An Apple A Day Keeps The Doctor Away. Hängt natürlich davon ab, wo der Apfel platziert wird. Im Historienepos "Wilhelm Tell" liegt er am Kopf seines Sohnes … Außerdem neu: Ein lässiger Eighties-Teenie-Horrorfilm und der realistische Virus-Schocker "28 Years Later".
"Wer sich an die Achtziger erinnern kann, hat sie nicht erlebt." – Falcos legendärer Sager über das prägende Jahrzehnt der Generation X hat natürlich nach wie vor seine Gültigkeit. Sollte allerdings vernünftigerweise auf all jene beschränkt bleiben, die damals bereits alt genug gewesen sind, um sich alkoholische Innovationen wie "Harvey Wallbanger" oder "Gummibärli" hinter die Binde zu kippen.
Wer damals noch mit Cola und Chips vor dem Fernseher lag, wurde eher von Filmen wie "E.T.", "Die Goonies" oder dem famosen "Stand by me – Das Geheimnis eines Sommers" nach einer Story von Stephen King sozialisiert. Und ist seither und für den Rest seines Lebens allen Filmen und Serien verfallen, die noch einmal jene Gefühle erzeugen, die man damals beim Schauen dieser Blockbuster hatte.
Die Sehnsucht einer ganzen Generation nach diesen Coming of Age-Geschichten im Achtziger-Look ist verantwortlich für den vollkommen irrealen Erfolg der Netflix-Serie "Stranger Things" (Staffel 5 kommt im Herbst) und unzähligen ähnlichen Erzählungen. Wer davon dennoch nicht genug bekommen kann, dem sei "Monster Summer" ans Herz gelegt, ein feinfühlig inszenierter Retro-Spaß, bei dem der ergraute Mel Gibson einer Teenager-Clique hilft, mit einem mysteriösen Schrecken fertig zu werden – unser Film der Woche!
Außerdem diese Woche neu in den heimischen Kinos: Ein sehr brutales Historienepos über den Schweizer Nationalhelden Wilhelm Tell, der dritte Teil der Horror-Filmreihe "28 Days / Weeks / Years Later " sowie ein neues Animations-Abenteuer aus dem Hause Pixar. Und dazu noch so einige andere Perlen des Filmschaffens. Kommen Sie gut durch diese Kino-Woche!
Worum es geht Es sind die späten 1980er-Jahre: Auf einer kleinen Insel vor der Küste Floridas freuen sich die vier Freunde Noah (Mason Thames), Sammy, Eugene und Ben auf den beginnenden Sommer. Noah hat von seinem verstorbenen Vater das Journalisten-Gen geerbt und ist immer auf der Suche nach einer guten Story, der dubiose Nachbar Gene (Mel Gibson), um den sich alle möglichen Geschichten ranken, soll Protagonist seiner neuesten "Horrorstory" werden, die er der lokalen Zeitung verkaufen will.
Doch als Ben bei einem nächtlichen Plansch mit seinem Date von einem mysteriösen Wesen attackiert wird, braucht Noah seine Fantasie nicht mehr anstrengen – er wird Protagonist einer echten Schauergeschichte. Mit Ben ist irgendetwas passiert, er starrt ins Leere, ist nicht mehr derselbe, mit anderen Kids in der Gegend geschieht das selbe. Einiges deutet darauf hin, dass eine alte Hexe ihr Unwesen treiben könnte, doch Noahs Ermittlungen werden als Spinnereien und Ausgeburt seiner Fantasie abgetan, niemand will ihm glauben.
Doch die Fälle häufen sich - und schließlich unterstützt Nachbar Gene, der ein Ex-Cop ist, Noah bei seiner Suche nach dem "Monster", das Jugendliche ihrer Seelen zu entledigen scheint. Das ungleiche Duo tut sich zusammen, gemeinsam sammelt man Hinweise, folgt Spuren und heftet sich an die Fersen des Wesens, das die Sommerruhe des beschaulichen Örtchens empfindlich stört. Schließlich muss auch Gene erkennen, dass es nicht für alles logische Erklärungen gibt.
Weshalb es sich lohnt Die Absicht hinter "Monster Summer" ist klar: Der Film von Regisseur David Henrie orientiert sich an den Coming of Age-Filmen der 1980er wie "Stand by me", "Die Goonies" oder "E.T.", legt den Fokus aber – anders als ähnliche Produktionen aus den letzten Jahren – mehr auf den emotionalen Kern der Geschichte und weniger auf Oberflächlichkeiten wie Synthie-Sounds oder Achtziger-Ästhetik. Es geht um Werte wie Freundschaft, Familie und den Glauben an die eigene Bestimmung. Das macht den Film sympathisch und eigenständig.
Zugleich ist die 80s-Retro-Schiene inzwischen ziemlich ausgefahren, und mit innovativem Gehalt kann "Monster Summer" nicht glänzen. Dass der Film trotzdem seine Daseinsberechtigung hat, dafür sorgt neben der Geschichte, die das Herz am rechten Fleck hat, auch die Besetzung: Mason Thames spielt den jugendlichen "Investigativreporter" sehr überzeugend, in kleinen Nebenrollen sind bekannte Namen wie Lorraine Bracco ("Good Fellas", zuletzt "Nonnas") und Kevin James ("King of Queens", zuletzt "Guns Up") zu sehen.
Der größte und kontroverseste Name auf der Besetzungsliste ist natürlich Mel Gibson. Und seine Leistung in "Monster Summer" beweist, dass er immer noch als (Co-)Lead-Actor taugt, gerade für diese Art von Filmen. Seine grimmige und abgeklärte Figur des Ex-Cop Gene, abgestumpft durch seine Erfahrungen in der Vergangenheit, ist die ideale Ergänzung zu dem jugendlich-naiven Noah.
Gibson sollte sich, wenn er dem Publikum und sich selbst einen Gefallen tun will, weniger mit der Verbreitung kruder Verschwörungstheorien befassen, als mit dem, was er am besten kann: Grantige, kantige und knorrige alte Typen zu spielen. Sein überzeugender Auftritt in "Monster Summer" lässt einen dann auch filmische Sünden wie "Flight Risk" leichter verzeihen.
"Monster Summer", Teenie-Horror. USA 2024, 97 Minuten, ab 19. Juni im Kino
Worum es geht Das Jahr 1307: Der Habsburgerkönig Albrecht (Ben Kingsley) greift mit grausamer Gewalt nach den angrenzenden Schweizer Kantonen, seine Handlager schrecken vor Mord und Vergewaltigung an der Bevölkerung nicht zurück. Kreuzritter Wilhelm Tell (Claes Bang), zuvor mit den Tempelrittern im Heiligen Land unterwegs, kehrt ausgerechnet jetzt in seine alte Heimat zurück, wo er sich eigentlich mit seiner Frau Suna (Golshifteh Farahani) und seinem Sohn niederlassen und ein ruhiges Leben führen will.
Stattdessen wird er Zeuge des üblen Treibens, der Repressalien und Gewalt und kommt seinen Landsleuten zu Hilfe. Als ihn Albrechts Statthalter Gessler (Connor Swindells) zwingt, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schießen, hat Tell endgültig genug: Bewaffnet mit seiner Armbrust und unterstützt von ehemaligen Kreuzrittern, wird Tell zum Anführer eines Aufstandes, der die Schweiz befreien soll.
Weshalb es sich lohnt Der nordirische Drehbuchautor und Regisseur Nick Hamm orientiert sein actionlastiges Historienepos über den Schweizer Nationalhelden, das sich stilistisch Klassiker des Genres wie "Braveheart" zum Vorbild nimmt, eher an Schillers Theaterstück als am historischen Vorbild - und nimmt sich so manche kreative Freiheit. Besonders betrifft das die (starken) Frauenfiguren.
Für einige erzählerische Schwächen oder beizeiten schleppendes Tempo entschädigt die Optik von "Wilhelm Tell", die sich hinter der Konkurrenz großer Hollywood-Produktionen nicht verstecken muss. Gedreht wurde in Südtirol, das beeindruckende Alpenpanorama bietet eine sehenswerte Kulisse für die zahlreichen Kampfszenen.
Neben dem Dänen Claes Bang, der den Titelhelden spielt, sind Topstars wie Ben Kingsley, Jonathan Pryce oder Connor Swindells in "Wilhelm Tell" dabei, die dem Film Zugkraft verleihen sollen. Das ist nachvollziehbar, trotzdem ist es etwas schade, dass man nicht mehr Schweizer oder Österreicher verpflichtet hat, das hätte sich in dem Fall mehr als angeboten. Am Ende ist dieser Historienschinken sicher kein Meisterwerk geworden. Aber doch eine solide Adaption eines historischen Stoffes, die auf Schauwerte setzt, sich auf hohe "Production Values" verlassen kann und so Fans des Genres durchaus ansprechen dürfte.
"Wilhelm Tell", Historienfilm, Action. Italien / Großbritannien 2024, 133 Minuten, ab 19. Juni im Kino
Worum es geht Fast drei Jahrzehnte nach dem Ausbruch des Rage-Virus, das bei Infektion Menschen in blutrünstige Zombies verwandelte und die Welt ins Chaos stürzte, steht Großbritannien immer noch unter Quarantäne. Eine kleine Gruppe Überlebender hat sich auf einer Insel vom verseuchten Festland abgeschottet, mit dem man nur durch eine schwer bewachte Brücke verbunden ist.
Der Junge Spike (Alfie Williams) wächst mit seinen Eltern Isla (Jodie Comer) und Jamie (Aaron Taylor-Johnson) auf der Insel auf. Als er sich gemeinsam mit seinem Vater auf eine gefährliche Mission aufs Festland wagt – ein Initiations-Ritual –, werden die beiden mit den Geheimnissen und Schrecken der Außenwelt konfrontiert, die nicht nur die Infizierten, sondern auch andere Überlebende verändert haben. Über allem thront die Frage: Wie überlebt Menschlichkeit in einer zerstörten Welt?
Weshalb es sich lohnt Bereits 2007 hat Danny Boyle eine weitere Fortsetzung seiner erfolgreichen Zombievirus-Filmreihe angedacht, über die Jahre wurde viel darüber diskutiert und spekuliert. Nun, fast 20 Jahre später, ist es soweit: Das Drehbuch des dritten Films nach "28 Days Later" und "28 Months Later" verfasste Boyle gemeinsam mit seinem frühen Kollaborateur Alex Garland, der inzwischen selbst unter die Regisseure gegangen ist ("Warfare", "Civil War"). Der Film ist aber nicht nur ein weiteres Sequel, sondern der Start einer ganzen Trilogie. Der nächste Film ist bereits für Jänner 2026 angekündigt.
Fans der Reihe mit Faible für blutigen Zombie-Horror dürfen sich auf einen apokalyptischen Endzeit-Thriller freuen, der die Trademarks der beiden Vorgänger behält, aber dem Stoff auch einen aktuellen Vibe gibt: Dinge wie Quarantäne, Rückzug und gefährliche, grassierende Viren haben in Lichte der Corona-Pandemie eine andere, reale Bedeutung bekommen. Beachtlich an der überzeugenden Optik ist, dass "28 Years Later" beinahe ausschließlich mit iPhones gedreht wurde.
Wie das Publikum angesichts der auch in der Realität eher komplizierten Weltlage einen Film über das drohende Ende der Menschheit letztlich aufnimmt, wird sich zeigen. Der Trailer löste vor einem halben Jahr einen regelrechten Hype aus. Aber erfahrungsgemäß sucht man in schwierigen Zeiten eher leichte Stoffe, die das Gemüt beruhigen. Ob Runde 3 des "28"-Reigens dagegen ankommt?
"28 Years Later", Horror-Thriller. Großbritannien / USA 2025, 115 Minuten, ab 19. Juni im Kino
"Misercordia"
Laut der legendären französischen Filmzeitschrift Cahiers du Cinema der beste Film des letzten Jahres: In dem Thriller von Alain Guiraudie kehrt Jérémie (Félix Kysyl) zur Beerdigung seines ehemaligen Chefs in das Örtchen Saint-Martial zurück. Dort passieren allerhand dubiose Dinge. Als der Sohn von Jérémies Gastgeberin verschwindet, fällt der Verdacht auf den Rückkehrer, der sich den Fragen der Polizei stellen muss. Wilder Genremix mit schwarzem Humor, queeren Vibes und Hitchcock-Referenzen.
"Misericordia", Arthouse-Thriller. Frankreich / Spanien / Portugal 2024, 104 Minuten, ab 20. Juni im Kino
"Die geschützten Männer"
Deutschland steht kurz vor der Wahl. Da bricht ein rätselhaftes Virus aus, das ausschließlich Männer befällt, sie sexuell erregt – und dann dahinrafft. Das stürzt die Republik in einen immer hemmungsloseren Krieg der Geschlechter. Eine politische Satire nach dem gleichnamigen Roman von Robert Merle, die die Geschlechterpolitik aufs Korn nimmt.
"Die geschützten Männer", Polit-Satire. Deutschland 2024, 104 Minuten, ab 20. Juni im Kino
"Elio"
Der elfjährige Elio, ein Träumer und Außenseiter mit wilder Fantasie, wird aus Versehen ins Communiverse gebeamt, eine intergalaktische Organisation mit Aliens aus allen Ecken des Universums. Durch ein Missverständnis halten diese ihn für den Botschafter der Erde. Völlig überfordert, muss Elio mit schrägen Außerirdischen klarkommen, eine Krise lösen und sich mit seiner eigenen Identität auseinandersetzen – und am Ende gar noch die Welt retten. Neuer Pixar-Animationsfilm.
"Elio", Sci-Fi-Animationsfilm. USA 2025, 99 Minuten, ab 19. Juni im Kino
"Funny Birds – Das Gelbe vom Ei"
In der französisch-amerikanischen, von Martin Scorsese produzierten Tragikkomödie treffen drei Generationen von Frauen aufeinander, die jede für sich ihre eigene Vorstellung davon hat, was Feminismus bedeutet: Die junge Charlie (Morgan Saylor), ihre krebskranke Mutter Laura (Andrea Riseborough) und die exzentrische französische Großmutter Solange (Catherine Deneuve). Auf einer Hühnerfarm in Virginia müssen sich die drei Frauen zusammenraufen, mit alten Wunden und neuen Herausforderungen auseinandersetzen.
"Funny Birds – Das Gelbe vom Ei", Tragikomödie, Frankreich / Belgien 2024, 97 Minuten, ab 20. Juni im Kino
"Typisch Emil – Vom Loslassen und Neuanfangen"
Der Dokumentarfilm befasst sich mit Leben und Werk des inzwischen 92-jährigen Schweizer Kabarettisten und Schauspielers Emil Steinberger, über den Ottfried Fischer ("Der Bulle von Tölz") einst meinte, er "ist der Grund, weshalb wir die Schweiz lieben".
"Typisch Emil – Vom Loslassen und Neuanfangen", Porträt. Schweiz 2024, 120 Minuten, ab 19. Juni im Kino