Erpressung, Menschenhandel, sexuelle Gewalt: Die Liste der Straftaten, die Sean Combs alias P. Diddy vorgeworfen werden, ist lang. In New York startete jetzt der Prozess gegen den Musiker – mit der Befragung seiner Ex-Lebensgefährtin. Was sie ausgesagt hat.
Seit vergangenem Montag steht in New York der Musiker und "Hip-Hop-Mogul" Sean "Diddy" Combs vor Gericht. Dem 55-Jährigen werden zahlreiche schwere Straftaten zur Last gelegt, darunter diverse Gewalttaten, Erpressung und Menschenhandel.
Die erste Prozesswoche stand ganz im Zeichen der Zeugenaussage von Casandra "Cassie" Ventura, der ehemaligen Lebensgefährtin von Sean Combs. Das Paar war von 2007 bis 2018 liiert. 2023 brachte Ventura eine Zivilklage wegen körperlicher Gewalt und sexuellem Missbrauch gegen Combs ein – und damit den "Fall Diddy" ins Rollen.
Es folgten weitere Vorwürfe von anderen Frauen – und auch Männern. Im März 2024 durchsuchte schließlich die Heimatschutzbehörde mehrere von Combs' Immobilien. Im Mai 2024 veröffentlichte CNN ein Video, in dem Combs zu sehen ist, wie er Cassie Ventura in einem Hotel brutal niederschlägt und über den Boden schleift.
Im September 2024 erhob schließlich die Bundesstaatsanwaltschaft Anklage. Combs sitzt seither in U-Haft ohne Kautions-Möglichkeit und muss sich nun vor Gericht verantworten. Was man über den Prozess wissen muss, wie die erste Prozesswoche lief:
Wer ist Sean "Diddy" Combs?
Der heute 55-Jährige wurde in Harlem, New York, geboren und stieg im Laufe der 1990er-Jahre zu einem der wichtigsten Hip-Hop-Produzenten der Welt auf. Combs, der auch selbst als Sänger und Musiker aktiv war, baute über die Jahre ein Musik-Imperium auf. Seine berüchtigten "Freak Off"-Partys waren ein beliebter Treffpunkt für Musik- und Filmstars. Da vermutet wird, dass auch im Rahmen dieser Feste Übergriffe stattfanden, stellt sich die Frage, wer was gewusst haben könnte – oder vielleicht sogar selbst beteiligt war.
Was wird Combs konkret vorgeworfen?
Neben den in mehreren Zivilklagen publik gewordenen Vorwürfen (sexueller) Gewalt, werden ihm von der Staatsanwaltschaft auch Menschenhandel und Erpressung vorgeworfen. Zudem soll ein Anwaltsteam über 120 weitere Opfer vertreten, die Combs diverse Übergriffe, auch sexueller Art, vorwerfen. 25 der mutmaßlichen Opfer sollen zum Zeitpunkt der Taten minderjährig gewesen sein.
Seit wann läuft der Prozess?
Offiziell seit dem 5. Mai, aber die intensive Phase der Verhandlung startete am Montag, dem 12. Mai, mit den Eröffnungsplädoyers der Anwälte. Seit Dienstag werden schließlich die ersten Zeugen einvernommen. Als "Kronzeugin" der Anklage gilt Combs' Ex-Lebensgefährtin Cassie Ventura, die von Dienstag bis inklusive Freitag befragt wurde.
Wer leitet den Prozess?
Den Vorsitz führt Bundesrichter Arun Subramanian. Der leitende Staatsanwalt ist Damian Williams, er hat die Anklage gegen Combs auch initiiert. Die Verteidigung besteht aus Brian Steel, Marc Agnifilo und Alexandra Shapiro, wobei Steel als Hauptverteidiger auftritt.
Wie liefen die ersten Zeugenbefragungen?
Cassie Ventura zeichnete bei ihrer Zeugenaussage ein Bild des Grauens von der Beziehung. Anfangs habe "Diddy" sie wirklich geliebt und bei ihrer Karriere als Musikerin unterstützt. Daher habe sie sich auch auf seine sexuellen Forderungen eingelassen. Dabei ging es oft darum, dass sie von ihm zum Sex mit anderen Männern gedrängt wurde, während Combs ihnen zuschaute. Mit der Zeit sei er immer gewalttätiger geworden uns habe gedroht, intime Aufnahmen von ihr zu veröffentlichen, wenn sie nicht weiter tun würde, was er anschaffte.
Es soll auch Berichte über Drogenmissbrauch geben?
Combs habe sie auch unter Drogen gesetzt, um sie gefügig zu machen, so Ventura. Auch Combs selbst hätte Drogen genommen, beide seien schwer Opioid-abhängig gewesen. Auch Ecstasy und Kokain seien im Spiel gewesen. Die Sexa-Orgien auf Drogen hätten oft mehrere Tage gedauert. 2016 sei Combs beinahe an einer Überdosis gestorben, so Ventura – ein Vorfall, das bisher nicht bekannt war.
Was berichtete Cassie Ventura noch?
"Diddy" hätte auch einige "Fetische" gehabt, so die Zeugin. Etwa ein Faible für Babyöl – die Teilnehmer an den Sex-Orgien mussten sich demnach regelmäßig damit einreiben, "bis alles glitzerte". Mehrfach drängte Combs, laut Venturas Aussage, andere Männer auch dazu, auf Ventura zu urinieren - oder hätte das selbst getan, ohne dass sie ihre Zustimmung gegeben hätte.
Was ist mit dem bekannt gewordenen Prügel-Video?
Szenen wie jene auf der bekannt gewordenen Video-Aufnahme (aus dem Jahr 2016, Anm.) sollen kein Einzelfall gewesen sein. Combs hätte sie immer wieder geschlagen und getreten, sagte Ventura. Bei einem dieser Gewaltausbrüche habe er sie zu Boden geworfen, sie geschlagen, hinter sich hergeschleift und sogar am Kopf getreten.
Sind weitere Details bekannt?
Schon am Beginn ihrer Beziehung im Jahr 2009 sei es bei einer Fahrt in einem SUV zu einem extremen Gewaltausbruch seinerseits gekommen, erzählte Ventura im Zeugenstand. "Er hat auf mein Gesicht eingetreten, die ganze Autofahrt war ein einziger Kampf", sagte sie aus. "Ich sprang aus dem Auto und rannte auf die Straße. Ich sah nicht mehr aus wie ich selbst – ich blutete, war völlig geschwollen und musste mich vor Schmerzen übergeben."
Gab es noch weitere Zeugenaussagen?
Neben Ventura wurde auch Daniel Phillips befragt, ein ehemaliger "Escort Boy". Er berichtete, dass ihn Combs wiederholt für "Sex-Orgien" engagiert hätte. Phillips musste dabei Cassie Ventura befriedigen, während Combs in der Ecke saß, den beiden zuschaute und masturbierte. Er gab auch zu Protokoll, dass er gesehen habe, wie "Diddy" gegenüber seiner damaligen Freundin gewalttätig geworden sei. Bei der Zeugenaussage des Escort Boy verließen zwei von Combs' Töchtern, die den Prozess beobachteten, schockiert den Saal.
Wurden auch Celebrities erwähnt?
In den Befragungen wurden laut Protokollen die Namen Britney Spears und Michael B. Jordan genannt. Die Sängerin soll bei einer Party anwesend gewesen sein, den Schauspieler verdächtigte Combs offenbar, eine Affäre mit Cassie Ventura gehabt zu haben. Im Prozess soll auch ein Video von Jennifer Lopez gezeigt worden sein, der früheren Lebensgefährtin von Combs. Seit langem kursieren Spekulationen darüber, was J.Lo gewusst haben könnte.
Wer muss aller vor dem Prozess zittern?
Ob auch Prominente vor Gericht erscheinen müssen, lässt sich bisher schwer sagen, da der Prozess gerade erst begonnen hat. Eine Schlüsselrolle könnte, wie erwähnt, Jennifer Lopez zukommen, die rund um das Jahr 2000 mit Sean Combs liiert gewesen ist. Bei Combs' berühmten "White Partys", die er jeden Sommer auf Long Island veranstaltete, standen auch Namen wie Jay Z, Beyoncé, Mariah Carey und Leonardo DiCaprio auf der Gästeliste. Nicht auszuschließen, dass der eine oder die andere in den Zeugenstand zitiert wird.
Was sagt eigentlich Sean Combs zu den Vorwürfen?
Er bestreitet bisher alles und sieht sich als Opfer von üblen Verleumdungen und Rachegelüsten seitens seiner Ex Cassie Ventura und anderer Frauen. Alle sexuellen Handlungen seinen einvernehmlich gewesen. Die Beziehung zu Ventura sei zwar "toxisch" gewesen und es sei zu Gewalt gekommen, jedoch nicht zu erzwungenem Sex. Die Verteidigung erklärte zudem, Ventura habe die Drogen freiwillig genommen, von Nötigung könne keine Rede sein. Als Beleg legten die Anwälte entsprechende Textnachrichten vor.
Wie geht es jetzt weiter?
Der Prozess ist auf acht bis zehn Wochen angesetzt. Die bisherigen Aussagen zeichnen ein schockierendes Bild von Machtmissbrauch durch einen Menschen, der sich offenbar für unantastbar hielt. Im Falle eines Schuldspruchs droht dem Rapper lebenslange Haft.