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Cop30

Weltklimagipfel: Warum noch mehr Bla Bla für Europa fatal wäre

Auf der Weltklimakonferenz geht es in dieser Woche um die Wurscht. Vor allem für Europa steht viel am Spiel. Der Kontinent droht zwischen dem Klimawandel-Leugner Trump und der neuen Energie-Supermacht China zerrieben zu werden. Was nun gefragt ist.

Während einer Demo in Belem, Brasilien, hält ein Demonstrant das erwünschte Motto der zweiten Konferenzwoche hoch
Während einer Demo in Belem, Brasilien, hält ein Demonstrant das erwünschte Motto der zweiten Konferenzwoche hochAPA-Images / AP / Joshua A. Bick
Katharina Rogenhofer
Akt. 18.11.2025 00:12 Uhr

Im brasilianischen Belém haben die entscheidenden Tage der COP30 begonnen. Doch auch in diesem Jahre zeichnet sich ab: Die Weltklimakonferenz ist mittlerweile nicht mehr der Ort für wirkliche ambitionierte Fortschritte in der globalen Klimapolitik.

In vergangenen Jahren wurden kaum noch Einigungen erzielt, die den Herausforderungen der Klimakrise gerecht werden. In diesem Jahr – im ersten Jahr der zweiten Amtsperiode von US-Präsident Donald Trump – wird das besonders deutlich.

Neben der berechtigten Kritik an der Anwesenheit zahlreicher fossiler Lobbyisten und der Bewegung indigener Menschen gegen ihre Macht auf der Klimakonferenz, fällt vor allem die Abwesenheit hochrangiger Vertreter:innen der USA auf der diesjährigen Konferenz auf. Es wird eine Verschiebung sichtbar, eine Erschütterung, die die Weltpolitik und Weltwirtschaft in den vergangenen Monaten erfahren hat.

Die USA stand – wenn auch sicherlich nicht immer berechtigt – lange für Demokratie, eine regelbasierte Ordnung und eine offene Wirtschaft. Europa hat davon profitiert. Zuletzt haben die USA auch die internationalen Klimadiplomatie vorangetrieben und im Ausbau von sauberer Energie und der Entwicklung von Zukunftstechnologien Meter gemacht.

Katharina Rogenhofer, Sprecherin und Vorständin, KONTEXT Institut für Klimafragen
Katharina Rogenhofer, Sprecherin und Vorständin, KONTEXT Institut für Klimafragen
Denise Hertel

Europa steht unter Druck

Diese USA sind vorerst Geschichte. Die Führung in Washington begünstigt nun die Autokraten dieser Welt, setzt auf das Recht des Stärkeren und errichtet mit Zöllen neue Barrieren. Trump hat dem Klimaschutz den Kampf angesagt und die Entwicklung von Zukunftstechnologien gebremst.

Die Folgen dieses Gezeitenwechsels bekommt auch Europa zu spüren. Das gilt nicht nur mit Blick auf die Zölle und die gemeinsame Sicherheitspolitik, sondern auch auf die Umwelt- und Klimapolitik. Trump verpflichtet die EU zu Öl- und Gasimporten und versucht, mit Druck ihm unliebsame EU-Regelungen, wie das Lieferkettengesetz, zu verhindern.

Dabei entwickeln sich die globalen Märkte genau in die andere Richtung. Ein neuer Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) zeigt, dass der globale Boom der erneuerbaren Energie das Ende des fossilen Zeitalters besiegeln wird. In den nächsten fünf Jahren wird weltweit mehr erneuerbare Energie installiert werden als in den vergangenen 40 Jahren. Ähnliche Entwicklungen zeichnen sich bei der E-Mobilität ab.

China setzt strategisch bereits viele Jahren auf diese Trends und wurde so Spitzenreiter vieler Zukunftstechnologien, wie E-Autos, Photovoltaik-Anlagen und Batterien. Als Antwort auf den US-Protektionismus setzt Peking aber auch zunehmend auf Abschottung und wirtschaftspolitische Konfrontation. Maßnahmen, wie die Exportbeschränkungen von kritischen Rohstoffen, bekommen auch wir schmerzhaft zu spüren.

Die erste Woche des Weltklimagipfels war von Protesten dominiert
Die erste Woche des Weltklimagipfels war von Protesten dominiert
APA-Images / AP / Andre Penner

Europa schadet sich selbst

Ein Vorteil der Weltklimakonferenz ist, dass sich alle Länder der Welt zumindest einmal im Jahr ernsthaft fragen müssen, welche Klimapolitik sie verfolgen wollen. Ganz unabhängig von der notwendigen Emissionsreduktion stehen Europa und Österreich jedoch zusätzlich vor der Entscheidung, welche Rolle wir künftig in der Welt spielen wollen: Wollen wir mit den USA unter Donald Trump bei den unterlegenen Technologien der fossilen Vergangenheit stehen bleiben und uns dafür weiterhin der Willkür der Öl- und Rohstoffexporteure ausliefern?

Oder wollen wir mit Pioniergeist und Klarheit eine saubere Zukunft herbeiführen – eine Zukunft der Unabhängigkeit und Selbstbestimmung mit enormen wirtschaftlichen Chancen?

Der Weg in diese saubere Zukunft wird allerdings sehr beschwerlich, wenn die EU ihren Mitgliedern künftig ermöglicht, sich von Teilen ihrer Klimaziele für viel Geld freizukaufen, anstatt diese Mittel in die eigene Ökologisierung zu stecken und damit Wertschöpfung im eigenen Land zu schaffen.

Die europäische Industrie wird nicht wettbewerbsfähiger, wenn Klimaziele künftig regelmäßig überprüft und abgeändert werden können oder wenn längst geltende Bestimmungen, wie die Ausweitung des Emissionshandels auf Verkehr und Heizen, kurzerhand verschoben werden. Denn eine Zickzack-Politik dieser Art verschleppt wichtige Anpassungen und ist Gift für jegliche Planungssicherheit für Unternehmen und Menschen.

COP30-Präsident Andre Correa do Lago hält ein Kleinkind der Munduruku-Ureinwohner im Arm, Mitglieder der Ipereg-Ayu-Bewegung hatten am Freitag den den Eingang zum Veranstaltungsort  blockiert
COP30-Präsident Andre Correa do Lago hält ein Kleinkind der Munduruku-Ureinwohner im Arm, Mitglieder der Ipereg-Ayu-Bewegung hatten am Freitag den den Eingang zum Veranstaltungsort  blockiert
APA-Images / AFP / PABLO PORCIUN

Und die Zukunft wird nicht in Europa gestaltet, wenn Industrie und Teile der Politik etwa bei der Frage nach Autoantrieben aktiv gegen den technischen Fortschritt und die globalen Märkte kämpfen und mit dem Verbrenner-Motor an den Technologien der fossilen Vergangenheit festhalten.

All das betrifft Debatten und Entscheidungen der jüngeren Vergangenheit, die der EU nicht aus Washington oder von sonstwo aufgezwungen wurden, sondern die sie selbst getroffen hat. Anstatt das große Ganze im Blick zu haben, dominieren Partikularinteressen einzelner Länder oder Industrien. Auf diese Weise geraten wir in die industrielle Bedeutungslosigkeit. Die Zukunft wird anderswo stattfinden.

Leider hat die österreichische Regierung hier auf EU-Ebene bisher nicht zu positiven Veränderungen beigetragen. Und auch hierzulande stehen überfällige Entscheidungen, wie ein ambitioniertes Klimagesetz mit klaren und verbindlichen Zielen, die Abschaffung von Abgasförderungen, die Reform der Energiegesetze oder eine wegweisende Industriestrategie, die auf Zukunftstechnologien und Kreislaufwirtschaft setzt, weiterhin aus.

Dänemark Königin Mary: Der Weltklimagipfel darf nicht zum Schaulaufen von Politikern und Prominenten verkommen
Dänemark Königin Mary: Der Weltklimagipfel darf nicht zum Schaulaufen von Politikern und Prominenten verkommen
Reuters

Europa ist nicht ohnmächtig

Wettbewerbsfähigkeit und Klimapolitik werden in Brüssel genauso wie in Wien wieder zunehmend gegeneinander ausgespielt. Die Transformation wäre viel zu kostspielig und Europas und Österreichs Einfluss auf die globalen Emissionen ohnehin nur gering, ist da zu hören. Das ist aber nicht nur eine Ausrede. Es ist auch faktisch nicht richtig.

Denn die EU ist erstaunlich stark darin, mit den eigenen Entscheidungen die Regeln der Weltwirtschaft und gar die Gesetze anderer Länder zu beeinflussen. Erstaunlich ist das deshalb, weil die EU dafür keine "Grand Strategy” verfolgt, in außenpolitischen Fragen meist uneinig agiert, in wesentlichen Bereichen von anderen abhängig ist und durch die globale Bevölkerungsentwicklung zunehmend an Bedeutung verliert.

Dennoch: Durch die schiere Größe des gemeinsamen Marktes mit knapp einer halben Milliarde vergleichsweise wohlhabender Konsument:innen passen viele global agierende Unternehmen ihr Angebot an EU-Regeln an. Das wiederum beeinflusst die Gesetze anderer Länder. Europa hat also weiterhin Einfluss in der Welt. Und Österreich hat Einfluss in Europa. Diesen Einfluss gilt es zu nutzen.

Norbert Totschnig, Minister für Landwirtschaft und Klimaschutz gleichermaßen, vertritt Österreich am Weltklimagipfel
Norbert Totschnig, Minister für Landwirtschaft und Klimaschutz gleichermaßen, vertritt Österreich am Weltklimagipfel
APA-Images / EXPA / Johann Groder

Europa muss sich entscheiden

In diesem Sinne ist die Weltklimakonferenz tatsächlich noch bedeutend: Viel wichtiger als die Kompromisse in der Schlusserklärung ist, dass sich Allianzen der Mutigen finden - Staaten und Regierung, die die Ökologisierung ihrer Wirtschaft und Gesellschaft als große Chance begreifen und so beim Kampf gegen die Klimakrise ambitioniert vorangehen. Hier sind Europa und Österreich gefordert.

Nur so kann die EU der Klimakrise und dem Trumpismus gleichzeitig etwas entgegensetzen. Nur so kann sie eine sauberen Zukunft in Unabhängigkeit und Selbstbestimmung mit enormen wirtschaftlichen Chancen und ein besseres Leben für alle Bewohner:innen garantieren.

Katharina Rogenhofer studierte Zoologie in Wien und "Biodiversity, Conservation and Management" an der Universität Oxford. Sie ist Initiatorin von FridaysForFuture Österreich, Autorin, war Sprecherin des Klimavolksbegehrens. Aktuell ist sie Vorständin des KONTEXT Institut für Klimafragen

Katharina Rogenhofer
Akt. 18.11.2025 00:12 Uhr