GIBT ER AUF?

"Jill Biden ist die Einzige, die ihren Mann überreden kann"

Die Gerüchteküche brodelt. US-Experte Eugen Freund im Podcast über den Rückzug von Joe Biden, warum Michelle Obama keine Kandidatin ist und was ein Trump-Comeback für die USA, die Welt und uns bedeutet.

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Öl ins Feuer: Die "New York Times" berichtete am Mittwoch, dass Joe Biden an seiner Kandidatur zu zweifeln beginne. In einem Gespräch habe sich der Präsident über seine Aussichten für die Wahl besorgt gezeigt. Er müsse die Öffentlichkeit in den nächsten Tagen davon überzeugen, dass er dem Job gewachsen sei, zitierte die Zeitung einen namentlich nicht genannten Insider. Das Weiße Haus dementierte umgehend. Biden selbst sagt in einer Telefonkonferenz der Demokraten: "Ich trete an. Ich bin der Anführer der Demokratischen Partei. Niemand drängt mich raus."

Eugen Freund war ZiB 2-Moderator und lebte insgesamt elf Jahre in den USA
Eugen Freund war ZiB 2-Moderator und lebte insgesamt elf Jahre in den USA
Denise Auer, Picturedesk (Montage)

Einmal Reporter, immer Reporter. Und deshalb stand Eugen Freund am 28. Juni um 3 Uhr in der Nacht auf und schaute sich das TV-Duell von Joe Biden mit Donald Trump an. Danach redete er mit seinen amerikanischen Bekannten, sie waren so entsetzt wie er. Freund hat elf Jahre in den USA gelebt, war fünf Jahre beim Österreichischen Presse- und Informationsdienst in New York tätig, später Korrespondent für den ORF. Er hat viele Fernseh-Konfrontationen der letzten 45 Jahre live gesehen.

Im Newsflix-Podcast schildert der US-Experte, wie die Stimmung momentan in den USA ist, was bis zum Parteitag der Demokraten passieren wird und wer Biden beerben könnte – wenn Ehefrau Jill ihn zur Aufgabe überredet. Die wichtigsten Passagen aus dem Interview. Eugen Freund über:

Was seine US-Freunde zum TV-Duell sagen
Die meisten sind entsetzt über das, was sie gesehen haben, so wie ich auch.

Wie er sich das Duell angeschaut hat
Ich bin um drei in der Früh auf gewesen und habe die Sendung live angeschaut. Meine Befürchtungen, die ich schon vor längerer Zeit geäußert habe, sind bestätigt worden. In dem Augenblick, wo Joe Biden nicht auf den Teleprompter schauen kann, sondern in einer Diskussion engagiert ist, zeigt sich sein Alter. Und das war so deutlich wie noch nie zuvor zu sehen.

Welche Schlüsse die US-Freunde gezogen haben
Da sind sehr engagierte Demokraten darunter, einige sind sogar Beisitzer im Wahllokal. Die sind natürlich besonders enttäuscht und glauben jetzt auch, dass das so nicht weitergehen kann.

Hängt sie mehr am Amt oder er? Joe und Jill Biden
Hängt sie mehr am Amt oder er? Joe und Jill Biden
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Warum jetzt alle vom Alter ihres Präsidenten überrascht sind
Naja, alle waren nicht überrascht. Es gab schon sehr viele Stimmen vorher, die gesagt haben, ob es eine gute Idee ist, dass ein 81-Jähriger noch einmal der Wahl stellt. Am Ende seiner Amtszeit ist er 86 und wie kann das dann gut ausgehen?

Ob es keine Warnsignale gab
Man hat natürlich schon Anzeichen gehabt, dass es ihm vor allem körperlich nicht so besonders gut geht. Er ist öfter gestolpert, seine Schritte wurden immer schlurfender. Aber er hat sich dann zum Beispiel im Jänner, bei seiner Rede zur Lage der Nation, sehr bewährt.

US-Präsident Joe Biden beim TV-Duell mit seinem Vorgänger Donald Trump in der Nacht auf den 28. Juni
US-Präsident Joe Biden beim TV-Duell mit seinem Vorgänger Donald Trump in der Nacht auf den 28. Juni
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Warum es da besser geklappt hat
Es war halt wieder eine Teleprompter-Geschichte. Also er hat von den Glasscheiben, die vor ihm stehen, abgelesen und das kann er immer noch gut. Interessanterweise hat er dann am Tag nach der Diskussion, die so furchtbar in die Hose gegangen ist, an einer Wahlveranstaltung teilgenommen und dann haben sich manche gefragt: Hey, das ist der Gleiche, den wir gestern Abend gesehen haben? Der kann doch toll reden und die Leute wirklich mitreißen.

Warum er diese beiden Gesichter zeigt
Das ist eben eine völlig andere Situation. Ich habe schon im März meine ersten Befürchtungen geäußert, dass es möglicherweise nicht zu einem Kandidaten Joe Biden im Herbst kommen wird. In dem Moment, wo er flott auf den Beinen, aber in Wirklichkeit natürlich vor allem im Gehirn sein muss, dass sich da dann zeigen wird, wie er wirklich noch drauf ist. Er hat sich vor dem TV-Duell eine Woche mit seinen engsten Mitarbeitern zusammengesetzt und alles durchgespielt und offenbar ist da niemandem etwas aufgefallen. Aber es ist natürlich auch etwas anderes, wenn er dann tatsächlich mit einem Mann wie Donald Trump auf einer Bühne steht.

Rückkehr aus Camp David: Präsident Joe Biden mit Ehefrau Jill, Sohn Hunter Biden mit Ehefrau Melissa Cohen Biden
Rückkehr aus Camp David: Präsident Joe Biden mit Ehefrau Jill, Sohn Hunter Biden mit Ehefrau Melissa Cohen Biden
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Wie den Demokraten so eine Wiederkandidatur passieren konnte
Weil es ungeheuer schwierig ist, einem amtierenden Präsidenten den Rücktritt nahezulegen. Und man darf ihn nicht vergessen: Wenn ein Präsident zum Beispiel im März 2024 sagt, dass er nicht mehr kandidieren wird, dann bleibt er noch sieben Monate Präsident, aber auf seine Stimme wird nicht mehr gehört und das alles in einer Zeit, wo wir vor so unglaublichen Herausforderungen stehen.

Was nun bis zum Nominierungsparteitag ab 19. August passiert
Naja, es wird weiterhin Diskussionen geben. Eine Gruppe von Demokraten wird ganz eindeutig dafür argumentieren, dass es jetzt Zeit ist für ihn zu gehen, weil es die große Gefahr gibt, dass der nächste Präsident Donald Trump heißen wird. Und es wird eine Gruppe von Unterstützern Joe Bidens geben, die weiterhin dafür argumentieren, dass er der Einzige ist, der Donald Trump schlagen kann.

Was die Folge davon ist
Ein Patt. Es ist nicht so, dass sich die Stimmen mehren, die sagen, Joe Biden muss gehen. Oder dass sich die großen demokratischen Geldgeber zurückziehen.

    Tradition am Korrespondenten-Dinner: Man lacht über sich und über andere
    Tradition am Korrespondenten-Dinner: Man lacht über sich und über andere
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    Was am Parteitag passieren wird
    Ich habe die meisten Parteitage seit 1980 mitverfolgt. Es hat eigentlich keinen einzigen gegeben, bei dem man nicht schon von vornherein gewusst hat, wer der Sieger, der Nominierte sein wird. Das letzte Mal gab es das 1984, da war ich auch in den USA. Walter Mondale hatte eigentlich 40 Stimmen zu wenig, um als fixer Sieger in den Parteitag zu gehen, aber er hat es dann doch geschafft und wurde nominiert.

    Was die Folge war
    Er hat ein katastrophales Ergebnis nach Hause gebracht. Der amtierenden Präsident Ronald Reagan hat in 49 von 50 Bundesstaaten gewonnen. 2008 gab es ein enges parteiinternes Rennen zwischen Barack Obama und Hillary Clinton, im letzten Moment hat sich dann doch das Rad für Obama gedreht.

    Ob die Entscheidung diesmal am Parteitag fallen wird
    Es wird sicher darauf ankommen, wie sich die Situation für Joe Biden in den nächsten Tagen und Wochen entwickelt. Wenn es noch einmal solche Aussetzer gibt, dann werden jene Stimmen Munition bekommen, die seit dem vergangenen Freitag gesagt haben, es ist Zeit für ihn zu gehen. Aber wenn er sich bewährt, dann wird er auf diesem Parteitag mehrheitlich durchgeboxt werden.

    Ob Bidens Familie mehr am Amt hängt als er selbst
    Da sind wir jetzt im Bereich der Spekulation. Aber ich glaube, dass Jill Biden die Einzige ist, die ihren Mann dazu überreden kann, das Amt aufzugeben.

      US-Präsident Donald Trump bei einer Halloween-Veranstaltung mit First Lady Melania Trump vor dem Weißen Haus in Washington 2020
      US-Präsident Donald Trump bei einer Halloween-Veranstaltung mit First Lady Melania Trump vor dem Weißen Haus in Washington 2020
      Reuters
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      Wer eine Alternative wäre und ob es dafür nicht zu spät ist
      Ich argumentiere immer, dass der Wahlkampf in den USA in Wirklichkeit erst mit dem "Labor Day" beginnt, also am zweiten, dritten, vierten September. Es gibt Namen, die jetzt natürlich viel häufiger genannt werden. Gary Newsom (Gouverneur von Kalifornien, Anm.), Gretchen Whitmer (Gouverneurin von Michigan, Anm.), natürlich Vizepräsidentin Kamala Harris. Alles Kandidaten, die natürlich nicht diesen Bekanntheitsgrad haben wie Trump, aber die man relativ schnell aufbauen kann. Aber ich denke, dass man ein klares Gegenstück zu Donald Trump aufbauen muss, jemanden mit einem völlig anderen Profil.

      Wer da in Frage kommt
      Minister Pete Buttigieg würde mir sehr gut gefallen. Ein schwuler ehemaliger Governor, der jetzt in der Regierung sitzt. Der ist zum Beispiel bei den Vorwahlen vor vier Jahren sehr positiv aufgefallen durch seine Auftritte und durch seine Argumente, die er vorgebracht hat. Das wäre ein klares Gegenstück zu Donald Trump.

      Warum nicht Michelle Obama?
      Das sind Zeitungspekulationen. Sie wird sich das auf keinen Fall antun. Sie ist froh, dass sie diese acht Jahre im Weißen Haus gut überstanden hat, dass ihre Ehe intakt ist, dass ihre Kinder studieren. Die können wir, glaube ich, vergessen.

      Gavin Newsom, Gouverneur von Kalifornien, gilt als einer der Nachfolge-Favoriten unter dem Demokraten
      Gavin Newsom, Gouverneur von Kalifornien, gilt als einer der Nachfolge-Favoriten unter dem Demokraten
      Picturedesk

      Was eine zweite Amtszeit von Trump für die USA bedeutet
      Der Weltuntergang ist es wahrscheinlich nicht, aber schon eine mittlere Katastrophe. Wir haben ja jetzt gesehen, dass die Amtszeit von Trump vor allem in einem Bereich ganz entscheidende Auswirkungen gehabt hat: Bei der Zusammensetzung des Obersten Gerichtshofes. Der hat ihn jetzt von der Schaufel springen lassen. Wenn er noch einmal Präsident wird, dann kann er noch ein oder zwei Oberste Richter einsetzen. Dann ist dieses Gremium, das zu den wichtigsten, bei uns eher unterschätzten Institutionen im Machtverhältnis in den USA gehört, für die nächsten 20 Jahre auf der radikal-konservativen Seite. Und alles, was vor dem Obersten Gericht landet, wird im Sinne der Konservativen behandelt werden. Das ist die eigentliche Gefahr für die USA.

      Was Trump II für Europa bedeutet
      Insofern nichts Gutes, als die transatlantischen Beziehungen mit Donald Trump sicher auf einer ganz anderen Ebene landen werden, als das bei Joe Biden der Fall war. Er wird weiterhin darauf drängen, dass die Europäer sich mehr um die eigene Verteidigung kümmern. Das ist schwierig, die meisten Länder haben hohe Schulden und sollen jetzt auch noch viel Geld in das Militär stecken.

      Wie die Welt ein Trump-Comeback spüren wird
      Wir wissen nicht, wie China reagieren wird. Wir wissen auch nicht, wie Trump auf chinesisches Fehlverhalten reagieren wird, sollte in Taiwan etwas passieren. Wir wissen auch nicht, was Wladimir Putin als Nächstes im Sinn hat. Viele sagen, dass der Krieg in der Ukraine nur der Beginn ist und nicht das Ende. Hier stehen sicher die baltischen Staaten an vorderster Front, die müssen unterstützt werden. Wer wird sie unterstützen? Wird das Donald Trump völlig egal sein? Er hat schon einmal gesagt, Putin kann tun, was er will. Und wenn Putin tatsächlich tun kann, was er will, dann wird er vielleicht den russischen Minderheiten in den baltischen Staaten "zu Hilfe kommen", wie das so schön heißt und dann gibt es einen Krieg aber wirklich mitten in Europa.

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