Gerichts-Posse

Warum Steirerin wirklich zwölf Mal denselben Mann heiratete

Zum Staunen: Wer eine Witwenpension bezieht, aber wieder heiratet, bekommt 35 Monatspensionen als Abfertigung. Auch mehrfach. Wir lernen: Wer bei der Liebe maßlos ist, spart Steuern.

Ab Oktober 1982 heiratete die Frau und ließ sich sehr rhythmisch scheiden
Ab Oktober 1982 heiratete die Frau und ließ sich sehr rhythmisch scheiden
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Christian Nusser
Akt. Uhr
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Kann man sich zwölf Mal in denselben Mann verlieben? Und ihn dazwischen zwölf Mal hassen? Wie läuft eine Trauung nach dem fünften oder sechsten Mal ab? Wie die Bestellung von Aperol Spritz in einer City-Bar? Also die Braut sagt nicht mehr "Ja", sondern "dasselbe wie beim letzten Mal, Herr Chef?" Ab wann zahlt sich die Herstellung eines Stempels aus, um nicht immer per Hand unterschreiben zu müssen? Lassen sich Standesämter per App mieten wie Tennisplätze und wird das mit der Zeit billiger, also "nimm fünf, zahl vier"? Fährt man immer ins selbe Land auf Hochzeitsreise und mietet gleich bei der Abreise das Zimmer fürs nächste Mal?

Es gibt viele Fragen, die sich ergeben, wenn man sich das Urteil 10ObS108/23i des Obersten Gerichtshofs (OGH) vom 12. März 2024 durchliest. Hans Peter Lehofer, Hofrat des Verwaltungsgerichtshofes und seit 2022 ebendort Senatspräsident, hat es dankenswerterweise auf X gestellt und mit Anregungen versehen, deswegen kann uns in diesem Fall niemand mehr ein X für ein U vormachen. Worum geht es in dem kuriosen Verfahren:

M* heiratet H*, und das sehr oft
Eine Steirerin verliert im November 1981 ihren Ehemann und bezieht ab da eine Witwenpension. Nicht ganz ein Jahr später heiratet die Frau (das Gericht kürzt sie mit M* ab) im Oktober 1982 aber einen neuen Mann (den kürzt das Gericht mit H* ab). Die Zuneigung von Frau M* zu Herrn H* weist eine gewisse Wankelmütigkeit auf, vielleicht ist es auch genau umgekehrt. Jedenfalls heiratet das Paar bis zum 29. November 2019 insgesamt zwölf Mal, lässt sich bis zum 18. Mai 2022 aber auch zwölf Mal scheiden, das eine scheint die Voraussetzung für das andere zu sein.

Kann man sich zwölf Mal ineinander verlieben?
Kann man sich zwölf Mal ineinander verlieben?
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Warum die Liebe nie lange hielt
"Die Scheidungen erfolgten jeweils wegen unheilbarer Zerrüttung, die unter anderem aufgrund des Berufs des Mannes als Fernfahrer entstanden ist. Seit mehr als 15 Jahren ist der Mann in Pension," schreibt das Oberstgericht. Auch daraus lässt sich eine gewisse Wankelmütigkeit ablesen, denn einmal ist es ehezersetztend, wenn der Mann viel weg ist, dann ist es wiederum ehezersetzend, wenn er viel da ist.

Leben die beiden zusammen?
Ja, und das schon seit 1982. Laut den Gerichtsunterlagen teilten sie sich die Kosten für die Wohnung, sie kochten auch teilweise gemeinsam. Zwischen den vielen Scheidungen und Ehelichungen unterzogen sich die beiden nicht der Mühe, sich eigene Wohnhöhlen zu suchen, sie lebten weiter zusammen, auch die Raumaufteilung blieb unverändert. Es gab sogar Sex, das Gericht nennt das etwas gschamig, es "bestand eine Geschlechtsgemeinschaft".

Warum diese dauernde Heiraterei nicht egal ist
Weil Frau M*, wie erwähnt, eine Witwenpension von der Pensionsversicherungsanstalt (PV) bezog und die erhält sie nur, wenn sie nicht verheiratet ist. Mit der Hochzeit erlischt der Anspruch.

Wie Frau H* 35 Pensionen kassierte
Im März 1988 ließ sich Frau M* erstmals von Herrn H* scheiden. Sie bekam von der PV nun wieder die Witwenpension bezahlt. Zweieinhalb Jahre später heiratete sie Herrn H* aber wieder, die Witwenpension fiel damit flach. Aber: "Im Fall einer Wiederverehelichung gebührt eine gesetzliche Abfertigung in der Höhe der 35-fachen Witwenpension", teil die PV mit. "Dies entspricht zweieinhalb Jahre Witwenpension inklusive Sonderzahlungen".

Kann man sich zwölf Mal scheidungsreif hassen?
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Warum zweieinhalb Jahre?
Das ist gesetzlich so vorgesehen. "Die Witwenpension lebt frühestens mit dem Monats-Ersten auf, der dem Ablauf von zweieinhalb Jahren nach dem Erlöschen des Anspruches folgt, auch wenn die Auflösung der neuerlichen Ehe davor stattfindet", schreibt die PVA. Heißt: Erst nach zweieinhalb Jahren Ehe und darauffolgender Scheidung kann man erneut Witwenpension beziehen. Das wurde jeweils penibel eingehalten.

Was heißt das?
Frau H* bekam also von der PV eine Art "Hochzeitsbonus" ausbezahlt – wie jede(r) andere in dieser Situation – einmal abgesehen davon, dass nicht jede(r) danach noch elf weitere Mal dieselbe oder denselben heiratet. Der "Hochzeitsbonus" besteht darin, dass man mit einem Schlag 35 Monatspensionen ausbezahlt bekommt. Wie viel das in diesem Fall war, will die PV aus Datenschutzgründen nicht sagen. Aber wenn die Witwenpension – Hausnummer – 1.000 Euro beträgt, dann landen 35.000 Euro am Konto.

Warum macht man das?
Nun ließe sich einwenden, Frau M* hätte ja einfach geschieden bleiben und bis zum Ende ihrer Tage mit Herrn H* in wilder oder unwilder Ehe zusammenleben können. Die Witwenpension hätte sie ja auch so erhalten. Ja, aber jetzt abseits aller Romantik, die manchen Ehen eben innewohnt: Beim "Hochzeitsbonus" handelt es sich juristisch um eine Abfertigung. Das heißt, es kommt nicht der volle Steuersatz zum Einsatz, das Gericht erwähnt hier 24 Prozent, sondern es sind nur höchstens sechs Prozent abzuführen. Das ist dann schon ein bisschen Geld. Auch weil man keine Krankenkassenbeiträge zahlen muss.

Wie viel Geld das ausmacht?
Das lässt sich nicht sagen, weil Datenschutz, Sie erinnern sich. Aber wenn wir im Beispiel mit den 1.000 Euro bleiben, dann beträgt der volle Steuersatz 8.400 Euro, der reduzierte 2.100 Euro. Pro Hochzeit bleiben also 6.300 Euro mehr übrig. Wenn Sie das zwölf Mal machen, schauen 75.600 Euro zusätzlich raus. Damit kann man nicht die Signa sanieren, aber Geld ist es auch.

Wie oft kann man Behörden auf der Nase herumtanzen?
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Warum ist das Treiben niemandem aufgefallen?
Das schaut komisch aus. Alle zweieinhalb Jahre wird die PV, wie bei einem Stichtag, von einer neuerlichen Eheschließung in Kenntnis gesetzt und es macht nicht klingelingeling? Nun ja. Die PV argumentiert mit dem Gesetz. "Bei Ehescheidungen nach § 55 EheG darf von Seiten der PV der Witwe kein böswilliges Betreiben unterstellt werden, auch wenn die Witwe sich mehrmals verehelicht und scheiden lässt". Beim zwölften Mal dann offenbar schon.

Wieso also jetzt die Klage?
Am 4. Juli 2022 hatte die Klägerin erneut den Antrag auf Bezug einer Witwenpension gestellt. Den lehnte die PV mit Bescheid vom 5. September 2022 ab. Begründung: Die mittlerweile zwölfte Scheidung vom Mann stelle eine "rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Scheidungsrechts" dar. Dagegen ging Frau M* gerichtlich vor. Das Erstgericht lehnte ihre Klage ab, deshalb wurde der OGH bemüht.

Wie urteilte nun der Oberste Gerichtshof?
Er folgte der Beurteilung des Erstgerichts. "Mangels Vorliegens aller Voraussetzungen für eine einvernehmliche Scheidung" bestehe "gar kein Rechtsanspruch darauf, geschieden zu werden". Das Urteil ist rechtskräftig, eine außerordentliche Revision dagegen nicht zulässig.

Wer ist jetzt eigentlich der Geschädigte?
Die PV nicht, es gab hier keine Überzahlungen. Frau M* hätte das Geld ja in voller Höhe bekommen, wenn sie nie mehr geheiratet hätte. Aber Finanzamt und Krankenkasse zahlten drauf. Der OGH wirft wohl auch deshalb die Frage auf, ob das Verhalten der Vielhochzeiter nicht auch "strafrechtlich relevant" sein könnte.

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