreich, England und Italien untersagten Topps ebenso die Verwendung von Fotos ihrer Dressen und Symbole, wie sich einzelne, besonders prominente, Spieler diesem Deal verweigerten. ÖFB-Mann Schmid: "Viele Verbände haben offenbar langjährige Vereinbarungen mit Panini getroffen, das ist wohl einer der Gründe, weshalb einige Länder jetzt nur rudimentär im Album dabei sind."

    Enger Zeitplan Und so erklärt sich auch teilweise, weshalb die Zahl der Bilder im Heft so ausufert – nämlich um den Erlös pro Album möglichst hoch ausfallen zu lassen. Nur die ausgeschiedenen Play-off-Mannschaften sind eher dem knappen Zeitplan geschuldet – als Andruck für Album und Sticker war, stand noch nicht fest, wer es nach Deutschland schafft und wer letztlich doch auf der Strecke bleibt. Aber im Sinne der Erlösvermehrung wurde dieser Umstand wohl gerne so in Kauf genommen.

    Mehr im Körberl für den ÖFB Bleibt die Frage, wie viele zusätzliche Trainingslager sich der ÖFB jetzt durch diese Gewinnmaximierung leisten kann. Markenting-Mann Michael Schmid: "Ich kann keine Zahlen nennen, aber wir haben es uns durch den Deal nicht verschlechtert. Man kann davon ausgehen, dass zumindest die Inflation abgedeckt ist."

    Und Panini? Was wird jetzt mit den Italienern, die Fußball- wie Stickerfans mit ihren Alben in den vergangenen Jahrzehnten so viel Freude bereitet haben? Nun, sie sind Kämpfer, weshalb sonst würden sie einen Ritter in voller Rüstung im Firmenlogo tragen. Panini hat weiterhin die Rechte an den Alben für die nächsten Ausgaben der Fußball-WM. Und um auch im heurigen EM-Jahr an den Kiosken und in den Köpfen der Fans präsent zu sein, bringt man ein Album namens "World Class" auf den Markt. Es soll eine Retrospektive der bisherigen acht Weltmeister-Nationen sein und erscheint anlässlich des 120-jährigen Bestehens des Weltfußballverbandes FIFA. Hier werden auch Manuel Neuer und Kylian Mbappé wieder mit von der Partie sein.

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