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Kickl-Bio: Totogewinn, Haferflocken & ein paar Fehler

Zwei "Profil"-Redakteure haben das Leben von Herbert Kickl aufgeschrieben. Wie er als Kind war, der Bruch mit Haider, warum er Edtstadler nicht mag. Das Buch, wie Kickl reagiert.

FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl tritt Medienverlagen gegenüber plötzlich mit Samtpfoten auf
FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl tritt Medienverlagen gegenüber plötzlich mit Samtpfoten auf
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Christian Nusser
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Sachen gibt's, die gibt's nicht. Und dann wiederum gibt's Sachen nicht, die es eigentlich längst geben müsste. Glaubt man. Eine Biographie über Herbert Kickl zum Beispiel. Der FPÖ-Chef ist so eine Art Gegenentwurf zu Sebastian Kurz, dessen Memoirensschatz zuletzt fast jährlich um eine Perle bereichert wurde. Kickl ist mit 55 um 18 Jahre älter als der gewesene ÖVP-Kanzler, aber sein Leben wurde noch von bisher niemandem aufgeschrieben, nicht einmal von ihm selbst.

Nun lässt sich diese Lücke in der privaten Nationalbibliothek füllen. Gernot Bauer und Robert Treichler haben sich derbarmt. Die beiden "Profil"-Journalisten breiten das bisherige Wirken des FPÖ-Vorsitzenden auf 256 Seiten aus und das durchaus gekonnt, obwohl der Betroffene selbst nichts zur Entstehung beitragen wollte.***

"Kickl und die Zerstörung Europas" ist ein Ritt über rund 30 Jahre österreichische Politikgeschichte, die Zeit der wilden Hengste. Die Longearbeit wurde mit feiner Hand geführt, die Schilderungen sind detailreich und gehen in die Tiefe. Ob man Kickl dadurch besser kennenlernt, bleibt zweifelhaft. Seltsam auch, dass die Episode über seinen Großvater und dessen NSDAP-Beitritt im Vorfeld so breitgetreten wurde, im Buch selbst spielt sie nur eine geringfügige Rolle.

Herbert Kickl am Abend der Wien-Wahl 2010 mit Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache
Herbert Kickl am Abend der Wien-Wahl 2010 mit Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache
Helmut Graf

Vielleicht ist der Titel, "Kickl und die Zerstörung Europas", etwa zu hoch gegriffen, denn Kickl war aus der Beobachtung heraus bisher noch nicht in der Lage, Europa zu zerstören oder maßgeblich daran mitzuwirken. Wir werden sehen, was die nächsten Jahre bringen. Bis dahin ein paar der prägnantesten Passagen aus den zwölf Kapiteln. Die Autoren über:

Das Fehlen einer Biographie
"Herbert Kickl, der zwar medial allgegenwärtig scheint, mutiert zur sprichwörtlichen Sphinx, sobald es um Details aus seinem Leben geht. Keine einzige Homestory gibt es von ihm, sein Lebenslauf ist karg wie Haferflocken, sein Lieblingsfrühstück. Immerhin das hat er in einem Interview mit dem Radiosender Ö3 verraten."

Ob Kickl etwas zum Buch beitrug
"Wir haben Herbert Kickl zu Beginn unserer Recherchen kontaktiert und über unser Projekt informiert. Mehrmals haben wir ihn entweder direkt oder über seine Mitarbeiter um ein Gespräch gebeten, um ihm Fragen zu stellen. All dies hat er abgelehnt."

Was Kickl zum Buch sagt
In einem süffisanten Video wies der FPÖ-Chef nach dem Erscheinen auf Fehler hin. Er habe "ein wenig hineingelesen", da sei "etwas ganz ordentlich danebengegangen" ... "Offenbar will jemand publizistisch auf der Erfolgswelle der FPÖ mitsurfen und Geld verdienen - soll so sein," sagt er. Auf der Homepage des Verlags wurde inzwischen ein Fehler eingestanden, sie sollen in der zweiten Auflagen, die schon fixiert wurde, korrigiert werden.

Was Kickl anprangert:

  • Falscher Vorname des Großvaters mütterlicherseits. Er heißt nicht Johann, sondern Josef
  • Josef Kickl stamme nicht, wie im Buch geschrieben, aus dem steirischen Leibnitz, sondern war Kärntner
  • Er sei kein Sohn eines Bauunternehmers, er habe auch nie für eine Versicherung gearbeitet
  • Er sei im Krieg nicht bei der Flak gewesen und nicht in britischer Gefangenschaft
  • Auch seine Großmutter habe den falschen Vornamen, ihre Biographie sei falsch
  • Das Paar habe sich nicht scheiden lassen

Wo Kickl herkommt
"Herbert Kickls Wurzeln liegen in der Kärntner Gemeinde Radenthein unweit des Millstätter Sees … Klein ist das Haus, schlecht isoliert und im Inneren wegen der kleinen Fenster wohl recht dunkel. Zum Heizen dient ein Holzofen, der in der Küche steht. Hier wächst Herbert Kickl auf, geboren am 19. Oktober 1968 in Villach. Er wohnt mit seinen Eltern, Andreas und Herta Kickl, im Erdgeschoß, in der Wohnung darüber lebt Leopoldine Lackner, seine Großmutter mütterlicherseits."

FPÖ-Chef Herbert Kickl bei einer Pressekonferenz 2023 mit AfD-Chefin Alice Weidel in Wien
FPÖ-Chef Herbert Kickl bei einer Pressekonferenz 2023 mit AfD-Chefin Alice Weidel in Wien
Helmut Graf

Kickls Großvater und die Nazis
"Florian Johann Kickl, Herberts Großvater väterlicherseits, wird am 4. Mai 1904 in Sittich, einer Ortschaft der Gemeinde Feldkirchen in Kärnten geboren. Er ist das uneheliche Kind von Agnes Kickl, einer Dienstmagd, und wird katholisch getauft … Am 26. Februar 1933 tritt Florian Kickl der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) bei. Er gibt als Beruf 'Hilfsarbeiter' an und erhält die Mitgliedsnummer 1451800, Ortsgruppe Feldkirchen."***

Den Totogewinn von Kickls Vater Andreas, Arbeiter, nebenbei Kicker beim WSG Radenthein
"Als sie einmal in Wien spielen, weckt Kickl Buchacher (Torwart, Zimmerpartner, später SPÖ-Bürgermeister von Radenthein, Anm.) mitten in der Nacht auf.  'Was ist los, Andi?' – 'Du, Franz, ich glaub', ich hab einen Toto-Zwölfer gemacht!' Kickl hat mit einem Kollegen gemeinsam einen Toto-Wettschein abgegeben; zusammen haben sie ungefähr fünfzigtausend Schilling gewonnen. 'Das war ein Haufen Geld', erinnert sich Buchacher. Als Spieler verdient er 1.500 Schilling pro Monat, plus 1.000 Schilling für jeden Meisterschaftspunkt."

Kickls besten Jugendfreund
"In der Siedlung findet Herbert sehr früh seinen bis heute besten Freund. Er heißt Bernhard, die beiden sind unzertrennlich, 'wie Pech und Schwefel', sagt Bernhards Mutter … Herbert und Bernhard besuchen dieselbe Klasse der Volksschule in Radenthein und sind Sitznachbarn. Herbert erweist sich als guter Schüler … Am Ende der vier Volksschuljahre werden nur drei Kinder ins Gymnasium geschickt. Herbert Kickl ist eines davon. Bernhard kommt in die Hauptschule. Doch der Freundschaft tut das keinen Abbruch."

Innenminister Herbert Kickl ehrt 2019 Skispringer Andreas Kofler (mit Gattin Mirjam und Tochter Luise) und nimmt ihn in die Polizei auf
Innenminister Herbert Kickl ehrt 2019 Skispringer Andreas Kofler (mit Gattin Mirjam und Tochter Luise) und nimmt ihn in die Polizei auf
Helmut Graf

Die frühen Jahre
"In der Pubertät entwickelt Kickl seinen eigenen Stil. Er trägt auch in der Schule Militärhosen, die er im US-Army-Shop in Spittal kauft. Dazu kurz geschorene Haare, eine kreisrunde Nickelbrille, wie die von Lennon, und bald einen Dreitagebart … Mit 18 besitzt Kickl ein Motorrad, Marke Yahama XT 600 Ténéré in den Farben Blau und Gelb."

Das Studium in Wien
"Herbert Kickl, der Bub aus der ärmlichen Erdmannsiedlung, absolviert das Gymnasium und geht bald nach Wien, um als Erster seiner Familie an einer Universität zu studieren … der Zwanzigjährige entscheidet sich zuerst für Publizistik und Politikwissenschaft, Studienrichtungen vor allem für politisch Interessierte. Zwei Semester später ist es damit schon vorbei, er inskribiert Philosophie und Geschichte … er stößt – wohl nicht ganz zufällig – am Institut für Philosophie auf einen Professor, der linke Theorien verabscheut: Franz Ungler, 1945 in Wels in Oberösterreich geboren, Spezialist für Kant, Hegel und den deutschen Idealismus."

Keine Studentenvereinigung, kein Studienabschluss
"Die zahlreichen linken Studentengruppierungen interessieren Kickl naturgemäß überhaupt nicht, es treibt ihn aber auch nicht zum Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) oder auf die Buden deutschnationaler Burschenschaften, Landsmannschaften, Sängerschaften oder Corps. Sein studentischer Weg führt ihn somit weder zu einem Abschluss, noch in die Nähe eines Berufs, noch in eine Vereinigung, deren Mitgliedschaft ihn weiterbringen könnte. Um ein Haar hätte er im Nichts geendet."

Beginn in der FPÖ und ein Bierdeckel
"Herbert Kickls Karriere in der FPÖ beginnt mit einer Notiz auf einem Bierdeckel. In der Parlaments-Cafeteria trifft sich der Studienabbrecher 1995 mit Fritz Simhandl, heute FPÖ-Bezirksrat … Es ist ein Vorstellungsgespräch, bei dem Kickl offenbar zu überzeugen weiß … So beginnt er in der FPÖ zu arbeiten, die damals in der Kärntner Straße 28 in der Wiener Innenstadt eingemietet ist."

FPÖ-Chef Herbert Kickl bei den ORF-Sommergesprächen 2021 am Dach des Leopoldmuseums im Wiener Museumsquartier
FPÖ-Chef Herbert Kickl bei den ORF-Sommergesprächen 2021 am Dach des Leopoldmuseums im Wiener Museumsquartier
Helmut Graf

Bier, aber keine Clubs
"Nach Feierabend sagt Kickl im Kärntner Dialekt zu seinen Kollegen: 'Gemma noch ans tscheppern.' Er trinkt gern Bier. In die Bars und Klubs der Wiener Innenstadt zieht es ihn nicht. Lieber geht er in eines der Gasthäuser und Beisln, die es in der City noch gibt, etwa zum 'Reinthaler' nahe der Parteizentrale."

Kickls Wechsel an die Freiheitliche Akademie
"Geschäftsführer der Freiheitlichen Akademie ist zu dieser Zeit Karl-Heinz Grasser … Regelmäßig tritt Parteichef Jörg Haider bei Veranstaltungen auf … Kickl lernt Haider aus der Nähe kennen; er kann beobachten, wie er argumentiert; wie Haider zu jedem Thema etwas zu sagen hat, weil er ein guter Improvisator ist, es in der politischen Kommunikation mehr auf die Verpackung als auf den Inhalt ankommt. Kickl, sozial etwas verkrampft, bewundert Haiders spielerisch leichten Umgang mit den Leuten."

Den Charakter von Kickl
"Kickl will zwar nicht – wie Haider und Heinz-Christian Strache – persönlich geliebt werden, erwartet aber Anerkennung für seine Leistungen. Wird ihm diese Wertschätzung versagt, ist er in seinem Gerechtigkeitsempfinden gekränkt. Kickl ist ein Gerechtigkeitsfanatiker – vor allem sich selbst gegenüber."

Er hatte die Wahl: Nach der Abspaltung des BZÖ von der FPÖ entschied sich Herbert Kickl für Heinz-Christian Strache und gegen Jörg Haider
Er hatte die Wahl: Nach der Abspaltung des BZÖ von der FPÖ entschied sich Herbert Kickl für Heinz-Christian Strache und gegen Jörg Haider
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Der erste erfolgreiche Slogan
"Für die Landtagswahl 2004 beordert Haider Kickl dann wieder zurück nach Klagenfurt. Nach all den Verwerfungen in der FPÖ rechnet der Landeshauptmann mit einer Niederlage. Kickl erfindet den Slogan 'An Bessern kriag ma nimma'. Bei der Wahl erhält die FPÖ 42 Prozent und bleibt stärkste Partei."

Kickls Glauben
"In Kickls Büro hängt ein Kreuz. Er sagt von sich, 'ein gläubiger Mensch', aber 'kein Kirchgänger' zu sein. Nach der Renovierung seines Büros lässt er die Räumlichkeiten segnen."

Kickls Bruch mit Haider
4. April 2005: "In der Wiener Urania gibt Haider in einer Pressekonferenz die Gründung einer neuen Partei bekannt, das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ). Den Parteivorsitz übernimmt er selbst … Kurz vor der Spaltung trifft sich Haider mit Eingeweihten. Kickl ist dabei, er hat Bedenken. Haider herrscht ihn an. Er wisse, dass Kickl ihn an Strache verraten habe. Als 'Brutus' soll Haider ihn bezeichnet haben, als 'Verräter'. Kickl kontert kühl: 'Du hast die Partei verraten.' Der Versuch einer Aussprache in einem Wiener Hotel scheitert."

Herbert Kickl am Wahlabend der Nationalratswahl 2019
Herbert Kickl am Wahlabend der Nationalratswahl 2019
Helmut Graf

Seine Bindung an Strache
"In der FPÖ traut man Kickl nicht. Der Verdacht: Er halte insgeheim Haider die Treue und sei von diesem beauftragt worden, in der FPÖ zu bleiben, um Strache auszuspionieren. Der jedoch vertraut ihm … am 23. April 2005 in der Salzburgarena wird Strache zum neuen Obmann gewählt, und er macht Kickl zu seinem Generalsekretär."

Der misstrauische Parteichef
"Wenn es eine Eigenschaft gibt, die in Herbert Kickls Wesen besonders ausgeprägt ist, dann ist es das Misstrauen … Ein Interview ist für ihn ein Duell, das selbst dann nicht endet, wenn das Tonband nicht mehr läuft. Andere Politiker werden im Off-Gespräch jovialer, Kickl legt noch eins drauf. Es kann passieren, dass er dem Interviewer aus seinem Büro nachläuft, um ihn im Abgang schnell noch auf einen Denkfehler im letzten Artikel hinzuweisen. Am Ende will er recht behalten."

Kickls eigene Familie
"Außerhalb der FPÖ hat Kickl nur wenige enge Freunde. Als er im April 2018 seine langjährige Lebensgefährtin Petra auf dem Standesamt Purkersdorf heiratet, ist niemand dabei, nicht einmal ein Trauzeuge. Nur der Purkersdorfer Bürgermeister und ehemalige SPÖ-Innenminister Karl Schlögl macht dem frisch getrauten Paar seine Aufwartung, wie immer, wenn in Purkersdorf geheiratet wird. Schlögl ist einigermaßen überrascht, als er ganz allein mit dem üblichen Blumenstrauß vor Kickl steht … Das Familienleben hütet Kickl streng. Sein Sohn versucht sich als Autorennfahrer und studiert."

FPÖ Chef Herbert Kickl während des Neujahrstreffens der FPÖ am 13. Jänner 2024, im Schwarzl Freizeitzentrum in Premstätten
FPÖ Chef Herbert Kickl während des Neujahrstreffens der FPÖ am 13. Jänner 2024, im Schwarzl Freizeitzentrum in Premstätten
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Kickls Feindschaft mit Karoline Edtstadler
"Kickls Abneigung gegenüber Edtstadler (sie ist damals Staatssekretärin im Innenministerium, Anm.) ist fast physisch. Von Beginn an versucht er, die Staatssekretärin und ihr Team aus den von ihnen gewählten Räumlichkeiten, die nahe dem Ministerbüro liegen, zu vertreiben. Selbst bei Kanzler Sebastian Kurz interveniert er … Auch den Parkplatz für ihren Dienstwagen macht er ihr streitig."

Das Ende als Innenminister nach dem Ibiza-Video
"Herbert Kickl ist nun wieder Oppositionspolitiker. Er brennt auf Rache. Nach der Wahl 2017 war er der größte Skeptiker einer Zusammenarbeit mit der ÖVP und sprach sich bis zum Schluss dagegen aus. Er hat der ÖVP immer misstraut. Jetzt fühlt er sich bestätigt."

Gernot Bauer, Robert Treichler, "Kickl und die Zerstörung Europas", 256 Seiten, Paul Zsolnay Verlag, 25,70 Euro

*** Herbert Kickl hat in einem Video Fehler in der Biographie kritisiert, die Autoren mittlerweile welche einbekannt.

Was Kickl anprangert:

  • Falscher Vorname des Großvaters mütterlicherseits. Er heißt nicht Johann, sondern Josef
  • Josef Kickl stamme nicht wie im Buch geschrieben aus dem steirischen Leibnitz, sondern war Kärntner
  • Er sei kein Sohn eines Bauunternehmers, er habe auch nie für eine Versicherung gearbeitet
  • Er sei im Krieg nicht bei der Flak gewesen und nicht in britischer Gefangenschaft
  • Auch seine Großmutter habe den falschen Vornamen, ihre Biographie sei falsch
  • Das Paar habe sich nicht scheiden lassen
Akt. Uhr
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