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"Das schwarze Manuskript"

CEO, 64, Millionär, dann ist plötzlich die Frau weg (und ein Klimt auch)

In seinem neuen Roman nimmt Heinrich Steinfest die Leserschaft mit auf eine wilde Reise. Der Titelheld verbringt eine Nacht mit einem Kasperl, ein paar Mafia-Schläger verbringen einige Zeit mit ihm. Immer geht es um "Das schwarze Manuskript". Mysteriös. Und witzig.

"Das Leben ist unglaublich zerbrechlich und das macht mich auch ein bisschen wütend auf das Leben,“ sagt Heinrich Steinfest
"Das Leben ist unglaublich zerbrechlich und das macht mich auch ein bisschen wütend auf das Leben,“ sagt Heinrich SteinfestPicturedesk
Angela Szivatz
Akt. 19.09.2025 23:20 Uhr

Ein Manuskript, das in einem Restaurant vergessen wird, dann 40 Jahre in einem Lager vergammelt, und schließlich zu Mord und Totschlag führt: Darum dreht es sich im Buch von Heinrich Steinfest. Angela Szivatz hat es gelesen. Das hat sie mitgenommen:

Vorab, kann man sich die Wirklichkeit eigentlich erschreiben?
Für Ashok Oswald und Peter Bischof, die Hauptfiguren im neuen Roman des hoch gelobten Heinrich Steinfest, scheint es in manchen Momenten so zu sein.

Wer ist der Autor?
Heinrich Steinfest wurde 1961 in Albury, Australien, geboren, gilt aber dennoch als österreichischer Schriftsteller. Er wuchs in Wien auf, wo er nach einem Schulabbruch bis Ende der 1990er Jahre als freischaffender Künstler lebte. Nach etlichen Jahren in Stuttgart wohnt er heute überwiegend bei Heidelberg im Odenwald. Steinfest ist verheiratet und hat einen Sohn.

Wie kam er zum Schreiben?
Mitte der 1990er veröffentlicht der Autor hauptsächlich surreale und Science-Fiction-Erzählungen. 1996 folgte sein erster Kriminalroman, "Das Ein-Mann-Komplott", dann viele Kriminalromane, darunter die Markus-Cheng-Reihe mit deren erstem Band ihm 1999 der Durchbruch als Schriftsteller gelang.

Angela Szivatz ist Autorin, Moderatorin und Literatur-Kritikerin für Newsflix. Ihr erster Krimi "Tödliches Gspusi" ist heuer erschienen
Angela Szivatz ist Autorin, Moderatorin und Literatur-Kritikerin für Newsflix. Ihr erster Krimi "Tödliches Gspusi" ist heuer erschienen
Helmut Graf

Er schweift aber immer wieder ab, oder?
Ja, in den vergangenen Jahren veröffentlichte Steinfest vermehrt literarische Bücher.  Daneben schreibt er gelegentlich essayistische Artikel in der Stuttgarter Zeitung oder den Zeitschriften "Motorrad", "Merian Stuttgart" (2008) und im "literaturblatt".

Wurde der Autor auch ausgezeichnet?
Immer wieder,  2010 bekam er den Heimito von Doderer-Literaturpreis. 2014 stand er auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis mit "Der Allesforscher". Das Buch ist seinem Bruder Michael gewidmet, der mit 23 Jahren beim Bergsteigen verunglückte. 2024 erhielt er den Leo-Perutz-Preis.

Im zweiten Leben bestätigte er sich als Aktivist?
Ja, er war als prominenter Gegner von Stuttgart 21 sehr präsent und verfasste dazu sogar einen Krimi ("Wo die Löwen weinen"). Stuttgart 21, das ist eine riesige Tunnelanlage unter Stuttgart, ein Milliardenprojekt, 1997 beschlossen, immer noch nicht fertig (vielleicht 2027).

Worum geht es nun aber in "Das schwarze Manuskript"
Um eigentlich alles im Leben: Liebe und Erfolg, Verbrechen und Tod, Kunst und Philosophie, Besitz und Verlust, persönliche Neuerfindungen. Auch das Schreiben selbst und seine Auswirkungen werden immer wieder thematisiert.

Geht das konkreter?
Ashok Oswald, der Protagonist, 64 Jahre alt und CEO eines internationalen Mischkonzerns, immens reich, leidenschaftlicher Schwimmer im eigenen Luxuspool, wird eines Nachmittags von seiner zweiten und 30 Jahre jüngeren Frau verlassen. Mit ihrem Schmuck und einem kleinen Gemälde von Klimt, dass er ihr einmal geschenkt hat, stöckelt sie aus seinem Leben.

„Das schwarze Manuskript“, Heinrich Steinfest, Roman, 240 Seiten, August 2025 Piper Verlag, € 24,50
„Das schwarze Manuskript“, Heinrich Steinfest, Roman, 240 Seiten, August 2025 Piper Verlag, € 24,50
Piper Verlag

Wie reagiert er darauf?
Ashok entlässt seinen Leibwächter, von zwei Hunden hatte er sich zwei Wochen davor getrennt. Übrig bleiben die bulgarische Köchin und ein Gärtner.

Und menschlich?
Er krabbelt zum Schlafen in eines seiner unzähligen Kunstwerke, für die er einen eigenen Anbau errichten hatte lassen: einen Ikea-Karton, in dem eine lebensgroße Kasperlfigur liegt.

Weil er verzweifelt ist?
Nicht wirklich, Ashok fühlt sich eher erleichtert. „Denn wenn man alt war und sich einen jüngeren Partner aussuchte, war das einfach ein Fehler. Eine Übertreibung, eine Lächerlichkeit und führte in letzter Konsequenz zu etwas Jämmerlichem.“ Nach der Nacht neben dem Kasperl ändert sich in Ashok alles.

Nämlich?
Kurz darauf wird er beim morgendlichen Schwimmen von drei mafiösen Typen in die Mangel genommen. Mit ein paar Schlägen überzeugen sie ihn davon, ein Manuskript herauszugeben, das er seit 40 Jahren für den inzwischen verstorbenen Autor Peter Bischof aufbewahrt.

Was hat es damit auf sich?
In einem Lagerraum findet er das Buch, das er es nie gelesen hat. "Hunger" steht der Titel eingeritzt in den schwarzen Deckel. Die Schläger nehmen es an sich und schlagen vor: „Sie vergessen das Manuskript, so wie Sie vergessen, dass wir hier waren. Und wie wir aussehen, das ganze Programm des Vergessen.“

Publikumsmagnet: Heinrich Steinfest als Gast am Literaturfestivals "O-Töne 2022" im Museumsquartier in Wien
Publikumsmagnet: Heinrich Steinfest als Gast am Literaturfestivals "O-Töne 2022" im Museumsquartier in Wien
EVA MANHART / APA / picturedesk.com

Das ist ein guter Vorschlag, oder?
Mag sein, doch in Ashoks Kopf melden sich nun viele Erinnerungen. An seine Herkunft als Kind einer indischen Schachmeisterin - daher sein Vorname. An sein Studium und seine Entwicklung zur Anzucht von Steinpilzen. Seinen Aufstieg in den Vorstand eines Lebensmittelkonzerns. An Reichtum.

Interessant, aber?
Ashok erinnert sich auch an Peter Bischof, das Kennenlernen 1983. An dessen gute Freundin, eine berühmte Schauspielerin. An die einzige Nacht mit ihr. An das Manuskript, dass er im Restaurant vergessen hatte. Der Koch las es und wurde eine Woche später vor dem Lokal überfahren. Nun will es die Mafia ...

Was tut Ashok?
Er sagt alle Termine ab und lässt sich in die Pfalz chauffieren. Dort betreibt die "berühmte Schauspielerin", nun 80-jährig, mit ihrer Lebensgefährtin ein Weingut. Das Wiedersehen verläuft sachlich, denn sie weiß mehr. Nämlich, dass Peter Bischof seinen Tod nur vorgetäuscht hat und nun in Irland wohnt. Da beginnt die wilde Reise erst wirklich wild zu werden.

Kommt es zum Wieersehen?
Ja, aber erst nach ein paar Windungen. Obwohl beide inzwischen um 40 Jahre gealtert sind, begrüßt Bishop den alten Bekannten nun innig wie einen Freund. "Zeit genug, dass du mir sagst, warum du gekommen bist," sagt er. "Und Zeit genug", erwidert Ashok, „dass du mir sagst, wieso du noch lebst, nachdem du gestorben bist.“

Heinrich Steinfest 2011 als Aktivist gegen das Bauprojekt "Stuttgart 21"
Heinrich Steinfest 2011 als Aktivist gegen das Bauprojekt "Stuttgart 21"
Picturedesk

Warum Verlust bei Steinfest eine große Rolle spielt
Als sein Bruder 23 Jahre alt war, verunglückte er beim Bergsteigen tödlich. Es habe, so der Autor, 30 Jahre gedauert, bis er direkt darüber schreiben konnte. Verlustangst begleitete ihn. "Ich meine, das Leben ist unglaublich zerbrechlich und das macht mich auch ein bisschen wütend auf das Leben."

Worauf es Steinfest ankommt
Er bemühe sich darum, Dinge so zu beschreiben, wie das noch niemand getan hat, sagt Steinfest. Darin sieht er seine eigentliche Arbeit,  seine Geschichten schreiben sich quasi von selbst. 20 Bücher in 20 Jahren, das klappt nur, wenn man ständig arbeitet und einen Rhythmus hat.

Was sagt der Vielschreiber über seine Arbeit?
"Alles, womit ich mich beschäftige, dient dem Schreiben. Alles ist Material für die Geschichten, an denen ich gerade arbeite. Was derzeit dazu führt, mich intensiv mit Gärtnerei auseinanderzusetzen beziehungsweise mit dem Entwerfen japanischer Gärten."

Wodurch das Buch besticht
Durch überbordende Fantasie, gewagte Assoziationen und Wendungen, sowie eine brillante, bildhafte und da und dort etwas altmodische Sprache. Steinfests Vergleiche und Analogien sind originell und wunderbar greifbar, wie etwa: "um eine gute Nacht bemühte Betten" oder "verärgerte Betten". Sich von seinem Handy zu trennen wäre, als würde man sich von einem "Körperteil", einem "Lebenspartner" oder einer "Droge" trennen. Ein grün und grau lackierter Zug der "etwas von der Verpackung einer länglichen Schachtel Kopfwehtabletten besaß.".

Wärmste Empfehlung für alle, die bei der Lektüre einen großen erzählerischen Bogen mit verrückten Einsprengseln schätzen!

"Das schwarze Manuskript", Heinrich Steinfest, Roman, 240 Seiten, August 2025 Piper Verlag, € 24,50

Angela Szivatz ist Autorin, Moderatorin und Bloggerin ("Oma aus dem Kirschbaum"). Für Newsflix schreibt sie über aktuelle Literatur. Sie lebt in Wien. Ihr erster Krimi "Tödliches Gspusi" ist heuer erschienen.

Angela Szivatz
Akt. 19.09.2025 23:20 Uhr