high-tech aus silicon valley

Wie Ikea jetzt mit KI das Einrichten smårt machen will

Ein neues Computer-Tool des schwedischen Möbel-Giganten nutzt Künstliche Intelligenz als Einrichtungsberater.

Mit der neuen App "Ikea Kreativ" können die eigenen Räume gescannt und virtuell neu eingerichtet werden. Für die Entwicklung der App kauften die Schweden ein Unternehmen in Silicon Valley.
Mit der neuen App "Ikea Kreativ" können die eigenen Räume gescannt und virtuell neu eingerichtet werden. Für die Entwicklung der App kauften die Schweden ein Unternehmen in Silicon Valley.
Ikea
Newsflix Redaktion
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Deutliche Preissteigerungen hatten zuletzt viele Ikea-Kunden vor den Kopf gestoßen. Nun will der schwedische Möbelriese gegensteuern – mit Preissenkungen und mehr High Tech.

"Ikea Kreativ" Zugegeben, es sieht gewöhnungsbedürftig aus, wenn man sein Handy mehrfach in Achterschleifen herum schwingt, damit die KI das Zimmer, in dem man gerade steht, scannen kann. Aber am Ende ist es den Aufwand definitiv wert, den es braucht, um das neueste High-Tech-Spielzeug des schwedischen Interior-Riesen zum Laufen zu bringen. "Ikea Kreativ" ist ein 3D-Raumplaner für Handy oder Computer, der den Kunden eine Technologie zur Verfügung stellt, die bisher vor allem im Hochpreissegment der Einrichtungsbranche zur Anwendung gekommen ist. Eine Idee von mehreren, mit denen sich die Schweden  für die Zukunft fit machen wollen.

Einrichten mit Künstlicher Intelligenz Dafür haben sich die Leute von Ikea Hilfe aus dem Mekka der High-Tech-Industrie geholt. "Wir haben ein Unternehmen im Silicon Valley übernommen, das mit uns die 'Ikea Kreativ'-Anwendung programmiert hat", plauderte dazu der Geschäftsführer des Möbel-Giganten, Jesper Brodin, im Gespräch mit der Schweizer "NZZ" aus der Fundgrube.

"Man kann ein Zimmer einscannen, einzelne vorhandene Möbelstücke entfernen und mit Ikea-Produkten neu einrichten", beschreibt Jesper Brodin die Funktion der App. Seit Mitte März ist die Anwendung auch in Österreich abrufbar, entweder in der Ikea-App fürs Handy, oder auf der Homepage des Einrichtungshauses. Und ein Selbstversuch der Newsflix-Redaktion hat gezeigt: die App funktioniert tatsächlich, wie es Ikea-Boss Brodin verspricht. Alter Schwede!

Das lackierte Beistelltischchen stammt aus dem Jahr 1968 und hörte seinerzeit auf den Namen "Pop". Als "Garnanäs" und mit einigen Adaptierungen kehrt das Möbel jetzt zurück in die Ikea-Kollektion "Nytillverkad"
Das lackierte Beistelltischchen stammt aus dem Jahr 1968 und hörte seinerzeit auf den Namen "Pop". Als "Garnanäs" und mit einigen Adaptierungen kehrt das Möbel jetzt zurück in die Ikea-Kollektion "Nytillverkad"
Ikea

Etwas Neues, etwas Altes, etwas Geborgtes Aber das neue High-Tech-Spielzeug ist nur eine Strategie, mit der man den Möbelhändler fit machen möchte für die Zukunft. Eine Weitere ist die Rückbesinnung auf Design-Highlights aus der Ikea-Vergangenheit. "Möbelstücke, die wir in den 1970er-Jahren im Sortiment hatten, werden zur Zeit online zu extrem hohen Preisen verkauft", so Ikea-Geschäftsführer Jesper Brodin im Interview der "NZZ" weiter. "Wir beobachten, welche Teile das sind, und überlegen, einzelne Artikel zurückzubringen."  

Beim Überlegen soll es nicht bleiben. Aktuell ist die bereits vierte "Nytillverkad"-Kollektion im Handel, wobei der schwedische Zungenbrecher auf Deutsch nicht viel mehr heißt als "Neu hergestellt". Dabei werden Neuauflagen von Ikea-Designklassikern von den späten 1950ern bis zu den frühen 1990ern angeboten, für die im Original inzwischen teilweise viele hundert Euro bezahlt werden.

Secondhand-Möbel Und auch den Möbelmarkt aus zweiter Hand will man weiter bedienen. Brodin: "Das ist ein Bereich, der immer größer wird. Teilweise haben wir höhere Marktanteile im Secondhand-Bereich als im primären Möbelmarkt." In Österreich läuft dieser Zweig unter dem Slogan "Zweites Leben" und wird sowohl in den Ikea-Häusern, als auch online bedient.

Jesper Brodin arbeitet seit 20 Jahren bei Ikea, seit 2017 ist er CEO des schwedischen Interior-Riesen.
Jesper Brodin arbeitet seit 20 Jahren bei Ikea, seit 2017 ist er CEO des schwedischen Interior-Riesen.
Picturedesk

Für den obersten Ikea-Manager, der als Assistent von Ikea-Gründer Ingvar Kamprad startete, ist damit nicht Schluss. Im "NZZ"-Interview sprach Jesper Brodin auch über:

… den Glauben an den Online-Handel

"Wir haben erst 2017 entschieden, all unsere Produkte online anzubieten – zum Glück, denn bald darauf kam die Pandemie. Da hat der Online-Handel uns natürlich gerettet. Heute machen wir etwa 25 Prozent unseres Absatzes online und denken nicht, dass es noch sehr viel mehr sein wird." 

… neue Shop-Konzepte wie am Wiener Westbahnhof

"Vor allem in großen Städten, wo viele Leute kein Auto haben, wollen wir vermehrt auch Möbel in den Innenstädten verkaufen. Einen solchen 'kleinen' Laden haben wir zum Beispiel in der Wiener Innenstadt, ein geschäft mit fünf Stockwerken – immer noch kleiner als unsere normalen Möbelhäuser."

… Ikea-Möbel, die man beim Umzug mitnimmt

"Als Ikea angefangen hat, Möbel zu verkaufen, die man zu Hause selbst zusammenbaut, wurden diese nicht notwendigerweise dafür konzipiert, dass man sie danach wieder abbaut und mit ihnen umzieht. Sie haben Umzüge oft nicht gut verkraftet und waren nach dem zweiten oder dritten Mal Aufbauen nicht mehr so stabil. Wir investieren darum viel Geld in die Entwicklung neuer Aufbausysteme, die zum Beispiel mit Klick-Mechanismen funktionieren. Das kann die Lebensdauer zusätzlich verlängern."

Wir investieren darum viel Geld in die Entwicklung neuer Aufbausysteme, das kann die Lebensdauer zusätzlich verlängern
Ikea-Chef Jesper Brodin über stabilere Möbel

… Preissenkungen, weil Kunden weniger Geld haben

"In schwierigen Zeiten kommen mehr Kunden zu uns. Das haben wir schon nach der Wirtschaftskrise 2008 so gesehen: Wenn die Zeiten finanziell angespannt sind, wachsen unsere Marktanteile oft schneller. Aber trotzdem haben viele Ikea-Kunden weniger Geld, und wir möchten sie so gut wie möglich durch Preissenkungen unterstützen."

… wie Ikea die Emissionen senken will

"2016 haben wir uns vorgenommen, unsere Emissionen bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren. Bisher haben wir über 24 Prozent geschafft, obwohl wir im gleichen Zeitraum um 30,9 Prozent gewachsen sind."

... Warum Klimaschutz so schwer fällt

"68 Prozent unserer Kunden machen sich grosse Sorgen wegen des Klimawandels. Aber wenn sie gefragt werden, ob sie bereit sind, mehr dafür zu bezahlen, sagen nur 6 Prozent Ja. Und zwar nicht, weil sie ignorant sind, sondern, weil sie das Geld nicht haben."

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