In der Nacht auf Mittwoch wählen die USA einen neuen alten Präsidenten. Oder erstmals eine Präsidentin. Wie die Umfragen stehen. Wo sie alles im TV live sehen können. Wann es spannend wird. Und wo Ex-Kanzler Sebastian Kurz auftaucht.
Das Rennen ist offen wie selten zuvor. Donald Trump oder Kamala Harris, wer hat am Ende die Nase vorn? Am 5. November entscheiden die USA darüber, wer die kommenden vier Jahre im Weißen Haus sitzt. Die Wahl ist auch für Europa elementar. Mit Stand Montag hat schon ein Drittel der Amerikaner seine Stimme abgegeben. Die Fakten zum Polit-Krimi:
Wann wird eigentlich genau gewählt?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Die Wahl findet in 9 Zeitzonen statt: Atlantik (Puerto Rico, US Virgin Islands), Ost, Zentral, Mountain, Pazifik, Alaska, Hawaii-Aleuten, Samoa (Amerikanisch-Samoa, Midway-Inseln) und Chamorro (Guam). Die ersten Wahllokale öffnen am 5. November in Vermont um 5 Uhr früh Ortszeit, also um 11 Uhr österreichischer Zeit. Die letzten auf Hawaii, da machen die Wahllokale nach unserer Zeit erst um 18 Uhr auf.
Wann schließen die Wahllokale?
Das ist natürlich für die ersten Ergebnisse bedeutsamer. Die meisten schließen zwischen 19 Uhr und 20 Uhr Ortszeit. Es gibt aber große Unterschiede in den einzelnen Bundesstaaten, mitunter sogar in Orten. Einige Bundestaaten liegen in zwei Zeitzonen. Zur groben Orientierung, wann welche Resultate zu erwarten sind:
Was ist mit den Stimmen aus den US-Territorien wie Puerto Rico oder Guam?
Die Bewohner der US-Territorien (Puerto Rico, Guam, Amerikanisch-Samoa, US Virgin Islands und die Nördlichen Marianeninseln) verfügen über kein Wahlrecht bei den Präsidentschaftswahlen. Die meisten Territorien nutzen den Wahltag aber einerseits, um Wahlen für ihre eigenen gesetzgebenden Körperschaften abzuhalten. Und andererseits werden auch Delegierte für das Repräsentantenhaus gewählt. Diese Delegierten können Gesetze einbringen und in Ausschüssen mitarbeiten, haben aber selbst kein Stimmrecht.
Wie sehe ich die Wahlnacht im TV?
Zündhölzer für die Nacht vorbereiten, sie wird lang. Alle großen TV-Stationen berichten vielstündig. Es gibt eine zentrale Wahlberichterstattung und parallel viele Dokus. ARD, ZDF, RTL, Sat.1 und ProSieben steigen zwischen 0 Uhr und 1 Uhr live ein, die Newskanäle sind sowieso im Dauereinsatz.
Puls 24 startet am Dienstag um 20 Uhr eine 26 Stunden lange Sondersendung. Aus den USA berichtet unter anderem die frühere ORF-Korrespondentin Hannelore Veit.
Servus TV lässt die Nacht aus und steigt am Mittwoch um 5 Uhr früh live ein. Im Studio zu Gast sind unter anderem Ex-Kanzler Sebastian Kurz und Politikberater Thomas Hofer.
Wann wird es spannend?
Um Mitternacht sperrt der Großteil der Wahllokale in Kentucky und Indiana zu, zwei republikanische Bundesstaaten. Knapp nach 1 Uhr kommt der erste Fingerzeig. Da sind sieben Bundesstaaten mit dem Wählen fertig, darunter der Swing State Georgia. Der nächste Swing State (Ohio) folgt eine halbe Stunde später. Nach 2 Uhr früh prasseln dann die Ergebnisse ein. Um 3 Uhr könnte ein bisschen Klarheit herrschen (da zog Trump 2016 an Hillary Clinton vorbei).
Warum wird am Dienstag gewählt?
Das hat so Tradition. Sonntag ging man früher in die Kirche, Mittwoch war Markttag. Weil man mit der Kutsche einen Tag Anreise zum Wahllokal einkalkulieren musste, fiel der Montag flach (da hätte man am heiligen Sonntag losfahren müssen), der Donnerstag auch (am Mittwoch standen ja alle noch am Markt). Also blieb der Dienstag als "Fenstertag" übrig. Für die Präsidentschaftswahl und die 13 Vorwahl-Dienstage.
Wollte das nie jemand ändern?
Doch, doch, es blieb aber erfolglos. Es gab die Initiative "Why Tuesday?", Barack Obama war für eine Verlegung, Hillary Clinton auch. 2021 wurde der "Weekend Voting Act" eingebracht, die Gesetzesänderung scheiterte aber bisher am Kongress.
Was wird eigentlich gewählt?
Der Präsident der Vereinigten Staaten (oder die Präsidentin) und das für vier Jahre. Vereidigung und Angelobung ist am 20. Jänner.
Wie viele Wahlberechtigte gibt es?
Rund 244 Millionen (die USA haben 335 Millionen Einwohner). Bei der Wahl 2020 lag die Wahlbeteiligung bei 66,6 Prozent. Bleibt das so, werden rund 162 Millionen Stimmen abgegeben.
Was ist das Mindest-Wahlalter?
Ab 18 darf man wählen, also alle Menschen, die am Wahltag mindestens 18 Jahre alt sind, können ihre Stimme abgeben.
Kann vorab gewählt werden?
Ja, und das wird immer massiver in Anspruch genommen. Das "early voting" bekam durch Corona einen Booster. Man kann per Brief wählen, oder seine Stimme vorab persönlich abgeben. Mit Stand Montag haben das schon 79 Millionen Menschen gemacht, rund ein Drittel der Stimmberechtigten also.
Warum ist das Frühwählen relevant?
Weil es Einfluss auf den Wahlkampf hatte. Es gibt auch große Unterschiede nach Parteien. 2020 wählten rund 60 Prozent der Demokraten vorab, aber nur 32 Prozent der Republikaner. Donald Trump hat die Briefwahl immer wieder in Zusammenhang mit Betrug gebracht. Nun aber laut "New York Times" selbst allein in Pennsylvania 10 Millionen Dollar in Werbung investiert, um Republikaner zur Briefwahl zu bewegen.
Wer ist Donald Trump?
Das ist jetzt etwas wie Eulen in die Hofburg tragen. Ex-Präsident, Unternehmer, Milliardär (laut "Forbes" 4,9 Milliarden Euro), TV-Schausteller ("The Apprentice"), Serien-Schausteller (Cameo-Auftritte in "Der Prinz von Bel-Air" und "Kevin – Allein in New York"), Stammgast vor Gericht. Zwischen März und August 2023 vier Mal angeklagt, einmal schuldig gesprochen (Schweigegeld-Prozess gegen Porno-Model), die drei anderen Verfahren wurden verschoben oder eingestellt.
Wo steht er politisch?
Trump ist ein brachialer Rechtspopulist. Auf seiner Wahlkampfseite gibt er 20 Wahlversprechen: Inflation beenden, Steuern senken (Körperschaftssteuer, er will Trinkgelder und Sozialversicherungsbeiträge steuerfrei machen), Sonderzölle (für Europa prekär), Einwanderung stoppen, Ukrainekrieg beenden "innerhalb von 24 Stunden", Klimagesetze abschaffen.
Wer ist Kamala Harris?
Sie war in vielem die erste. Erste Bezirksstaatsanwältin von San Francisco, erste Generalstaatsanwältin von Kalifornien, erste Vizepräsidentin der USA. Sie mag Obama lieber als Clinton, steht um 6 Uhr auf, steigt für eine halbe Stunde auf den Crosstrainer, frühstückt Vollkorn-Haferlocken, geht gern mit einer Tasse Kamillentee ins Bett. Ihren Mann lernte sie bei einem "blind date" kennen. Vermögen laut "Forbes": 8 Millionen Dollar.
Wofür steht sie politisch?
"Linksradikale Irre", nennt sie Trump, linksliberal trifft es wohl am ehesten. Sie will Steuergutschriften für Familien mit Kindern, eine Anhebung von Körperschaftssteuer und Kapitalertragssteuer, eine Mindeststeuer für Milliardäre von mindestens 25 Prozent, ein Verbot von Preisabzocke bei Lebensmitteln, Erstkäufer von Wohneigentum mit bis zu 25.000 Dollar fördern.
Wer kandidiert für das Amt des Vizepräsidenten?
J.D. (James David) Vance ist für Trump der sogenannte "Running Mate". Der 40-jährige Senator aus Ohio war früher ein harter Trump-Kritiker. Kamala Harris hat Tim Walz an ihrer Seite, 60, Gouverneur von Minnesota.
Wie funktioniert das US-Wahlsystem?
Es gibt keine Direktwahl, sondern es werden Wahlmänner und Wahlfrauen gewählt, als "Platzhalter" für den jeweiligen Kandidaten. Es gibt 538 dieser "Electors". Jeder Bundesstaat hat eine unterschiedliche Anzahl von "Electors", zwischen drei (etwa Alaska) und 54 (Kalifornien). In den meisten – aber nicht in allen – gilt das Prinzip: "the winner takes it all", also alle Stimmen fallen dem Sieger, der Siegerin zu.
Das "Electoral College" trifft sich am 17. Dezember, dann wählen alle Wahlmänner stellvertretend für das Ergebnis ihres Bundesstaates Präsident oder Präsidentin.
Wo ist das anders?
Etwa in Nebraska seit 1992 (und in Maine schon seit 1972) und das könnte wichtig werden. Hier werden drei der fünf Wahlmänner in Distrikten bestimmt. Nebraska ist kein Swing State, wählt mehrheitlich sicher Trump, aber eine "Elector"-Stimme könnte den Demokraten zufallen und Kamala Harris die Mehrheit sichern.
Ab wann hat man eine Mehrheit?
Wenn man sich mehr als 270 Wahlmänner gesichert hat.
Was sind Swing States?
In den meisten US-Bundesstaaten ist klar, wer gewählt wird und sich die Wahlmänner holt. Es ist fast immer gleich, also es gewinnen immer die Republikaner ("Red States") oder die Demokraten ("Blue States"). Und dann gibt es Staaten mit wechselnden Sieger-Parteien, die Swing States, also schaukelnde Bundesstaaten.
Waren die Swing States immer Swing States?
Mitnichten, das wechselt. Das heute republikanische Texas war 1960 ein Swing State, Florida 2000. Ohio ist diesmal kein Swing State, hatte diesen Status aber von 1980 an häufig. Seit 1900 wurden nur drei Kandidaten (Franklin D. Roosevelt, John F. Kennedy, Joe Biden) Präsident, obwohl sie Ohio nicht gewonnen hatten.
Von welchen Bundesstaaten reden wir hier?
Es handelt sich um sieben Bundesstaaten, zwei liegen im Westen des Landes, fünf im Osten.
Wie stehen die Umfragen in den Swing States?
In sechs von sieben Bundesstaaten ist das Rennen laut "New York Times" "tot", es lässt sich also kein Sieger vorhersagen, weil der Abstand zwischen Trump und Harris unter einem Prozent liegt. Nur in Arizona hat Trump deutlicher die Nase vorn. Und hier kommt Nebraska ins Spiel, wo die Stimmen der Wahlmänner geteilt werden. Eine "Elector"-Stimme von dort könnte Harris den Sieg bringen.
Aber Vorsicht: Es schießen derzeit Umfragen wie Schwammerln aus dem Boden – und widersprechen sich.
Apropos: Was ist jetzt mit Iowa?
Der Fleck im Mittleren Westen (3,2 Millionen Einwohner) gilt nicht als Swing State, sondern als Republikaner-Hocheitgebiet. Am Wochenende überraschte nun Ann Selzer, eine der renommiertesten Meinungsforscherinnen der USA, mit einer Umfrage. Die hatte Harris in Iowa drei Prozentpunkte vorn. Trump wütete darüber in den sozialen Medien.
Wann gibt es ein Wahlergebnis?
Das ist unklar, weil es diesmal eng werden dürfte. Ein offizielles Wahlergebnis dauert sowieso, die einzelnen Bundesstaaten lassen sich dafür unterschiedlich Zeit – zwischen zwei und 29 Tagen, weil die jeweiligen Ergebnisse offiziell bestätigt werden müssen.
Es wird aber nicht nur der Präsident, die Präsidentin gewählt, oder?
Nein, parallel finden am 5. November Kongress-Wahlen statt. Es wird über das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel der Sitze im Senat abgestimmt (diesmal geht es um 34 Sitze). Die Partei, die in diesen beiden Kammern die Mehrheit bekommt, hat großen Einfluss auf die Politik der USA und kann es dem Präsidenten schwer oder leicht machen, je nachdem.
Warum ist vor allem der Senat wichtig?
Im Senat herrscht derzeit eine hauchdünne demokratische Mehrheit. Im Senat sitzen 49 Republikaner und 47 Demokraten, die trotzdem die Mehrheit halten, weil die vier "Parteilosen" der demokratischen Fraktion zugerechnet werden. Wenn der Senat "kippt", dann hat eine mögliche demokratische Präsidentin beide (mehrheitlich republikanischen) Kammern gegen sich. Oder Trump beide hinter sich.
Warum ist das so?
Weil das Repräsentantenhaus republikanisch dominiert ist und es gut möglich ist, dass es so bleibt. Es zählt 435 Abgeordnete, je einer oder eine pro Wahlbezirk, sie werden für zwei Jahre bestellt. Im Repräsentantenhaus beträgt das Verhältnis derzeit 220 (Republikaner) zu 212 (Demokraten), drei Sitze sind derzeit unbesetzt (Rücktritt, Todesfälle).
Verlieren die Demokraten den Senat?
Die Gefahr ist groß. Geht es nach den Umfragen, holen sich die Republikaner (51 bis 52 Sitze) die Mehrheit von den Demokraten (48 bis 49 Sitze). Deshalb passierte zuletzt Ungewöhnliches. Kamala Harris reiste mitten im Wahlkampffinale nach Texas, obwohl kein Demokrat dort seit drei Jahrzehnten eine Wahl gewonnen hat. Sie trat mit Popstar Beyoncé in Houston auf. Denn tatsächlich könnten sich die Demokraten hier den Senatssitz holen, das könnte entscheidend sein.
Was sagen eigentlich die Umfragen?
Viel, aber ob das aussagekräftig ist? Landesweit kommt Harris derzeit auf 48,0 Prozent, Trump auf 46,7 Prozent, ermittelte das Umfrage-Portal "FiveThirtyEight" des TV-Senders ABC. Es handelt sich um "aggregierte", also zusammengeführte Umfragen aus verschiedenen Quellen. Und: Das landesweite Ergebnis ist eigentlich irrelevant, es zählen die Bundesstaaten.
Was sagt das Wahlorakel?
Seit Ronald Reagans Wiederwahl 1982 sagt Allan Lichtman das Ergebnis von Präsidentschaftswahlen voraus, in neun von zehn Fällen lag er richtig. Der Historiker und Professor an der American University in Washington, D. C., hat dafür ein mathematisches System mit 13 Parametern entwickelt, Diesmal hat er sich auf einen Sieg von Kamala Harris festgelegt. Er sei sich "sehr sicher". Schauen wir einmal, wer heute ein gutes Karma hat!