Neu im Kino

"The Book of Clarence": Black Jesus und seine 12 Hiphop-Bros

Der jüngste Bibelfilm des britischen Regisseurs Jeymes Samuel ist eine ebenso wilde wie überraschend hippe und stimmige Mischung verschiedener Genres. Ab Freitag im Kino.

US-Rapper und Schauspieler LaKeith Stanfield als titelgebender "Held" Clarence in "The Book of Clarence"
US-Rapper und Schauspieler LaKeith Stanfield als titelgebender "Held" Clarence in "The Book of Clarence"
Sony Pictures
Newsflix Redaktion
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Das Thema treibt Künstler und Kulturschaffende seit langem um: Was, wenn der Messias dunkelhäutig, eine "Person of Colour" gewesen wäre? Was würde das für den christlichen Glauben, überhaupt für die drei monotheistischen Weltrelegionen bedeuten? Immerhin spielt Jesus ja im Judentum und im Islam ebenso eine Rolle wie im Christentum.

Aber vor allem: Die über Jahrtausende erzählte Geschichte von der Überlegenheit weißer Menschen gegenüber allen anderen mit dunkleren Hautschattierungen, die häufig darauf aufbaut, dass Jesus als blonder Weißer das Role Model für den Herrenmenschen schlechthin darstellt, wäre damit endgültig vom Tisch. Man sieht schon: Jesus als Schwarzer, das birgt Zündstoff.

Neuer Film, neue Ausbaustufe Doch während in der Vergangenheit zwar der Heiland und gelegentlich auch der eine oder andere Jünger dunkelhäutig sein durfte, der Rest der Truppe aber so dargestellt war, wie man es aus dem Relgionsunterricht kennt, mischt der britische Regiseur Jeymes Samuel die Karten jetzt vollkommen neu. In "The Book of Clarence", seiner Adaption der Jesus-Geschichte, ist die gesamte Belegschaft des Films schwarz. Nur die römische Besatzungsmacht ist weiß – ein Schelm, wer dahinter eine Botschaft vermutet.

Wilde Mischung Wer jetzt allerdings denkt, "The Book of Clarence" ist ein tiefgründiger Arthouse-Film aus der Cineasten-Ecke, dem sei gesagt: weit daneben. Der Streifen, der am kommenden Freitag in den heimischen Kinos anlaufen wird, ist vielmehr eine wilde und teilweise recht krude Mischung verschiedener Genres und schwankt zwischen Slapstick, Komödie, Satire, Action, Drama, Bibel- und Erweckungsfilm. Ein reichlich ambitioniertes Programm also, die sich Regisseur Jeymes Samuel hier auferlegt hat – doch der Film ist überraschend unterhaltsam und versteht es gut, die Balance zu halten.

Clarence wer? Die – nicht ganz unkomplizierte – Handlung: Titelheld Clarence (US-Rapper LaKeith Stanfield) lebt in Jerusalem und finanziert seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Marihuana, sein Zwillingsbruder Thomas (ebenfalls Stanfield) ist hingegen rechtschaffen und einer der zwölf Jünger eines gewissen Jesus Christus, der in der von den Römern besetzten Stadt eine Glaubensgemeinschaft anführt und von seinen Anhängern als Messias gesehen wird. Die Brüder sind zerstritten und Clarence hält Jesus für einen Betrüger.

Ben Hur lässt grüßen Weil er bei einem Pferdewagenrennen (das wie eine Mischung aus "Ben Hur" und "Fast & Furious" wirkt) gegen Maria Magdalena (!) verloren hat, ist Clarence außerdem verschuldet und versucht nun, dieser Zwangslage zu entkommen, indem er der 13. Apostel von Jesus wird. Doch um das zu erreichen, muss er erst einmal seine guten Absichten unter Beweis stellen und eine ehrenvolle, mildtätige Handlung setzen. Also beschließt Clarence, gemeinsam mit seinen Kumpels Elijah und Zeke von den Römern gefangene Gladiatoren zu befreien …

    Clarence (LaKeith Stanfield, r.) und sein Kumpel Elijah (RJ Cyler)
    Clarence (LaKeith Stanfield, r.) und sein Kumpel Elijah (RJ Cyler)
    Sony Pictures
    1/7

    WTF!? Klingt wild, ist es auch. Umso mehr, da der Film, der u.a. von Rap-Superstar, Beyoncé-Ehemann und Selfmade-Milliardär Jay-Z produziert wurde, einen sehr heutigen Hiphop- und Soul-Soundtrack aufweist. Und obwohl "The Book of Clarence" wie eine bekiffte Mischung von Monty Pythons "Das Leben des Brian", dem Seventies-Blaxploitation-Hit "Shaft" und Quentin Tarantinos Selbstermächtigungs-Blutoper "Django Unchained" wirkt, kommt auch der biblische Aspekt keineswegs zu kurz, wenn die Geschichte zwischen Jesus und dem römischen Stadthalter Pontius Pilatus (James McAvoy) auf ihr unausweichliches Ende zusteuert (in dem auch "Sherlock"-Darsteller Benedict Cumberbatch einen kleinen aber feinen Auftritt hat).

    Ein neues Jesus-Bild Und so ist es die große Leistung von Regisseur Jeymes Samuel – er ist übrigens der jüngere Bruder von Soul-Superstar Seal – , dass sein Film nicht nur große Bilder und nachhaltige Eindrücke hinterlässt, sondern vor allem ein frisches Bild von Jesus Christus, das weitaus zeitgemäßer ist als jenes der meisten Bibelfilme bisher und gleichzeitig nicht den Kern des Glaubens aus dem Fokus verliert. Der Vergleich mit der US-Erfolgsserie "The Chosen", die in bislang vier Staffeln das Leben von Jesus und seinem Umfeld ebenso detailreich wie frisch und sympathisch, wenngleich auch wesentlich weniger exaltiert als "The Book of Clarence" erzählt, ist hier keineswegs verkehrt. Es geht um die Richtung, in die sich die Glaubenserzählung langfristig entwickelt.

    "Jerusalem" liegt in Italien Abschließend noch ein kleines Detail am Rande: Als Jerusalem ist in "The Book of Clarence" das süditalienische Städtchen Matera zu sehen. Mit seinen vielen kleinen, teils pittoresken Kalksteinhäusern sieht es wie eine Miniaturausgabe der Kapitale aller Weltreligionen aus. Weshalb hier bereits in der Vergangenheit vier andere Jesus-Filme entstanden sind. Und auch James Bond hatte in seinem bislang letzten Film "No Time To Die" eine wilde Verfolgungsjagd in den Gassen der Stadt – womit sich der Kreis zu "Clarence" und seinem actiongeladenen Pferdewagenrennen schließt.

    "The Book of Clarence", USA / GB 2023, 129 Minuten, ab 19. April im Kino

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