Am 5. Juli startet die 112. Tour de France, das berühmteste Radrennen der Welt. Welche Etappen besonders heikel sind, was die Fahrer in Paris erwartet und wie die Chancen für Österreichs Überflieger Felix Gall stehen. Das sollte man über die Tour 2025 wissen.
3.338,8 Kilometer und 52.500 Höhenmeter in 21 Tagen: Das sind – in nackten Zahlen – die Herausforderungen, an denen sich das 184 Mann starke Teilnehmerfeld der diesjährigen Tour de France ab Samstag, dem 5. Juli, abarbeiten wird.
Die aus österreichischer Sicht heuer bedeutendste Frage: Kann der Osttiroler Felix Gall nach einer eher durchwachsenen Tour 2024 (Gesamtrang 14), an seine Glanzleistung von 2023 anschließen? Vor zwei Jahren gewann er quasi aus dem Nichts die Königsetappe auf den 2.304 Meter hohen Col de la Loze in den Alpen und wurde im Gesamtklassement Achter. Der 27-Jährige geht heuer erstmals als Kapitän seines Decathlon-Teams auf die "große Schleife", Überraschungen sind also durchaus denkbar.
Aber auch ohne rot-weiß-rote Brille ist das bedeutendste Radrennen der Welt Jahr für Jahr ein Erlebnis. Bei dem trotz aller Modernität auch heute noch die DNA seiner mehr als 120-jährigen Geschichte zu spüren ist. Eine Etappe Wissen zur Tour:
Worum geht es?
Um das bedeutendste Radrennen der Welt. Die Tour de France ist für Radrennfahrer, was für Fußballer der WM-Titel oder für Skifahrer die Streif ist: das Maß aller Dinge. Wer hier einmal gewonnen hat, der darf sich zu den ganz Großen zählen.
Was macht die Tour de France so besonders?
Wer die Tour gewinnen will, muss ein kompletter Radsportler sein. Er sollte im Feld fahren können (der französische Fachbegriff dafür ist Peloton), muss alleine Tempo machen können, das Zeitfahren beherrschen und vor allem ein ausgezeichneter Bergfahrer sein. Und das alles auf Höchstdrehzahl, und zwar drei Wochen am Stück.
Gibt es gar keine Pausen dazwischen?
Es gibt zwei Ruhetage, ansonsten wird jeden Tag gefahren. Die längste Etappe führt heuer über 209 Kilometer. Und das alles in den heißesten Wochen des Jahres.
Findet die Tour immer im Juli statt?
Ja, es gab bislang nur eine einzige Ausnahme: Im Corona-Jahr 2020 wurde die Tour erst Ende August gestartet und ging bis 20. September.
Gibt es vergleichbare Rennen?
Der Giro d'Italia, der im Mai gefahren wird, und die Spanien-Rundfahrt Vuelta, die ab Ende August stattfindet. Zusammen gelten diese Rundfahrten als "Die großen 3" des Radrennsports.
Wie viele Teilnehmer dürfen bei der Tour mitfahren?
Jedes Jahr sind es etwa 180 Teilnehmer. Heuer sind 23 Teams mit je 8 Fahrern, also insgesamt 184 Fahrer gemeldet.
Und wie viele Zuschauer gibt es?
Entlang der Strecke sind es pro Jahr zwischen zehn und zwölf Millionen Menschen, die den Fahrern zujubeln. Die TV-Übertragung wird weltweit von 150 bis 200 Millionen Zuschauern gesehen, dazu kommen noch einmal etwa 50 Millionen Kontakte im Internet. Damit ist die Tour de France, gemessen an den Zuschauerzahlen, das drittgrößte Sportereignis der Welt, nach den Olympischen Spielen und der Fußball-Weltmeisterschaft.
Wann wurde die erste Tour de France veranstaltet?
Im Jahr 1903. Die Idee dazu stammte von einem Journalisten, der vorschlug, mehrere Radrennen hintereinander zu veranstalten und die Zeiten all dieser Rennen zu addieren, um am Ende einen Sieger zu ermitteln. Damit war das erste Etappenrennen der Welt geboren.
Und seither findet die Tour jedes Jahr statt?
Es gab zwei Unterbrechungen: Während des 1. Weltkriegs von 1915 bis 1918 und während des 2. Weltkriegs von 1940 bis 1946. Das heißt, heuer findet die 112. Auflage der Tour de France statt.
Wie lange dauert die Tour heuer?
Die Tour de France startet am Samstag, dem 5. Juli, mit einer 185 Kilometer langen Etappe rund um die Stadt Lille. Die 21. und letzte Etappe findet am 27. Juli statt, sie führt von Mantes-la Ville nach Paris, wo die Tour mit einem Sprint auf den Champs-Élyssée endet.
Geht die Tour de France immer in Paris zu Ende?
Ja, es gab bislang nur eine Ausnahme: 2024 endete die Tour in Nizza, da man sich in Paris auf die kurz danach startenden Olympischen Sommerspiele vorbereitete und weite Teile der Innenstadt deshalb gesperrt waren.
Wie viele Etappen gibt es heuer?
Es sind 21 Etappen, die Gesamtdistanz beträgt 3.338,8 Kilometer. Dabei müssen 52.500 Höhenmeter bezwungen werden. Es gibt heuer zwei Zeitfahren, sieben Flachetappen, sechs hügelige Etappen und sechs Bergetappen in den Alpen und den Pyrenäen, wobei die Etappenziele fünf Mal auf dem Gipfel eines Berges sind – das nennt man Bergankunft. Dazwischen gibt es 2 Ruhetage.
Welches sind heuer die interessantesten Etappen?
In der ersten Tour-Woche dominieren Flach-Etappen, bei denen die Sprinter zum Zug kommen, die Klassement-Fahrer (also jene, die auf eine gute Platzierung im Gesamtklassement gehen) halten sich da noch bedeckt. Die erste Schlüsseletappe wird die 5. Etappe sein, ein Einzelzeitfahren.
Wann geht es so richtig los?
Der erste Schlagabtausch der Favoriten wird bei der 10. Etappe am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, erwartet, wo es erstmals ins Gebirge geht. Die 13. Etappe bietet ein Bergzeitfahren in den Pyrenäen, auf der 16. Etappe wird der mythische Mont Ventoux bezwungen. Hier könnte eine Vorentscheidung fallen. Das Finale steigt auf den beiden Hochgebirgs-Etappen 18 und 19, den sogenannten "Königsetappen" der Tour.
Und die letzte Etappe in Paris?
Dafür hat man sich heuer etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Erstmals wird nicht nur die Champs-Élyssée rauf und runter gefahren, sondern es geht vorher noch drei Mal über den Montmartre im Norden der Metropole, wo bei jeder Überfahrt der 128 Meter hohen Erhebung eine Bergwertung stattfindet. Das garantiert noch einmal Spannung, denn die Strecke hier besteht aus altmodischem Kopfsteinpflaster, das die Fahrkünste der Athleten herausfordert.
Fährt man jedes Jahr die selbe Strecke?
Nein, ganz im Gegenteil. Die Streckenführung ändert sich jedes Jahr. Es gibt nur einige wenige Fixpunkte: Das ist immer Paris, wo die Tour endet, das sind die Alpen und die Pyrenäen. Sonst ist der Tour-Direktor, der die Gesamtverantwortung für die Rundfahrt trägt, relativ frei in der Gestaltung der Streckenführung und kann auswählen. Denn unzählige Orte reißen sich darum, Etappenziel zu sein.
Und wird immer nur in Frankreich gefahren?
Nein, es beginnen oder enden immer wieder einzelne Etappen im benachbarten Ausland, in manchen Jahren werden auch etwa Zeitfahren in Städten oder Regionen angesetzt, die gar nicht direkt an Frankreich grenzen. Heuer ist es allerdings tatsächlich so, dass die Tour nach vielen Jahren wieder ausschließlich auf französischem Staatsgebiet stattfindet.
Was hat es mit dem Gelben Trikot auf sich?
Erfolge werden bei der Tour durch die Farbe der Trikots symbolisiert: Der Gesamtführende trägt Gelb - und das Ziel der Gesamtklassement-Fahrer ist, Paris "in Gelb" zu erreichen. Außerdem gibt es Trikots bzw. Preise für den besten Bergfahrer (gepunktetes Trikot) und den besten Sprinter (grünes Trikot), die am Ende der Rundfahrt abgerechnet werden. Dazu werden bei Bergetappen bzw. bei Sprint-Ankünften jeweils Punkte vergeben, die addiert werden.
Wer gewann die Tour bisher am häufigsten?
Der Amerikaner Lance Armstrong siegte zwischen 1999 und 2005 insgesamt sieben Mal en suite. Allerdings wurden ihm alle seine Tour-Siege nachträglich wegen Dopings aberkannt. Daher gelten heute der Franzose Jacques Anquetil (1957, 1961-1964), sein Landsmann Bernard Hinault (1978, 1979, 1981, 1982, 1985), der Belgier Eddy Merckx (1969-1972, 1974) und der Spanier Miguel Indurain (1991-1995) als Rekordsieger mit je fünf Triumphen. Der Brite Chris Froome rangiert mit 4 Siegen (2013, 2015-2017) dahinter.
Apropos Armstrong – ist Doping nach wie vor ein Problem?
Experten gehen davon aus, dass der Radsport in den letzten zehn Jahren "sauberer" geworden ist und Doping nicht mehr systematisch eingesetzt wird. Wenn man Doping als Nutzung verbotener Substanzen definiert, ist der Radsport wohl tatsächlich relativ "sauber". Allerdings gibt es Spekulationen über neue Mittel und Methoden, die (noch) nicht nachgewiesen werden können oder (noch) nicht offiziell verboten sind. Die werden vermutlich auch von manchen eingesetzt. Genaueres wird man aber erst in einigen Jahren wissen.
Wer sind heuer die großen Favoriten?
Der 26-jährige Slowene Tadej Pogacar, der bereits drei Mal siegreich war (2020, 2021, 2024) und sein größter Konkurrent, der Däne Jonas Vingegaard, 29 (Sieger 2022 und 2023). Dem 25-jährigen Belgier Remco Evenepoel und dem Slowenen Primoz Roglic, 35, werden höchstens Außenseiterchancen auf den Gesamtsieg eingeräumt.
Und was ist mit den Österreichern?
Die größten Chancen auf eine Top-Platzierung hat der Lienzer Felix Gall. Der 27-Jährige gewann bei seiner ersten Tour 2023 überraschend die sogenannte "Königsetappe" auf den Col de la Loze in den Alpen, wurde Achter im Gesamtklassement Zweiter der Bergwertung und Dritter in der Nachwuchswertung, was ihm auch den Titel "Sportler des Jahres" in Österreich einbrachte. Letztes Jahr wurde Gall bei der Tour eher enttäuschender 14., für heuer scheint er in bestechender Form zu sein.
Welche Chancen hat Felix Gall heuer?
Bei der Tour de Suisse, die als Vorbereitung auf Frankreich diente, wurde er Gesamt-Vierter. Er ist heuer zudem erstmals Kapitän seiner Mannschaft Decathlon, ein Top 5-Ergebnis könnte für ihn am Ende in Reichweite sein. Zumal es auch heuer über "seinen" Col de la Loze geht, wenn auch in umgekehrter Richtung, als es 2023 der Fall war.
Sind noch weitere Österreicher am Start?
Ja, der 31-jährige Niederösterreicher Gregor Mühlberger und der 34-jährige Kärntner Marco Haller. Beide haben in ihren jeweiligen Teams allerdings vor allem Helfer-Rollen zugeteilt bekommen und werden wahrscheinlich nicht um Siege mitfahren.
Wie funktioniert so ein Radteam eigentlich?
Auch wenn am Ende immer nur einer auf dem Siegertreppchen steht: der Profi-Radsport ist Teamsache. Pro Team starten acht Fahrer, die nach einer zuvor festgelegten Strategie agieren, um ihre Sieg-Fahrer, also jene, die für Etappen- oder gar Gesamtsiege in Frage kommen, nach vorne zu bringen. Besonders wichtig sind dabei die Helfer, auch Domestiken genannt. Sie machen für ihren Teamkapitän Tempo, geben ihm Windschatten, damit er Kräfte sparen kann, und "ziehen" ihn so gut es geht nach vorne. Je stärker die Helfer in einem Team, desto größer die Sieg-Chancen für die gesamte Equipe.
Was bekommt der Sieger der Tour?
Neben Ruhm und Ehre erhält der Gesamtsieger ein Preisgeld von 500.000 Euro, das innerhalb des Teams aufgeteilt wird. Für Platz 2 gibt es 200.000 Euro, Platz 3 bringt dem Team noch 100.000 Euro. Ein Etappensieg schlägt mit 11.000 Euro zu Buche. Zusätzlich erhalten die Fahrer individuell vereinbarte Prämien von ihren Teams. Alles in allem werden etwa 2,3 Millionen Euro an Preisgeld ausgeschüttet.
Könnte Covid heuer wieder ein Problem werden?
2024 mussten mehr als 20 Fahrer wegen akuter Covid-Infektionen aufgeben, es traf auch einige Mitfavoriten. Das veranlasste die Tour-Leitung, in der letzten Woche eine Maskenpflicht für alle Journalisten und Zuschauer mit direktem Fahrer-Kontakt einzuführen. Ob sich das Schauspiel heuer wiederholen wird, ist schwer absehbar. Aktuell grassiert in Europa keine Covid-Welle, weshalb zu hoffen bleibt, dass die Tour heuer (weitgehend) verschont bleibt. Ist das Virus aber einmal im Peloton, lässt es sich kaum wieder "einfangen".
Gibt es im Radrennsport eigentlich auch "Exoten"?
Neben den Ländern mit der größten Tradition im Radrennsport wie Frankreich, Italien, Spanien und Belgien, gehören seit Jahrzehnten auch Großbritannien, die Niederlande, Deutschland und die USA zu den Top-Nationen. In den letzten Jahren hat sich Slowenien ebenfalls zu dieser illustren Runde gesellt. Aber der Radsport erweitert laufend seine Grenzen. Fahrer aus Lateinamerika zählen regelmäßig zu den Sieganwärtern. Und in Afrika hat der Sprinter Biniam Girmay aus Eritrea einen Hype ausgelöst, als er bei der Tour de France 2024 die Sprintwertung gewann. Übrigens: Die Rad-WM 2025 findet in der ruandischen Hauptstadt Kigali statt.
Gibt es auch eine Tour de France der Frauen?
Ja, seit 2022 gibt es auch die Tour de France Femmes. Sie läuft direkt im Anschluss an die Männer-Tour und hat meist acht Etappen, die etwas kürzer sind. Bereits von 1984 bis 1989 gab es eine vergleichbare Tour der Frauen, diese wurde damals aber wieder eingestellt.
Wie kann man die Tour 2025 live verfolgen?
Wie jedes Jahr überträgt der Sender Eurosport alle Etappen in voller Länge. Die ARD zeigt ebenfalls alle Etappen im TV und online, allerdings nicht in voller Länge. In Österreich überträgt Servus TV sechs ausgewählte Etappen im TV und online, außerdem gibt es tägliche Zusammenfassungen der weiteren Etappen. Und auf der Homepage der Tour kann man alle Etappen interaktiv mitverfolgen.
Gibt es Filme oder Serien, mit denen man sich auf die Tour einstimmen kann?
Die Doku-Serie "Tour de France - Im Hauptfeld" auf Netflix begleitet seit 2023 Top-Teams und Fahrer bei der Tour und bietet auch für Radsport-Neulinge einen guten Einblick in die Faszination der Tour de France. seit 3. Juli ist die dritte Staffel online, die noch einmal die Tour 2024 Revue passieren lässt.
Empfehlenswerte Filme über die Tour de France sind die Dokumentationen "Höllentour" (2004), "The Program" (2015) über Lance Armstrongs Doping-Machenschaften und "Ikarus" (2017), die russische Doping-Manipulationen aufdeckt. Wer lieber einen Spielfilm über die Tour sehen möchte: Der Klassiker "Die Sieger – American Flyers" (1985) mit Kevin Costner ist nach wie vor sehr zu empfehlen.