MONIKA ROSEN

Wieso Zocker-Aktien ein (kurzzeitiges) Comeback feiern

Phänomen Meme-Stocks: Geld-Expertin Monika Rosen erklärt, wie sie funktionieren und warum es ein Match David gegen Goliath ist.

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Erinnern Sie sich noch an die GameStop Saga? Anfang 2021 wurde in den sozialen Netzen zum Kauf einer bis dahin reichlich obskuren Aktie aufgerufen. Deren Wert verzehnfachte sich in der Folge. Das Phänomen ging unter dem Sammelbegriff "Meme-Stocks" ("Meme-Aktien") in die Geschichte ein. Im Mai 2024 folgte nun Teil zwei der Saga, wieder stieg GameStop innerhalb kürzester Zeit und ohne fundamentalen Anlass in lichte Höhen. Was geht da vor?

Was sind überhaupt Memes?
Die etwas Jüngeren werden jetzt vielleicht lachen, aber: Heute versteht man darunter pfiffige Fotos oder Videos, die über die sozialen Medien verbreitet werden. Oft steht ein launiger Satz dabei. Memes (ausgesprochen „Miems“) gab es schon vor der Zeit des Internets, aber nun lassen sie sich via Social Media wunderbar verbreiten.

Was ist nun ein Meme-Stock?
Eine eingängige Definition stammt von "American Express": Bei Meme-Stocks handelt es sich um Aktien, die in den sozialen Medien gepusht werden und deren Handelsvolumen unabhängig von der Unternehmensleistung steigt. Sie unterliegen starken, meist kurzfristigen Kursschwankungen und bergen hohe Risken. Zu den bekanntesten Beispielen für Meme-Stocks gehört GameStop, eine US Einzelhandelskette für Computerspiele. Mehr dazu finden Sie hier.

Monika Rosen war über 20 Jahre lang Chefanalystin im Private Banking einer österreichischen Großbank. Sie ist auch Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft
Monika Rosen war über 20 Jahre lang Chefanalystin im Private Banking einer österreichischen Großbank. Sie ist auch Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft
Helmut Graf

Was unterscheidet Meme-Stocks von klassischen Aktien?
Weitgehend alles. Wer mit Aktien zu tun hat, analysiert, schaut sich Unternehmen genau an, die Bücher, das Potential, durchleuchtet alles. Meme-Stocks hingegen werden von Online-Fangemeinden in die Höhe getrieben, unerwartet und schnell.

Warum kommt mir das irgendwie bekannt vor?
Vermutlich weil Netflix sich des Themas angenommen hat und 2022 die Doku-Serie "Eat the Rich" auf den Markt brachte. Inhalt: eine Gruppe Hobby-Anleger versucht, die Wall Street mit ihren eigenen Waffen zu schlagen (hier die Trailer anschauen). Es gab drei Episoden, Darsteller waren keine Schauspieler, sondern tatsächliche Hobby-Trader. Auch ein Kino-Doku gab es 2022 dazu, die allerdings fast nur in den USA lief: "GameStop: Rise of the Players".

Wann kamen Meme-Stocks erstmals so richtig in die Schlagzeilen?
Im Jänner 2021 erreichte das Phänomen rund um GameStop seinen Höhepunkt. In einem Online-Forum wurden Retail-Anleger, also Privat- und Kleininvestoren, dazu aufgerufen, die Aktie von GameStop zu kaufen. Das sollte jene institutionellen Anleger unter Druck bringen, die bei dem Papier auf fallende Kurse gesetzt hatten.

Das sind die sogenannten Short Seller oder Leerverkäufer?
Ja. Short Seller bzw. Leerverkäufer folgen nicht dem klassischen Bild des Anlegers, der eine Aktie kauft in der Erwartung, dass sie steigt. Short Seller, wie der Name schon sagt, verkaufen die Aktie (die sie sich vorher geliehen haben) und setzen darauf, dass der Kurs fällt. Wenn er das tatsächlich tut, kaufen sie die Aktie billiger zurück und kassieren die Differenz zum ursprünglichen, höheren Kurs. Im Idealfall verkaufen sie also zunächst teuer und kaufen dann, nach erfolgtem Kursrückgang, billiger zurück.

Die Geschichte der Online-Zocker wurde für Netflix unter dem Titel "Eat the Rich" verfilmt
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Bei den Meme-Stocks geht es also darum, die Short Seller in die Knie zu zwingen?
Ja, das Ganze hat etwas von David gegen Goliath. Die Käufer von Meme-Stocks wollten zeigen, dass auch sogenannte "Kleinanleger" gegen die großen Institutionen etwas ausrichten können. In diesem Fall waren die Short Seller der eigentliche Gegner. Sie gehören zu den unbeliebtesten Marktteilnehmern an der Wall Street. Elon Musk hat sie beispielsweise immer wieder heftig kritisiert. Man wirft ihnen vor, von den Schwierigkeiten eines Unternehmens zu profitieren. Die Short Seller selbst führen allerdings ins Treffen, dass sie zu viel Euphorie in einer Aktie verhindern.

Wie sah nun das Kräfteverhältnis zwischen den Short Sellern und den Käufern von Meme-Stocks 2021 aus?
Die Ansage lautete wie gesagt: Die Aktie von GameStop kaufen und damit den Kurs in die Höhe treiben. Dadurch geraten à la longue die Short Seller unter Druck, denn irgendwann müssen sie ihre Positionen schließen, das heißt sie müssen teurer kaufen, als sie verkauft haben, wodurch sie einen Verlust einfahren. Zunächst lief alles in Richtung der Meme-Stock-Käufer: große Hedgefonds, die sich bei der Aktie von GameStop als Short Seller betätigt hatten, gerieten durch die steigenden Kurse in Schieflage und brauchten am Schluss Kapitalspritzen in Milliardenhöhe.

Und was geschah dann?
Wenig überraschend konnten die Meme-Stocks ihre Kursanstiege auf Dauer nicht halten. GameStop notierte zu Jahresbeginn 2021 bei rund 5 Dollar, innerhalb eines Monats erreichte der Hype seinen Höhepunkt und der Kurs war auf 81 Dollar gestiegen. In Wellen ging es danach bergab, im April diesen Jahres waren sie wieder auf 10 Dollar gefallen.

Der Dokufilm "Gamestop: Rise of the Players" kam 2022 in die US-Kinos
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Und heuer im Mai wiederholte sich die Geschichte?
Naja, nicht ganz. Der Kurs von GameStop stieg nach einem entsprechenden Aufruf im Internet zwar wieder an, erreichte aber nicht mehr annähernd die alten Höchststände. In der Spitze Mitte Mai notierte das Papier bei knapp 50 Dollar, innerhalb von drei Tagen waren wir wieder bei 21 Dollar angelangt. Und was die Fundamentaldaten anlangt, so haben die Short Seller auf alle Fälle ein Argument. Das Unternehmen steckt tief in den roten Zahlen und hat zuletzt eine weitere Gewinnwarnung ausgesprochen.

Meme-Stocks sind also nichts für schwache Nerven?
Nein, sicher nicht. Man sollte sich des hochspekulativen Charakters dieses Phänomens bewusst sein. Eine langfristige, wohlüberlegte Investmentstrategie sieht sicher anders aus.

Monika Rosen war mehr als 20 Jahre bei einer heimischen Großbank tätig, ist Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft und gefragte Spezialistin rund um alle Geldthemen

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