Selbst-Sondierung
Astro-Kopfnüsse: Wie die Regierung wird (und wer drin sitzt)
Die Verhandler zaudern noch, also übernehme ich den Job: die erste Liste der künftigen Ministerinnen und Minister. Wann die Regierungs-Verhandlungen starten. Und wann sie fertig sein sollen. Natürlich vollkommen spekulativ. Aber gut möglich.
In Österreich kommen auf sechs Augen manchmal zwölf Ohren.
Wenn sich die Parteichefs von ÖVP und SPÖ mit der Parteichefin der NEOS treffen, dann sitzen nicht drei Verhandler im ersten Stock des Palais Epstein zusammen, sondern sechs. Jeder darf eine Begleitung mitnehmen, eine Vertrauensperson. Das macht es einfacher, das Besprochene danach an die größere Gruppe zu kommunizieren. Speed thrills!
Mit KI-Stimme: So wird die neue Regierung
Die Verhandler lieben diese kleinen Runden, die jetzt im Rahmen der Sondierungen immer wieder stattfinden. "Da geht einfach viel mehr weiter", sagt jemand, der dabei ist. Außerdem riecht es dabei nicht so penetrant nach Gurkenscheiben wie am Donnerstag dieser Woche.
Der ORF hat sich dazu durchgerungen, seine "Astro Show" in den Weltraum zu schießen. Eine Folge wurde gesendet, die Wissenschafts-Szene zeigte sich der Innovation gegenüber aber recht spießig unaufgeschlossen. Das erscheint ungerecht, zumal Moderatorin Lori Haberkorn in Aussicht stellte, unser Leben über "Astro Readings, Conscious Biz Mentoring und einer Extraportion an Success Mindset" zu bereichern.
Folge Nummer zwei der Mondphasen-Annäherung ist fertig abgedreht, verstaubt aber nun am Küniglberg in einer Schublade. Wenn sich der ORF nicht erbarmt und die Sternschnuppe ins Inventar der TVthek-Nachfolge stellt, dann werden wir nie erfahren, wie Lukas Perman und Lilian Klebow als Skorpione so leben. Lori Haberkorn, vom Lernberuf immerhin "Astrologin, Modern Mystic & your personal witch", hätte unser Mindset diesbezüglich sicher successful bereichert.
Jedenfalls tat sich eine Marktlücke auf und in die wollte ich geschmeidig hineingleiten. Die Astro-Kopfnüsse sagen hier also voraus, was die nächsten Wochen passieren wird und mit wem. Streng wissenschaftlich natürlich, mitten in die Skorpion-Saison hinein, ich bin schließlich auch einer. Oder in den Worten von Lori Haberkorn: "Wer die Dunkelheit nicht erkennt, der wird auch nie im puren Licht scheinen".
Die Verhandlungen über eine künftige Regierung stehen derzeit im grellen Licht. Sie sind an einem entscheidenden Punkt angelangt, ich glaube zum nunmehr vierten Mal. Im Andenken an das Wirken von Rudolf Anschober könnte man auch prognostizieren: "Der Montag wird entscheidend sein".
Jeder entscheidende Montag setzt einen entscheidenden Donnerstag voraus. Entscheidende Donnerstage könnten auch auf einen Freitag fallen und sich über das darauffolgende Wochenende ausdehnen. So war es auch diesmal. Am entscheidenden Donnerstag fiel nämlich die Entscheidung, keine Entscheidung zu treffen.
Die drei Parteichefs trafen sich zunächst unter zwölf Ohren. Der Termin kam nicht spontan zustande, sondern war in der Mittwoch-Sitzung vereinbart worden. Nach einer Stunde Gespräch und einer Pause blieben keine drei Stunden in großer Runde, um die letzten Meter in Richtung Regierungsverhandlungen zu gehen. Das konnte nicht klappen. Also Jakobsweg. Montag.
Die Verhandlungs-Teams verließen getrennt voneinander das Palais, ein paar vielleicht in einem leicht berauschten Zustand. Weil die Zeit knapp war, gab es diesmal nichts Nahrhaftes zu essen, also keinen Tafelspitz und kein Ozelot-Gulasch, es standen lediglich Brötchen am Tisch.
Im Laufe der Zeit begannen die Gurkenscheiben, die obenauf lagen, ein Eigenleben zu entwickeln, ihr Geruch durchströmte den Raum. Möglich, dass ein paar Verhandler darüber nachdachten, ob die Einrichtung einer eigenen Untergruppe nicht eine gute Idee wäre. Gemeinsam mit Expertinnen könnten Grenzwerte für die Belastung der Luft mit Gurkenduft festgelegt werden. Die Menschen im Land sind immer froh, wenn sich jemand ihrer Alltagssorgen annimmt.
Man darf sich Sondierungen nicht vorstellen wie Verabredungen im Kaffeehaus. Also der Kanzler kommt rein, fragt nach dem werten Wohlbefinden und dann erzählt jeder die neuesten Schnurren. Es gibt immer eine klare Agenda, die Büros der Teams legen sie fest. Sie vereinbaren auch, wann es das nächste Treffen gibt. Die Sondierer sind Termin-Zombies, sie tauchen auf, wo sie hingeschickt werden. Und wann.
Am Donnerstag stand das Thema "Potentielle Cluster" am Arbeitsplan. Die Untergruppen begannen, ihre endgültige Form anzunehmen, Namen wurden fixiert.
Das tatsächliche Kernstück jeder Zusammenkunft ist aber der Programmpunkt "Gemeinsame Problemsicht". Es wird versucht, bei jedem Thema Schnittmengen zu finden. Die Verhandler werfen sich nicht an den Kopf, welche unterschiedlichen Ansichten sie zu diesem und jenem haben, es gilt, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. So kitschig das auch klingen mag.
Das kann dauern. Mittlerweile sitzen 18 Personen am Tisch. Wenn jeder und jede ein paar Minuten redet, ist eine Stunde schnell um. Nun haben nicht alle zu allen Themen etwas zu sagen, aber manche hören sich selbst am liebsten zu. Wenn du dich am liebsten selbst reden hörst, dann kannst du gar nicht genug von dir bekommen. Das frisst Zeit. Vor allem jene, die man nicht hat.
Draußen wundern sich die Journalisten, warum die drinnen so lange brauchen. Und noch weiter draußen verlieren viele in der Bevölkerung langsam die Geduld, weil sie nicht verstehen, warum die drinnen nicht weiter tun. Sie werden jeden Tag mit neuen Krisenmeldungen bombardiert und in der ZiB huschen dann Spitzenpolitiker vorbei und erklären, dass sie die vergangenen Stunden "konstruktiv" miteinander verbracht haben. Schön für sie.
Das wird nicht mehr lange gut gehen und deshalb skizziere ich einmal, was jetzt passiert. Übers Wochenende glühen die Handymasten, es ist die Zeit der "bilateralen Telefonate". Die letzten Hürden wegräumen, an Worten feilen, über Personal und vor allem Größe der Untergruppen reden.
SPÖ und ÖVP haben schon ein "Go" aus ihren Parteien für die Aufnahme von Regierungsgesprächen, die NEOS noch nicht. Laut Statut muss der "Erweiterte Parteivorstand" zustimmen, er besteht aus 30 Personen. Die nächste reguläre Sitzung wäre am kommenden Donnerstag. Also findet am Sonntagabend oder Montag in aller Herrgottsfrüh ein außerordentlicher Parteivorstand statt und das digital.
Am Montag um 10 Uhr oder um 10.30 Uhr, das wird noch festgelegt, treffen sich dann die Parteispitzen im Palais Epstein zur finalen Runde. Es ist noch nicht klar, ob es danach noch ein Treffen der gesamten Sondierungsgruppe gibt. Eher wahrscheinlich ist, dass Karl Nehammer, Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger direkt nach ihrem Termin vor die Kameras treten, um weißen Rauch aufsteigen zu lassen. Wunderkerzen gehen auch.
Im Innenhof des Palais Epstein steht alles dafür bereit, Pulte, Mikros, Fahnen. Nicht erst seit Donnerstag, als viele schon mit der Bekanntgabe rechneten, sondern seit Anfang der Woche, die ÖVP wollte das so. Am äußeren Rahmen wird die Aufnahme von Regierungsverhandlungen nicht scheitern.
Der Montag ist ein Zeitfenster. Klappt es nicht, kann erst in der zweiten Wochenhälfte weitersondiert werden. Am Dienstag sind einzelne Verhandler terminlich verhindert, auch die Sitzung der Parlamentsklubs finden statt, denn Mittwoch ist Plenartag im Nationalrat. Fällt für Sondierungen also auch flach.
Kommt es tatsächlich am Montag zum Durchbruch, dann erleben wir eine Blaupause. Auch 2019 wurde am 29. September gewählt. Zwischen 8. Oktober und 8. November fanden Sondierungen statt, vor fünf Jahren redete Sebastian Kurz allerdings mit allen Parteichefs und entschied sich danach für Werner Kogler. Und er sich für ihn.
Am 11. November 2019 lud die ÖVP die Grünen zu Regierungsverhandlungen ein, am 18. November – das wäre diesmal der Montag – begannen die Verhandlungen in sechs Untergruppen. Diesmal sollen es sieben sein.
Über die Weihnachtsfeiertage wurde das Regierungsprogramm finalisiert. Am 1. Jänner war es offiziell fertig. Am 7. Jänner wurde die Regierung angelobt. So ähnlich wird es auch diesmal laufen. Schaffen die drei Parteien keinen Pakt bis Anfang Jänner, dann können sie es bleiben lassen. Entweder es gelingt ihnen, eine gemeinsame Geschichte zu erzählen, oder sie sind Geschichte.
In Zeiten wie diesen ist Wien voll mit Menschen, die sich für ministrabel halten. Die Nachfrage übertrifft das Angebot um ein Vielfaches. Die Besetzung der zentralen Jobs in der künftigen Regierung wird diesmal kein Honigschlecken, das Beste aus drei Welten hat viele Bienenvölker zu befriedigen.
Die Kopfnüsse-Regierung, eine Spekulation
Okay, das ist jetzt natürlich Blumenwiese, angereichert mit einigen Informationen, die mir zugeflogen sind. So könnte eine Regierung aussehen, natürlich hochspekulativ:
Regierung mit 14 bis 15 Köpfen In der künftigen Koalition sitzen drei Parteien, die Zahl der Ministerien darf aus optischen Gründen trotzdem nicht explodieren. In der aktuellen Regierung gibt es 14 Ministerien, zehn hält die ÖVP, vier besetzen die GRÜNEN.
Sechs plus fünf plus drei als Schlüssel Sechs Ministerien könnten der ÖVP zufallen, fünf (oder eventuell sechs) der SPÖ, drei den NEOS.
Zwei Vizekanzler Die ÖVP stellt mit Karl Nehammer den Kanzler. Ihm könnte nicht allein Andreas Babler zur Seite gestellt werden, sondern auch Beate Meinl-Reisinger. Das würde dem gewünschten Team-Charakter Ausdruck verleihen.
Beide Stellvertreter bekommen Ministerien Andreas Babler könnte die Ressorts von Werner Kogler erben, also Sport und öffentlicher Dienst, nicht aber die Kultur. Mehr dazu später. Beate Meinl-Reisinger könnte den Habeck machen. Der grüne deutsche Vizekanzler ist gleichzeitig Wirtschaftsminister. Für die NEOS-Chefin wäre das eine gute Möglichkeit, ihr Leibthema "Reform" zu besetzen.
8 bis 9 Frauen in der Regierung Das könnte Symbolkraft haben.
Finanzministerium geht an ÖVP Diesen Fehler macht kein Politiker ein zweites Mal. 2006 schenkte SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer der Volkspartei den Finanzminister. Aber: Wer das Geld hat, der hat das Sagen. Gusenbauer merkte das flott.
Susanne Raab als Finanzministerin Ich weiß, klingt verrückt. Sie ist Juristin (und hat einen Magister in Psychologie). Aber in der gegenwärtigen Budgetsituation braucht eine Regierungsspitze an dieser Stelle vor allem eine Person, die 120 Prozent loyal ist und kein Freigeist.
Justiz und Innen an die SPÖ Die Volkspartei kann wegen ihrer jüngeren Geschichte schwer das Justizministerium übernehmen, der Ehemann von Beate Meinl-Reisinger ist Richter, auch keine sehr einfache Konstruktion. Bleibt die SPÖ. Selma Yildirim oder Muna Duzdar gingen.
Weil die ÖVP das Finanzministerium erhält, muss die SPÖ ebenfalls ein gewichtiges Ressort bekommen. Also etwa das Innenministerium. Ohne jetzt eine politische Zuordnung vornehmen zu können: Michaela Kardeis, bis 2019 Generaldirektorin für öffentliche Sicherheit und aktuell Verbindungsbeamtin in den USA, oder die Kärntner Landespolizeidirektorin Michaela Kohlweiß wären eine Möglichkeit.
Gesund und Soziales getrennt Der Bereich Gesundheit ist eine riesige Baustelle. Andreas Huss, Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), werden Ambitionen nachgesagt. Er kommt aus der SPÖ-Gewerkschaft. Auch kein Fehler. Die ÖVP könnte im Gegenzug das neue Sozialministerium besetzen. AMS-Chef Johannes Kopf wäre eine Option.
Wieder eine Außenministerin? Natürlich, ÖVP-Kreise sehen Amtsinhaber Alexander Schallenberg und den aktuellen Berlin-Botschafter Michael Linhart (der schon einmal zwei Monate im Amt war) als Favoriten. Aber (und wieder ohne politische Zuordnung): Elisabeth Kornfeind leitet im Außenministerium derzeit die Abteilung "Europa und Wirtschaft". Das wäre keine unlogische Kombi.
Pinker Bildungsminister Aber ich bin mir nicht sicher, ob es ein Mann wird. Klar, der Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr wäre die naheliegendste Personalie. Aber ich setze auf NEOS-Bildungssprecherin Martina von Künsberg Sarre.
Klimaministerin von den NEOS? Zugegeben, klingt auch seltsam, wäre aber eine überraschende Entscheidung. Das Klimaministerium wird natürlich im Vergleich zu jetzt abgespeckt. Und dann mit Claudia Gamon besetzt?
Tanner bleibt Okay, als Verteidigungsministerin ist mir niemand eingefallen.
Schwarzer Landwirtschaftsminister, what else? Bauernbund-Direktor Georg Strasser wäre denkbar, auch Alexander Bernhuber, derzeit EU-Abgeordneter. Bei der EU-Wahl erreichte er 44.641 Vorzugsstimmen, Platz 5 über alle Parteien hinweg gesehen.
Wrabetz für Kunst und Medien Der langjährige ORF-Generaldirektor und momentane Ober-Rapidler verhandelt für die SPÖ die Themen Kunst und Medien. Falls es dieses Ministerium gibt (wenn nicht, bleibt es bei 14), dann ist er der Favorit dafür.
Holzleitner als Frauenministerin Die SPÖ könnte sich das Ressort zurückholen (die letzte Frauenministerin war Pamela Rendi-Wagner in Kombi mit Gesundheit). Eva-Maria Holzleitner, aktuell im SPÖ-Sondierungsteam und Frauenvorsitzende, wäre eine logische Wahl.
So, das sind meine aktuellen Gedankenspielereien. Kann völlig plemplem sein oder meschugge, weit weg, oder auch nicht, vermutlich wissen das noch nicht einmal die Verhandler.
Ich wünsche einen gedeihlichen Sonntag. Vergurken Sie ihn nicht! Bis in einer kleinen Weile!