Lokale Kritik
"Sternderl schaun" in Hadersdorf: Es strahlt, wo man isst
Was im Kamptaler "Esslokal" auf den Tisch kam, wissen Die Cuisinière & Der Connaisseur. Und auch, warum dort noch im Jänner das Bibendum vor der Tür stehen wird. Für "Testen mit den Besten" haben die beiden erneut edukativ auf verschiedene Gaumen gefühlt.
"Sie wird wieder einmal recht gehabt haben", dachte Der Connaisseur, als Die Cuisinière eine "spezielle Himmelserscheinung über dem Kamptal" vorhersagte. Ihm war auch klar, dass diese ihre Prophezeiung nichts mit den Heiligen Drei Königen zu tun hat.
Dennoch machte sich ein kleine Gruppe Hilfs-Gourmands, ein flottes Lied summend, auf den Weg nach Hadersdorf am Kamp. Ihre Mitbringsel waren nicht Weihrauch und Myrrhe – was tatat ein Epikureer auch damit – sondern "Burgkh" und "Vosne-Romanée 1er Cru", "natürlich in dem Anlass entsprechenden Großgebinden", dankte Die Cuisinière dem mitreisenden Chef-Sommelier für die milde Gabe.
Die Perspektive vom aufgehenden Stern über dem Esslokal animierte Die Cuisinière und den Connaisseur, einer Runde bekannter Hilfs-Gourmands unter dem Motto "Testen mit den Besten" erneut edukativ auf den Gaumen zu fühlen.
Angeführt sollte die dem Stern vorauseilende Gourmet-Gruppe (der Einfachheit halber kurz GG genannt) natürlich von der Cuisinière werden. Was alleine schon deswegen am Kochlöffel liegt, war sie doch die erfolgreiche Vorgängerin des nunmehrigen Esslokal-Chefs im seinerzeit bekannten "Le Ciel" im Wiener Grand Hotel. Roland Huber kam nach dem Abgang der Cuisinière und blieb dort bis Anfang 2020. Im März desselben Jahres wollte er mit seiner Ehefrau Barbara ein eigenes Lokal eröffnen. Am Land, "wo die Kinder in einer anderen Atmosphäre aufwachsen", wie der Oberösterreicher und die Salzburgerin betonen.
Dass es sie nach Hadersdorf am Kamp verschlagen würde, war so nicht wirklich geplant, bot sich aber gut an. März ging im Annus horribilis natürlich nicht. Als der Plan gefasst wurde, ahnten die beiden nicht, dass die nächsten 24 Monate, nicht nur, aber speziell für die Gastronomie lebensgefährliche Schliessungen prägen würden.
Bereits nach dem ersten Lockdown, im Mai 2020, sperrten sie dann tatsächlich auf. Im Spoerri Haus am Hadersdorfer Hauptplatz, in einer pittoresken Kulisse.
Dass die beiden die sich mehrmals wiederholenden Sperren des Landes überlebt haben, zeigt ihre Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit – was wohl unmittelbar mit den hohen Qualitätsansprüchen der Hubers zusammenhängt.
Von deren Originalität und Kreativität konnte sich die GG gleich bei den Amuse Bouche ("Consommé, Garnelen-Tartelette und Gänseleber-Praline") überzeugen.
Ein erstes Schluckerl von Birgit Eichingers frischem "Grünen Veltliner Ried Wechselberg" (45 Euro) war der richtige Aperitif für die kommenden sechs Gänge; die mit 165 Euro einen mehr als fairer Preis für das Gebotene darstellen, merkte die GG beim Zahlen einige Stunden später unisono an.
Wie alle schwelgerischen Feinspitze machte die Neigungsgruppe "Genuss" aus den sechs gleich zwölf Gänge. Aber um nicht als Phäaken verschrien zu sein, wurden alle Gerichte jeweils mit dem Vis-à-vis-Sitzenden geteilt. Und Der Connaisseur konnte nur mit Not davon abgehalten werden, den Oskar Werner zu machen.
Mit diesem Ritual – "sharing is caring", zeigte sich Die Cuisinière polyglott – erwies die GG dem erst im November mit 94 Jahren verstorbenen Erfinder der Eat-Art ihre Referenz. Daniel Spoerri, dessen Kunstwerke nicht nur das Esslokal, sondern auch den eigenen Veranstaltungssaal im ersten Stock sowie den bezaubernden Innenhof schmücken, war wohl einer der bedeutendsten Vertreter der Objekt-Kunst und einer der Erfinder des Nouveau Réalisme.
Der "Bachsaibling" – "nicht nur wegen des Gin!?", wie Die Cuisinière dann spitz bemerkte – und der "Schwarzwurzel-Salat" als erste Gänge versetzten die launige Truppe an jenem sonnigen Winter-Freitag schon in helles Entzücken.
Dazu wurde die mitgebrachte – manche dürfen das – Magnum Grüner Veltliner "Burgkh" des Barroso so liebenden Weingarten-Besitzers, der auch schon in Istanbul, als der Imam in Ohnmacht fiel, nicht mit seiner Expertise geizte, ausgeschenkt. Wahrlich ein Smaragd!
"Topinambur" und "Camembert" beglückte die Runde erneut durch geschmackliche Vielfalt und einmalige Aromen: "eine unglaublich elegante Kombination!", war man sich einig.
Passend zum "Kagoshima Beef" wurde das zweite Mitbringsel, quasi das Gold für den Stern, der erst später über Hadersdorf niedergehen würde und nichts mit der Epiphanie zu tun hat, ausgeschenkt.
Die Verkostung des selbstverständlich bereits beim Eintreffen dekantierten "Vosne-Romanée 1er Cru" aus der Lage Les Beaux Monts der Domaine Jean-Jacques Confuron, erneut im Magnum-Gebinde, führte erneut zu hellem Entzücken. Chef Roland und Maître Barbara schlossen sich diesem Entzücken an, denn "diesen großartigen Burgunder aus dem Jahrgang 2012 bekommt man nicht oft", lobten sie den Weingarten-Besitzer.
Admiral Duck hat nichts gegen einen guten Roten
Seit den 90er-Jahren bezieht der Weißenkirchner vom Edelweingut Confuron seine Weine, kam aber nie dazu, sie auch selbst abzuholen. Weswegen stets Freunde diese heikle Fuhre übernahmen. Als in den mittleren 2000er-Jahren wieder ein Jahrgang abgeholt wurde, meinte Mademoiselle Confuron wegen der Namensgleichheit des Bestellers, ob es sich um den bekannten Österreicher handle? Und nach der Bejahung lächelnd festzustellen: "Das ist ein glückliches Land, wo unser Importeur so eine Position erlangt."
Der "Wolfsbarsch" und der "Sellerie", mittlerweile war man beim vierten Gang angelangt, verlangte dann nochmals kurz Weißwein-Begleitung. Man fügte sich großartig in das Gesamtbild.
Nach dem Service des "Perlhuhn", welches sogar Gegner des "Hendl-Fleisches", zumindest beim Huber, zu sich nehmen und des "Lammrücken" – beides "auf dem Punkt und exzellent" –, war dann kurz Zeit, um mit den Wirtsleuten über Rising Stars zu philosophieren.
Roland Huber erzählte aus seiner Zeit in Deutschland, wo, als wieder einmal die Tester unterwegs waren und die damalige Sternen-Zentrale in Karlsruhe war, die Jungköche bei verdächtigen Reservierungen die Parkgarage nach Karlsruher Kennzeichen absuchen mussten. "Herrlich – die Gastro ist schon manchmal eine spezielle Spezies", wirft Die Cuisinière ein.
Auf die Frage des Connaisseurs, dass er hier am Hadersdorfer Hauptplatz gar nicht in die Garage gehen müsste, lachte Huber verschmitzt und meinte: "Warten wir es ab. Ein Stern kommt – oder nicht." Außerdem wäre es nicht sein erster, denn auch im "Le Ciel" hat das Bibendum schon aufgeschlagen.
Die "Duftpelagonie" und die "Valrhona Araguani Schokolade" waren ein würdiger Abschluss, wären da nicht noch Petit Fours gewesen.
"Wir kommen sicher wieder!", sagte Der Connaisseur beim Abschied und hatte diesmal das letzte Wort, denn die bedauernswerte Cuisinière konnte mit Magengrippe nur aus der Entfernung dem Bacchanal folgen und ihre Ezzes geben. Dann wird der Stern – verdient wären eigentlich zwei – gefeiert.
PS: Übrigens endlich wieder mal selbst wird Die Cuisinière beim nächsten Spezial Pfeiffers GiG am Samstag, dem 1. März 2025 nachmittags im Kronbergers' den Kochlöffel schwingen! "Schauma, ob sie es noch kann", schmunzelt Der Connaisseur und glaubt, dass es noch ein paar wenige frei Plätze gäbe.
"Na Gott sei Dank bin ich nicht mehr auf der ewig langen Liste der diversen Guides", hat sie schlussendlich doch das allerletzte Wort.
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Die Cuisinière & Der Connaisseur
- Die Cuisinière und Der Connaisseur arbeiten schon länger projektweise zusammen, haben sich zusammengetan, um über das Essen zu reden. Und nun auch für Newsflix darüber zu schreiben. Es ist, wie es isst!
- Die Cuisinière ist Jacqueline Pfeiffer, Grand-Master Chef – bis vor kurzem Chef, jüngst She-Chef - genannt. War Kochlöffel in diversen Hauben- und Sterne-Hütten in Mitteleuropa ("Adlon", Gstaad, "Marc Veyrat" usw.), irgendwann "Köchin des Jahres" und hatte in den 10er-Jahren im Wiener "Le Ciel" (nach neuer Gault Millau-Zeitrechnung) vier Hauben erkocht. Nunmehr ist sie als Enjoyment-Consultant mit ihrem Pfeiffers GiG selbst kochend fast ausschließlich im diskreten gastronomischen Spitzenbereich oder als Beraterin unterwegs.
- Der Connaisseur heißt Wolfgang Fischer, war Journalist und Medienmanager, zehn Jahre CEO der Wiener Stadthalle, nunmehr Geschäftsführer der DDSG Blue Danube, bester Freund von Admiral Duck – und Gourmet wie Gourmand seit Jahrzehnten. Also ein klassisch übergewichtiger weiser alter Mann.