"Megalopolis" im Kino

Für diesen Film verkaufte Coppola seine drei Weingüter

Über 100 Millionen Dollar kostete das Alterswerk von Francis Ford Coppola. Um ihn realisieren zu können, trennte sich der Regisseur ("Der Pate", "Apokalypse Now") von seinen Weinbaubetrieben. Nun startet das Epos im Kino.

Megalomanie ist die lateinische Bezeichnung für Größenwahn – und dieser zieht sich auch auf mehreren Ebenen durch den Film "Megalopolis"
Megalomanie ist die lateinische Bezeichnung für Größenwahn – und dieser zieht sich auch auf mehreren Ebenen durch den Film "Megalopolis"
Constantin Film
Newsflix Redaktion
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Im Filmgeschäft ist Francis Ford Coppola eine Legende. Der Regisseur, der bereits im Alter von 33 Jahren mit "Der Pate" einen der großartigsten Filme aller Zeiten geschaffen hat, gilt als Mitbegründer des "Neuen Hollywood". Die "Pate"-Trilogie ist Kult, sein Vietnam-Film "Apokalypse Now" hat das Genre des Kriegsfilms neu definiert. Coppola muss längst niemandem mehr etwas beweisen. Dennoch setzt der große Filmemacher jetzt, mit 85, noch einmal alles auf eine Karte. Für seinen neuesten Film "Megalopolis" riskiert Coppola nicht nur seine Reputation als Künstler, sondern auch sein zweites berufliches Standbein als Weinmacher von Weltrang. Bei den Filmfestspielen von Cannes im Mai feierte "Megalopolis" Weltpremiere, nun startet der Film in den heimischen Kinos.

"Herzensprojekt "Megalopolis" Mit der Idee zu dem Film ging Francis Ford Coppola seit mehr als 40 Jahren schwanger. Bereits in den frühen 1980er-Jahren begann er, erste Drehbuchentwürfe für "Megalopolis" zu erarbeiten. Die Story: In einem New York der Zukunft, das mittlerweile "New Rome" heißt und durch verschiedene Katastrophen vom Untergang bedroht ist, wetteifern zwei Männer darum, die Stadt nach ihren Ideen und mit ihren Mitteln wieder neu aufzubauen.

Genial, manisch, elitär: Adam Driver als Caesar Catilina
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Constantin Film

Duell zweier Fanatiker Der eine, Caesar Catilina (dargestellt von Adam Driver, dem Kylo Ren aus "Star Wars") ist ein genialer Architekt und Erfinder eines neuartigen, "lebenden" und "denkenden" Baustoffs, der den Wiederaufbau der Metropole dafür nutzen möchte, diese fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen. Der andere, Franklin Cicero (Giancarlo Esposito, vor allem bekannt als Drogenbaron Gustavo Fring aus "Braking Bad") ist der Bürgermeister der Stadt und möchte diese wieder mit herkömmlichen Methoden und Baustoffen errichten – und damit auch das alte System aus Korruption und Elitendenken einzementieren. Das Ringen dieser beiden Männer um die Zukunft "ihrer" Stadt ist das Hauptthema des Films, das noch einmal mehr Brisanz gewinnt, als sich die Tochter des Bürgermeisters, Julia (Nathalie Emmanuel), in Caesar verliebt.

Mehr als 40 Jahre Arbeit an "Megalopolis" Gleich mehrfach hat Francis Ford Coppola im Laufe seiner Karriere damit begonnen, sein Lieblingsprojekt umzusetzen, aber immer ist etwas dazwischen gekommen. Es gab kreative Differenzen mit seinen Mitstreitern, er fand keine Finanzierung für das Projekt, er änderte unzählige Male das Drehbuch, er musste Privatinsolvenz anmelden. Als er schließlich 2001 mit den Dreharbeiten in New York City startete, passierte wenige Wochen später der 11. September und Coppola musste das Projekt erneut aufs Abstellgleis schieben.

Weingüter verkauft, gesünder gelebt Doch der Regisseur gab nicht auf. Er drehte immer wieder "kommerzielle" Filme, also solche, in die er nur wenig künstlerische Ambition hineinlegte und die nur dazu diesen sollten, ihm seine Kasse zu füllen für sein Lieblingsprojekt. Zuletzt, als sich immer deutlicher abzeichnete, dass er tatsächlich kein Studio für die Co-Finanzierung des Streifens finden würde, verkaufte Coppola sogar drei seiner insgesamt fünf Weingüter in Kalifornien, um das Projekt letztlich ganz alleine zu stemmen. Und er erkannte, dass er möglichst lange leben muss, um dieses Ziel zu erreichen. Also speckte der Zeit seines Lebens übergewichtige Regisseur zuletzt mehr als 30 Kilogramm ab, um seine Chancen, "Megalopolis" doch noch fertigstellen zu können, zu erhöhen.

Der Name Coppola klingt in Napa Valley ebenso gut wie in Hollywood: Die Weinbaubetriebe des Regisseurs gehören mit zu den erfolgreichsten des Bundesstaates. Doch um sein Herzensprojekt finanzieren zu können, trennte sich der Regisseur von dreien seiner insgesamt fünf Weingüter
Der Name Coppola klingt in Napa Valley ebenso gut wie in Hollywood: Die Weinbaubetriebe des Regisseurs gehören mit zu den erfolgreichsten des Bundesstaates. Doch um sein Herzensprojekt finanzieren zu können, trennte sich der Regisseur von dreien seiner insgesamt fünf Weingüter
JEAN-PIERRE MULLER / AFP / picturedesk.com

Weltpremiere in Cannes Mit all diesem Einsatz und eisernem Willen – nur wenige Wochen vor der Weltpremiere von "Megalopolis" starb Coppolas Ehefrau Eleanor, mit der er seit 1963 verheiratet gewesen ist – brachte der Regisseur, dem seit jeher manische Züge nachgesagt werden, den Streifen auf die Leinwand. 120 Millionen Dollar, mehr als 100 Millionen Euro, soll "Megalopolis" letztlich gekostet haben, alles finanziert von Coppola selbst. Bei den heurigen Filmfestspielen in Cannes feierte das 132 Minuten lange Epos seine Weltpremiere, ging aber beim Ringen um die "Goldene Palme", die Coppola bereits zwei Mal gewonnen hat – 1974 für seinen Paranoia-Thriller "Der Dialog" mit Gene Hackman und 1979 für sein Vietnam-Drama "Apokalypse Now", leer aus.

Francis Ford Coppola (l.) mit Schauspieler Martin Sheen bei den Dreharbeiten für "Apokalypse Now" auf den Philippinen. Der Vietnam-Kriegsfilm nach dem Buch "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad gehört zu den bedeutendsten Kriegsfilmen aller Zeiten und wurde u.a. mit der Goldenen Palme bei den Filmfestspielen von Cannes und mit zwei Oscars ausgezeichnet
Francis Ford Coppola (l.) mit Schauspieler Martin Sheen bei den Dreharbeiten für "Apokalypse Now" auf den Philippinen. Der Vietnam-Kriegsfilm nach dem Buch "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad gehört zu den bedeutendsten Kriegsfilmen aller Zeiten und wurde u.a. mit der Goldenen Palme bei den Filmfestspielen von Cannes und mit zwei Oscars ausgezeichnet
mptv / picturedesk.com

So ist "Megalopolis" Die ersten Reaktionen auf den Film, der eine Mischung aus antikem Drama, Dystopie und Science-Fiction darstellt, pendelten zwischen Verwirrung, heftiger Ablehnung und absoluter Begeisterung. So bekam der Regisseur nach der Aufführung minutenlang stehende Ovationen des Publikums in Cannes und sein Auftritt an der Côte d'Azur war heuer das künstlerische Ereignis der Festspiele, das alle anderen in den Schatten stellt. Gleichzeitig schlug dem 85-Jährigen an der Croisette aber auch massive Ablehnung entgegen, wofür vor allem ein Bericht des britischen "Guardian" verantwortlich war. Darin berichteten mehrere weibliche Darsteller, dass sich Coppola am Set teils ungebührlich verhalten hätte und einige Frauen ohne deren Einverständnis zu küssen versucht haben soll.

Belästigungsvorwürfe Wie viel an den Vorwürfen dran ist, wird sich wahrscheinlich nachträglich nicht mehr klären lassen. Es gibt auch zahlreiche Stimmen von Set, die den Regisseur in Schutz nehmen, strafrechtlich wurde, soweit bekannt, nichts gegen ihn unternommen. Und so arbeitet sich die internationale Presse vor allem an Coppolas Opus Magnum ab, dessen künstlerische Einordnung, im Vergleich zu anderen Filmen des Meisters, extrem ambivalent ausfällt, wie ein Querschnitt durch diverse Medien zeigt.

Der Gegenspieler: Franklin Cicero (Giancarlo Esposito), Bürgermeister von New Rome und Vertreter der alten Strukturen
Der Gegenspieler: Franklin Cicero (Giancarlo Esposito), Bürgermeister von New Rome und Vertreter der alten Strukturen
Constantin Film

Das sagt die Presse zu "Megalopolis"

  • New York Times
    "Megalopolis" ist eine aus allen Nähten platzende Halluzination eines Films – er ist wunderbar abgedreht. Er ist zugleich melancholische Klage und futuristische Fantasie, er beschwört verschiedene Epochen und strotzt vor hinreißenden, manchmal verwirrenden Bildern und Ideen.
  • Die Welt
    Ein fantastisches Filmuniversum, das es so noch nie gegeben hat. "Megalopolis" spielt in einem düsteren New York der Zukunft, das bis ins Detail nach dem Vorbild des antiken Roms modelliert ist. Es gibt dekadente Partys, auf denen das Kokain von den Brüsten weiblicher Influencer geschnupft wird, aber auch republikanische Volkstribunen, die als Transvestiten durch die Nacht ziehen, wenn sie nicht gerade hetzerische Reden schwingen. (…) "Megalopolis" eine gültige Allegorie unserer Gegenwart.
  • Financial Times
    Die Inszenierung ist üppig und exzentrisch, bis das Budget zu schwinden scheint, und dann ist sie billig und exzentrisch. Die Inszenierung ist ein Science-Fiction-Melodram, eine Geschichte von Familienintrigen, verlorenen Zukunftsaussichten und Liebe, nicht zuletzt von der Liebe eines Filmemachers zu seinem Helden.
  • Die Presse
    "Megalopolis", der in einem bröckelnden "New Rome" (d. h. New York) spielt, ist zugleich Schlüsselwerk und Selbstverteidigung. Wenn man vife Künstler-Unternehmer wie ihn nur in Frieden werken ließe, so Coppolas Botschaft, wäre die Welt längst gerettet.
  • Der Standard
    "Megalopolis" ist einer jener Filme, an dem sich die Geister scheiden. Er ist offensichtlich größenwahnsinnig, er zelebriert unironisch seinen Geniekult und die Familiengeplänkel der Eliten. (…) Dennoch kann man den Blick nicht davon abwenden, wie sich Coppola als einer, der nichts zu verlieren hat, das Ikarusgefieder überstreift und zu nah an die Sonne fliegt. "Megalopolis" ist einfallsreich und plump, konservativ und visionär zugleich.

Coppola 1, Hollywood 0 Das weltweite Interesse an "Megalopolis" sowie die überaus starken Reaktionen in Cannes haben dazu geführt, dass der Film für zahlreiche Länder einen Verleih gefunden hat – eine Tatsache, die vor Beginn des Festivals noch keineswegs sicher erschienen ist. Nicht von ungefähr haben alle großen US-Studios ihre Finger von Coppolas Werk gelassen, weil sie nicht an dessen Erfolg geglaubt haben. Jetzt sieht es so aus, als könnte der große alte Mann Hollywoods, der vor mehr als 50 Jahren maßgeblich dazu beigetragen hat, das alte, feudale Studiosystem zu zerstören und den Kreativen mehr Macht über ihre Werke zu geben, dank seiner Kreativität und seines Gestaltungswillens noch einmal einen Sieg über die "erbsenzählenden Buchhalter in den Chefetagen" (so eine gerne gebrauchte Schmähung in Hollywood für Studiobosse, die nicht mehr sind als Geldverwalter für Shareholder) davontragen.

Francis Ford Coppola mit seinen "Megalopolis"-Darstellern Adam Driver und Laurence Fishburne (v.r.) bei der Weltpremiere des Films bei den Filmfestspielen von Cannes am 16. Mai 2024
Francis Ford Coppola mit seinen "Megalopolis"-Darstellern Adam Driver und Laurence Fishburne (v.r.) bei der Weltpremiere des Films bei den Filmfestspielen von Cannes am 16. Mai 2024
REUTERS

Coppola bereut nichts Der Regisseur selbst nimmt den Rummel um seine Person und um die ungewöhnlichen Umstände rund um seinen Film gelassen, das finanzielle Risiko, das er für "Megalopolis" eingegangen ist, sei ihm vollkommen gleichgültig gewesen, sagt er: "Viele Leute bereuen am Totenbett, was sie alles nicht getan haben. Mir wird dann einfallen, dass ich diesen Film gemacht habe, dass ich meine Tochter einen Oscar habe gewinnen sehen (Sophia Coppola für "Lost In Translation", Anm.) und dass ich Wein gemacht habe. Ich werde gar keine Zeit für Reue haben."

"Megalopolis", USA 2024, 138 Minuten, ab sofort in den österreichischen Kinos

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