Explosive Mischung

Wie reagiert der Ölpreis auf die Gewalt im Mittleren Osten?

Noch verhalten sich die Märkte moderat. Aber Andrew Bailey, Gouverneur der Bank of England, warnt im "Guardian" vor einem Energieschock wie in den 1970er-Jahren. Geld-Profi Monika Rosen über die Lage, die Gründe und was droht.

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Am 7. Oktober jährte sich der Überfall der Hamas auf Israel zum ersten Mal, und noch ist kein Ende der Gewalt im Mittleren Osten in Sicht, im Gegenteil. Die Gefahr einer direkten Konfrontation zwischen Israel und dem Iran nimmt immer bedrohlichere Formen an.

Neben dem großen menschlichen Leid, das der Konflikt mit sich bringt, sind auch die möglichen wirtschaftlichen Folgen enorm. Knapp ein Drittel der weltweiten Ölproduktion kommen aus dem Mittleren Osten. Sollten Förderanlagen zum Ziel von Angriffen werden, gäbe es für den Ölpreis nur eine Richtung, nämlich nach oben. Das wiederum könnte ungeahnte Folgen für den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl haben.

Monika Rosen war über 20 Jahre lang Chefanalystin im Private Banking einer österreichischen Großbank. Sie ist auch Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft
Monika Rosen war über 20 Jahre lang Chefanalystin im Private Banking einer österreichischen Großbank. Sie ist auch Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft
Helmut Graf

Noch reagieren die Finanzmärkte auf die Drohkulisse relativ ruhig, manche Beobachter sagen auch, zu ruhig. Welche Szenarien sind hier denkbar, und was wären die möglichen Auswirkungen auf den Ölpreis und die Finanzmärkte? Das müssen Sie jetzt wissen:

Was waren die bisherigen Auswirkungen des Konflikts auf den Ölpreis?
Schon im April gab es den ersten Angriff des Iran auf Israel, zuletzt erlebte der Konflikt eine neuerliche Eskalation. Die Auswirkungen auf den Ölpreis sind, gemessen an der Schwere der Ereignisse, bis jetzt überschaubar. In der abgelaufenen Woche legte der Ölpreis um rund 9 Prozent zu. Das ist zwar spürbar, aber beileibe noch kein Extremszenario. Zum Vergleich: zu Jahresbeginn 2022, beim Ausbruch des Krieges in der Ukraine, stieg der Ölpreis um rund 30 Prozent.

Warum fällt die Reaktion der Märkte vergleichsweise moderat aus?
Weil bis jetzt keine Fördereinrichtungen betroffen sind. Die Märkte verfolgen derzeit offenbar die Strategie: das preisen wir ein, wenn es soweit ist. Bis dahin gehen wir von "Business as Usual" aus.

Der Kreuzer USS Shiloh und das Patrouillenschiff USS Whirlwind in der Straße von Hormuz
Der Kreuzer USS Shiloh und das Patrouillenschiff USS Whirlwind in der Straße von Hormuz
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Nimmt man das Ganze nicht etwas auf die leichte Schulter?
Ja, es gibt durchaus Analysten, die dieser Meinung sind. Wenn Israel einen Angriff auf die Förderanlagen des Iran startet, könnten im schlimmsten Fall bis zu 4 Prozent der weltweiten Ölproduktion ausfallen. Goldman Sachs meint in einer Analyse, ein derartiges Szenario könnte den Ölpreis um 20 Dollar nach oben schießen lassen.

Das ist aber noch nicht das größte Horror-Szenario, oder?
Nein, das wäre eindeutig eine Sperre der Straße von Hormus. Durch diese Meerenge, die im Norden vom Iran begrenzt wird, fließen über 20 Prozent des Erdöls weltweit. Sollte dieses Nadelöhr im Zuge des Konflikts gesperrt werden – eine Drohung, die immer wieder im Raum steht –, könnte das ungeahnte Folge für den Ölpreis haben (Details zum Öltransport durch die Straße von Hormus auf der Seite des US Energieministeriums)

Kann man diese "ungeahnten Folgen" beziffern?
Die Schätzungen gehen hier deutlich auseinander. Eine gängige Annahme geht von einem sofortigen Anstieg des Ölpreises um rund 30 Dollar aus. Da wären wir also bei knapp über 100 Dollar. Da wir aber derzeit am Rande eines Krieges im Mittleren Osten stehen, gibt es auch dramatischere Prognosen, die von Werten um die 200 Dollar sprechen.

Ein Nahostkrieg und die Sperre der Straße von Hormuz könnten Tanken empfindlich teurer machen
Ein Nahostkrieg und die Sperre der Straße von Hormuz könnten Tanken empfindlich teurer machen
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Sollten die Förderanlagen des Iran ganz oder teilweise ausfallen, könnten andere Länder kurzfristig einspringen?
Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait wären hier zu nennen. Sie könnten zusammen fast das Dreifache dessen, was der Iran derzeit produziert, kurzfristig (innerhalb von bis zu 60 Tagen) auf den Markt bringen. Allerdings müsste diese "Ersatz-Menge" ganz oder zumindest teilweise über die Straße von Hormus transportiert werden …

Die USA sind bei dem Thema ja nicht ganz unbeteiligt. Warum?
Weil dort in weniger als einem Monat gewählt wird. Die Autofahrernation USA schaut natürlich gebannt auf die Preistafel an der Tankstelle. Ein Anstieg im Öl- und damit im Benzinpreis wäre vor allem für die Demokraten, die derzeit das Weiße Haus innehaben, von Nachteil. Es gibt Studien, die zeigen, dass sich Benzinpreis und Beliebtheit von US Präsidenten gegenläufig zueinander bewegen. Ein steigender Benzinpreis lässt die Beliebtheitswerte des Präsidenten sinken … und umgekehrt (hier zum Nachlesen).

Ölaktien sind die Gewinner der Situation: Ein Aktienhändler an der New Yorker Börse
Ölaktien sind die Gewinner der Situation: Ein Aktienhändler an der New Yorker Börse
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Und was heißt all das jetzt für die Aktienmärkte?
Bis jetzt haben die Märkte auf die Spirale der Gewalt im Mittleren Osten nicht wirklich reagiert, wenn man vom Anstieg des Ölpreises absieht. Das kann sich schlagartig ändern, sollte die Bedrohung weiter zunehmen. Dann kämen die Aktienmärkte sicher unter Druck.

Gibt es auch einen Sektor, der profitiert?
Ja, Öl-Aktien … die sind in der Vorwoche um rund 7 Prozent angesprungen. Langfristig zeigt der Sektor wenig Korrelation zu den anderen Aktien, namentlich zu Tech. Das heißt, Tech-Aktien und Ölwerte bewegen sich meist in entgegengesetzte Richtungen. Damit eignet sich der Ölsektor gut, um das Portfolio breiter aufzustellen. Allerdings darf man sich keine Wunder erwarten: Tech ist derzeit im US Leitindex S&P 500 mit rund 40 Prozent gewichtet, Energie dagegen nur mit knapp 4 Prozent. Hier tritt also David gegen Goliath an ….

Monika Rosen war mehr als 20 Jahre bei einer heimischen Großbank tätig, ist Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft und gefragte Spezialistin rund um alle Geldthemen

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