Lokale Kritik
Nun ist es wirklich, wie es isst: Die Cuisinière selbst am Prüfstand
In der putzigen Oberlaaer Event-Location Kronbergers' rief Die Cuisinière zum SpecialPfeiffersGiG. Naturgemäß konnte es Der Connaisseur nicht lassen, daraus eine Lokale Kritik zu schnitzen, die 21. übrigens. Motto diesmal: "Testen der Besten".

Damit hatte sie nicht gerechnet. Die Cuisinière wurde etwas blass ums Naserl, als sie erfuhr, dass sie in der nächsten Ausgabe der Newsflix’schen Lokalen Kritik nicht Testerin, sondern Getestete sein wird. Kurzerhand hatte Der Connaisseur das Motto von "Testen mit den Besten" auf "Testen der Besten" umgebaut und sich der Cuisinières SpecialPfeiffersGiG Sonderausgabe "Fastnacht" vorgeknöpft.
Vor geraumer Zeit hatte sie die Marke PfeiffersGiG erfunden und etabliert. Und macht entsprechend ihres Mottos "Genuss im Ganzen" gelegentlich Genussreisen. Diesfalls mit sieben Gängen durch das ehemalige Gasthaus Kronbergers' in Oberlaa. Seit geraumer Zeit ist ja Die Cuisinière nur mehr als "Enjoyment-Consultant" tätig, macht sich also beratend wichtig oder ist mit ihrem PfeiffersGiG als Private Cook meist im diskreten gastronomischen Spitzenbereich unterwegs. Und tritt selten öffentlich mit Kochlöffel an! Also musste Der Connaisseur diese Chance jedenfalls nutzen!

Ihr Murren blieb unerhört. "Das musst du aushalten", ließ Der Connaisseur - mutig wie selten - keinerlei Widerspruch zu, "wenn du schon einmal quasi öffentlich kochst, dann muss das auch dieser Untersuchung standhalten". Sie: "Aber ich darf doch zumindest was sagen … ?!" Er: "Nein!!"

Diesfalls der Ort des seltenen Geschehens: das ehemalige Gasthaus Kronbergers' mitten in Oberlaa, wo Wien tatsächlich noch seinen dörflichen Charakter erhalten hat. Wiewohl der Wiener Bezirk Favoriten, dessen Teil Oberlaa ist, etwa gleich viele Bewohner wie Linz hat … Das Kronbergers' aber, ein Gebäude wie im tiefsten Weinviertel: ein malerischer Innenhof, mit den - wie seinerzeit im landwirtschaftlichen Bereich üblich - entsprechenden Nebenräumen und Schupf'n.
Die Cuisinière und Brigitte Zoubek, die Chefin des Kronbergers', haben sich ins Zeug gelegt. Geboten wird ein inszenierter später Nachmittag und Abend mit sieben Gängen an den verschiedenen Plätzen diesen alten Hofes, dazu natürlich die entsprechende Weinbegleitung ohne Limit ("das hat dich wohl besonders begeistert", begann Die Cuisinière wieder in ihre alte Form aufzulaufen), Live-Musik von Johannes Honigschnabel und eine kunstvolle Raum-Inszenierung.

Der Innenhof lädt trotz frischer Temperaturen dazu ein, einen Aperitif und Shakis selbstgebrannte Nüsse zu genießen. Zu den ersten Amuse-Bouches wurde die geneigte Truppe, die die Beste zu testen hatte, in die Kornkammer, ein altes Gewölbe im Kronbergers', gerufen, wo bereits selbstgemachte Blinis mit gebeizter Radelberger Lachs-Forelle, roter Zwiebel, dann Enten-Leber-Pâté mit Amarena und Backerbsen und Ziegen-Frischkäse mit den ersten Wildkräutern live angerichtet wurden.
Nach der Geschwindigkeit der Zugriffe stießen diese Gaumenfreuden auf höchste Zustimmung, auch Der Connaisseur fand sowohl die Zusammenstellung, wie auch die Textur und Zubereitung hervorragend.

Schon da meinte nicht nur er: "Schade, dass du so selten öffentlich kochst!" Und im Stress – und nicht nur deswegen – überhörte sie dieses zweischneidige Kompliment. Denn immer wieder hatte sie ihm versichert, dass Private-Cookings und gelegentliche PfeiffersGiG die weit selbständigere und angenehmere Form sind, um ihre Kreativität ausleben zu können.
Womit sie wohl nicht ganz unrecht hat, stimmten die anderen Gäste zu, bedauerten aber zutiefst, dass eben ein laufender Besuch in der Cuisinières-Küche nicht möglich ist und man sich entweder auf die PfeiffersGiG stürzen muss oder sie zum Kochen nach Hause einlädt.


"Was man sich auch nicht jeden Sonntag leisten kann und will", blieb Der Connaisseur realistisch. "Du bist ja geschäftsschädigend", schnaubte Die Cuisinière augenzwinkernd zwischen einigen Handgriffen. Er war froh, dass sie darauf nicht handgreiflich wurde. Und korrigierte sich laut und deutlich: "Jeden Cent wert und etwa mit den Menü-Preisen mancher Zwei-Stern-Restaurants mehr als konkurrenzfähig."
Von der Kornkammer ging es dann die Stufen runter in das wunderbare, alte Gewölbe, das wohl viele Jahrzehnte als Weinkeller diente. Dem Genius Loci folgend, bot dort der junge Winzer Michael Wieselthaler aus Oberlaa eine großartige Fassprobe des Chardonnay 2024 sowie Grünen Veltliner 2022 und einen bemerkenswerten Gemischten Satz 2023 - beides Lagen-Weine - zum Verkosten an. Dazu wurde eine weitere Runde Pappenschmierer geboten, Krautfleck wahlweise mit Lardo, Sardellen oder Kapern-Zitronen-Petersilie zauberten Jacqueline und ihre Helferleins quasi live vor Ort̍.

Der nächste Gang hätte dann im Hof stattfinden sollen, ein frisch gebratener, unglaublich g'schmackiger Ofenfleck mit Sauerrahm, Essig Rübe, oder Hirsch-Rohschinken auf dem Spezial-Griller – allerdings brach die Dämmerung herein und vertrieb die Sonne.
Die Kälte kroch durch die Mäntel, sodass der letzte Gruß der Küche bereits in dem wunderschön geschmückten Festsaal des Kronbergers' übersiedelt war, wo ebenfalls beeindruckende, großformatige Bilder des ehemals fallschirmspringenden Künstlers Clemens Wolf zu sehen waren. "Fallschirmspringend" ist deswegen wichtig, weil seine Bilder aus ausgemusterten Fallschirm-Stoffen bestehen, was man sonst nicht gleich erkennt.


An zwei großen Tafeln nahmen die insgesamt 47 Gäste Platz, um nach dem Ofenfleck, begleitet von einem raffinierten Pinot Grigio (Friuli Isonzo) mit dem regulären Menü zu beginnen, man hatte ja faktisch noch nichts bekommen ... Die Cuisinière wieselte geschäftig herum, war aber sichtlich in ihrem Element. "Irgendwie geht ihr das Wirtshaus doch ab", sagte Der Connaisseur zu ihr im Vorbeigehen. Erst bei der nächsten Runde kam ihre Antwort: "Ja, hin und wieder. Aber lieber noch bin ich trotzdem Gast."
In diesem Moment glaubte er ihr das nicht wirklich.

Als aber der gegrillte – marinierte Tuna mit Krautsalat, Vogelbeeren und Minzjelly auf den Tisch kam, erübrigte sich ohnehin jegliche Diskussion. "Ein Fest für die Sinne!", murmelte Der Connaisseur und blieb erneut mit seiner Einschätzung nicht allein. Denn der zarte, auf den Punkt gegrillte Thunfisch entfaltete sein maritimes Aroma, das durch die raffinierte Marinade noch tiefer und komplexer zur Geltung kam, der knackige Krautsalat brachte Frische ins Spiel und bildete mit seiner leichten Säure einen harmonischen Kontrast.
Vogelbeere und Minzjelly, das eine mit der milden Herbheit und das andere mit der kühlen Süße, "da explodiert der Geschmack förmlich", kam Der Connaisseur gar nicht mehr aus dem Schwärmen. Als er der Cuisinière das auch sagte, sah er erstmals, wie sie sanft errötete. "Das ich das auch noch erleben durfte", murmelte er vor sich hin.
Dazu eine interessante Weinbegleitung, hier der Grüne Schiefer aus Welgersdorf.

Als nächster Gang wurden Geflügelaustern mit Salbei, Karotten, Pecorino und rotem Traubenkernöl kredenzt. Möglicherweise täte sie ihm das zu Fleiß, meinte er. Trotz ihres Stresses hörte sie seine Anmerkung im Vorbeigehen und wurde resolut: "Nimm dich nicht soo wichtig, 46 andere Gäste schätzen diese neue oder wieder gefundene Delikatesse!" Dann forderte sie den Connaisseur auf, aus ihrem Referat zum Thema "Sot-l'y-laisse - Pfaffenschnittchen" bei ihrem Besuch in der Wirtschaft (wir erinnern uns: Die Sommerfrische im Ausseerland isst, wie sie ist) jene Passage zur Geflügelauster vorzutragen.
Begleitet wurde die neue Delikatesse, die es allerdings seit Lebzeiten des Hendls gibt, vom Riesling Berg & Meer 2022 aus dem Hause Fink & Kotzian, dessen Frische und Säure "die Aromen perfekt aufgreifen und veredeln", meinten jene Hilfs-Gourmands, die sich an den zarten, mit duftendem Salbei umhüllten Geflügelaustern delektierten.

Der nächste Gang, das Presa vom Iberico Schwein mit Ingwer, Grenaille-Erdäpfel, Spinat, braisiertem Zwiebel und Glace, sorgte kurz für Verwirrung unter einigen der Gäste. "Was ist ein Presa?", war da die Frage jener, die nicht täglich den Michelin beten. Das war die Chance für den Connaisseur, sich endlich auch wichtig zu machen; litt er doch etwas darunter, dass die einzige wirkliche – und berechtigte – Hauptrolle an diesem Nachmittag und Abend der Cuisinière zufiel.
Er nutzte die Gelegenheit, als Die Cuisinière zugange war, und hob zu einer kurzen Ausführung an: "Die Presa ist das Schulterstück, der sogenannte Nacken-Kern des Iberico-Schweines …" Als ob sie es geahnt hätte, kam Die Cuisinière wieder in den Saal und setzte erläuternd fort: "Beliebt besonders in der spanischen Avantgarde-Küche wegen der starken Marmorierung mit dem typischen, nussigen Iberico-Geschmack!" Und stahl ihm erneut die Show!

Das konnte er nicht auf sich sitzen lassen und warf sich in Pose: "Das saftige Aroma, das von der feinen Schärfe des Ingwers sanft umspielt wird, und die cremigen Grenaille-Erdäpfel bieten mit ihrer buttrigen Konsistenz eine wohltuende Grundlage für das Schwein, während der Spinat mit seiner leichten Bitterkeit das Gesamtbild harmonisch ergänzte", dozierte Der Connaisseur für jene, die es hören wollten. "Die braisierten Zwiebeln brachten eine herzhafte Süße, die in der kraftvollen Glace förmlich badete", wurde er poetisch.
Das alles, das der Chardonnay Piriwe "Ouvertüre" 2020 mit der vollmundigen Note die Raffinesse des Gerichtes entsprechend betonte, verstand sich quasi von selbst. Mit einem leisen "jetzt spinnt er", verließ sie den Schauplatz.

Ganz nach französischer Tradition – man sollte nicht vergessen, Die Cuisinière war längere Zeit in der Schweiz und auch in Frankreich in den Spitzenhütten zugange – , wurde der Käse vor dem Dessert gereicht. Wobei "gereicht" der falsche Ausdruck war, man begab sich dazu in die alte Milchkammer des Kronbergers', wo Anton Sutterlüty eine Käse-Auswahl, die selbst am Naschmarkt selten zu finden ist, präsentierte. Nicht nur olfaktorisch war das bemerkenswert, auch optisch eine große Sache. Doch man glaubt nicht, was das Auge und der Gusto trotz dieses ausladenden, ausführlichen Menüs doch noch alles zusammenbringt, wenn man die Teller der Gäste beobachtete.

Am Ende dann die Rotwein-Banane mit fruchtiger Süße und samtiger Weinnote, ergänzt durch den Schoko-Pudding und einen Hauch von langem Pfeffer. Dass die im Menü angeführte Creme de Bresse fehlte, fiel dem Connaisseur trotz der unlimitierten Weinbegleitung auf. "Ich dachte, ob der fortgeschrittenen Stunde kann ich mir die Creme ersparen", lachte Die Cuisinière und gestand, sie im Kühlschrank vergessen zu haben.
Und dann war aufgeräumt!!

Wann es denn nächsten Spezial PfeiffersGiG gibt, wo Grand-Master Chef Jacqueline selber wieder zum Kochlöffel greift, war auch Tage später nicht zu erfahren. Wie es der Cuisinière Art ist, gibt sie bei derartigen Ausflügen alles. "Hast du noch immer Muskelkater?", fragte Der Connaisseur frech und behielt – dank ihrer Erschöpfung – das letzte Wort.
Ach so, übrigens haben Die Cuisinière und Der Connaisseur eine eigene Facebook-Seite und zum Newsletter kann man sich hier anmelden!
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Die Cuisinière und Der Connaisseur
- Die Cuisinière und Der Connaisseur arbeiten schon länger projektweise zusammen, haben sich zusammengetan, um über das Essen zu reden. Und seit geraumer Zeit auch für Newsflix darüber zu schreiben und damit auch einen Beitrag zur kulinarischen Lebensqualität zu leisten. "Die kultigen Gourmet-Kritiker" (OT Christian Nusser) bilden ein unvergleichliches Duo, das die kulinarische Welt aus einer gelegentlich etwas anderen Perspektive betrachtet. Sie bringen frischen Wind in die gelegentlich bierernste Gastrokritiker-Szene und servieren witzige und kulinarische Erkenntnisse und sonstige Wichtigtuereien satirisch auf den Tisch und ins Netz! Dabei verbinden sie Expertise und Humor zu einer Mischung, die ihresgleichen sucht. Ihr Motto? Es ist, wie es isst!
- Die Cuisinière ist Jacqueline Pfeiffer, Grand Master Chef, war Kochlöffel in diversen Hauben- und Sterne-Hütten in Mitteleuropa ("Adlon", Gstaad, "Marc Veyrat" usw.), irgendwann "Köchin des Jahres" und hatte in den 10er-Jahren im Wiener "Le Ciel" (nach neuer Gault Millau-Zeitrechnung) vier Hauben erkocht. Nunmehr ist sie als Enjoyment-Consultant mit ihrem PfeiffersGiG selbst kochend fast ausschließlich im diskreten gastronomischen Spitzenbereich oder als Coach und Beraterin einiger Gastronomiebetrieben tätig und schwingt den Kochlöffel meist nur mehr im diskreten Private Cooking.
- Der Connaisseur heißt Wolfgang Fischer, war Journalist und Medienmanager, zehn Jahre CEO der Wiener Stadthalle, nunmehr Geschäftsführer der DDSG Blue Danube, bester Freund von Admiral Duck – und Gourmet wie Gourmand seit Jahrzehnten. Also ein klassisch übergewichtiger weis(s)er alter Mann.