ÖVP-Programm

Dr. Lo Pat Ka und die neue Liebe zum Verbrennerauto

Die ÖVP fixierte ihre Kandidatenliste für die EU-Wahl und zeigte ihr Programm her. Was dabei alles auffiel.

Lo Pat Ka? Soll der Name eines relativ unbekannten Kandidaten auf Plakaten so geschrieben werden?
Lo Pat Ka? Soll der Name eines relativ unbekannten Kandidaten auf Plakaten so geschrieben werden?
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Christian Nusser
Akt. Uhr
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Die besten Funktion unseres Gehirns ist die automatische Löschtaste. Sie befreit uns über kurz oder lang von allerlei Gedankengut, das fürs Fortkommen nicht kriegsentscheidend ist. Leider weiß man oft nicht genau, in welche Kriege man noch zu ziehen hat und deshalb wird auch einiges gelöscht, das vielleicht noch ganz gut brauchbar wäre. Dafür bleibt überraschend viel Gegenstandsloses zurück. Man erinnert sich also nicht mehr, wo man den Autoschlüssel hingelegt hat, dafür aber wann die Punischen Kriege begonnen haben. Leider startet dieser Heckspoiler der Allgemeinbildung den Wagen nicht an.

Das fällt etwa auf, wenn man aktuell darüber nachdenkt, wer eigentlich für die ÖVP 2019 in den EU-Wahlkampf gezogen ist. Natürlich, an Othmar Karas können sich viele noch erinnern. Der ÖVP dürfte der Name am 9. Juni, dem Tag der Europawahl, eventuell auch wieder geläufiger sein. Der eine oder die andere wird sich vielleicht denken, dass mit Karas mehr möglich gewesen wäre. Und die Entscheidung, ihn nicht mehr als Spitzenkandidat aufzustellen, nach dem Rauswurf von Johannes Anzengruber aus der Innsbrucker Volkspartei, die zweitunklügste Entscheidung der jüngeren Parteigeschichte war. Oder überhaupt die unsinnigste.

Auf Platz 2 der EU-Liste 2019 kandidierte Karoline Edtstadler, und das haben wohl nur mehr sehr wenige präsent. Edtstadler bekam am 26. Mai 2019 fast 116.000 Vorzugsstimmen, atmete aber nur rund sechs Monate Brüsseler Luft. Am 29. Jänner 2020 wurde sie Ministerin für EU und Verfassung in der Regierung Kurz II, auf die Schallenberg I und Nehammer I folgten. Edtstadler blieb im Amt, eisern, einer ihrer Wesenszüge.

Ein Stück des Weges gemeinsam: Reinhold Lopatka, ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker
Ein Stück des Weges gemeinsam: Reinhold Lopatka, ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker
Sabine Hertel

Am Montag stellte die Volkspartei ihr Programm für die EU-Wahl vor und machte gleichzeitig die Kandidatenliste publik. Was dabei auffiel (nicht nach Bedeutsamkeit gereiht):

Nur einer darf Doktor sein
Die Wahlliste umfasst 42 Personen, sie ist (anders als noch 2019) nach dem Reißverschlusssystem organisiert, es wurden also immer abwechselnd eine Frau und ein Mann platziert. Spitzenkandidat ist Dr. Reinhold Lopatka, er darf als Einziger seinen akademischen Titel tragen. Bei Angelika Winzig (Platz 2) etwa werden der Mag. und der Dr., bei Alexander Bernhuber (Platz 3) der Dipl.-Ing. unterschlagen, Lukas Mandl (Platz 5) und Wolfram Pirchner (Platz 7) dürfen keine Magister sein.

Lopatka nur auf einem Plakat
Bei der Präsentation in der "Politischen Akademie der Volkspartei" in Wien-Meidling fehlte Parteichef Karl Nehammer. Was auffiel: Die ÖVP stellte vier Plakate vor, nur auf einem ist der Spitzenkandidat zu sehen, die anderen drei sind reine Textversionen ("Europa. aber besser." "Europas Grenzen schützen." "Europa verbessern statt zerstören."). Das wird sich gegen Ende des Wahlkampfes noch ändern, aber einen Kandidaten, der in Österreich nur über eine geringfügige Bekanntheit verfügt, nicht flächendeckend herzuzeigen, mutet seltsam an. Seinen Namen dann auch noch aufgeteilt auf drei Zeilen zu schreiben, verblüfft zusätzlich und drängt die Frage auf: Handelt es sich bei Lo Pat Ka gar um einen Konfuzianer?

Agrarsprecher rauf, Ex-Fernsehstar runter
Bei der EU-Wahl 2019 erreichte die ÖVP 34,6 Prozent, sie fand neun Tage nach Ibiza statt, jenem Video also, mit dem Österreich seine Inselbegabung entdeckte. Seither ist die Volkspartei mit sieben Personen (fünf Männern, zwei Frauen) in Brüssel vertreten. Wer vermutet, dass erneut ein solches Ergebnis rausschaut, wirkt von recht großem Optimismus durchdrungen. Wohl deshalb wurde der Agrarier Alexander Bernhuber von Platz 11 auf Platz 3 vorgereiht, Wolfram Pirchner wiederum, früher Moderator der ZiB 1, rutschte von Platz 6 auf Platz 7. Das wird eng.

Das können wir besser
Die Parteien pirschen sich Europa auf ganz unterschiedlichen Wegen an. Die SPÖ will "Europa fair gestalten", die FPÖ den "EU-Wahnsinn stoppen", die Neos marschieren "Mutig in die Vereinigten Staaten von Europa", die Grünen entdeckten schon vor Andreas Babler das Zentralorgan des Körpers neu und plakatieren: "Weil uns die Zukunft Europas am Herzen liegt". Die ÖVP setzt nun auf den Slogan "Europa. Aber besser.", eventuell auch als Auftrag an sich selbst. Unter Othmar Karas stand noch die Expertise im Vordergrund. Er ließ "Europa braucht Profis" affichieren.

Das Team der ÖVP für die EU-Wahl in der "Politischen Akademie" in Wien-Meidling
Das Team der ÖVP für die EU-Wahl in der "Politischen Akademie" in Wien-Meidling
Sabine Hertel

ÖVP setzt auf Migration und Sicherheit
Das Wahlprogramm der ÖVP ist 57 Seiten lang, die ersten elf Seiten (und am Ende noch einmal fünf Seiten dazu) widmen sich dem Themenkreis Sicherheit, Schutz, Migration, Terror. Spitzenkandidat Lopatka will "Asylverfahren und Abschiebungen in sichere Drittstaaten", "mehr Geld für Außengrenzschutz", "strengere Regelungen beim Familiennachzug". Wer zuziehen will, soll schon beim Antrag Wohnraum, Krankenversicherung und regelmäßige Einkünfte nachweisen müssen, bisher war das erst nach drei Monaten nötig.

Klarnamenpflicht, Bewertungsplattform
Um "Hasspostings konsequent zu unterbinden" ist die ÖVP für die Schaffung "einer europäischen Klarnamenpflicht im Internet" und "einer EU-weiten Regelung und eines Rechtsrahmens für Online-Bewertungsplattformen, insbesondere im touristischen Bereich". Ein "digitales Echtheitszertifikat für Fotos und Videos (ähnlich signierten PDF-Dateien)" soll eingeführt werden.

Skepsis zu EU-Beitritt der Ukraine
Es soll "kein beschleunigtes Verfahren" geben, keinen Betritt im Krieg, betont wird extra, dass "alle Kriterien und Verfahren des Beitrittsprozesses eingehalten werden" müssen. Und: "Beitrittsverhandlungen bedeuten noch nicht, dass es zu einem EU-Beitritt kommt." Im Gegensatz dazu wird eine "rasche Heranführung der Staaten des Westbalkans an die EU" gefordert.

Eine EU mit weniger Regeln
Das scheint ein Ziel 1-Gebiet zu sein. Die ÖVP fordert eine "konsequente Reduktion der Berichtspflichten um mindestens 25 Prozent." Dazu: "Für jede neue Regelung sollen daher mindestens zwei bestehende (Über-)Regulierungen abgeschafft werden. Es solle ein Ablaufdatum für Gesetze geben, die Datenschutzgrundverordnung müsse "entbürokratisiert" werden.

Bundeskanzler Karl Nehammer fehlte bei der Präsentation von EU-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka
Bundeskanzler Karl Nehammer fehlte bei der Präsentation von EU-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka
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Mehr Straßen, für Verbrenner-Autos
Das ist wohl das umstrittenste Wegstück. Die Volkspartei haut sich für den alten Verbrennermotor rein. Sie wünscht sich einen "Ausbau der Straßen", eine "Förderung für den grünen Verbrenner" und die "Rücknahme des Verbrenner-Aus für Neuzulassungen ab 2035". Die Türkisen (die Farbe ist geblieben) wollen sich aktiv dafür einsetzten, "dass Europas Autoindustrie zum Weltmarktführer bei Verbrennungsmotoren wird".

Weniger Wolf und Biber
Für die Land- und Forstwirtschaft will die ÖVP mehr Geld. Die "Zölle für ukrainische Agrarprodukte auch auf Weizen und Ölsaaten" sollen ausgeweitet bzw. wiedereingeführt werden. Der "Schutzstatus von Wolf, Biber oder Fischotter" soll gesenkt werden.

"Klimaschutz mit Hausverstand"
Klimaschutz sieht die ÖVP als "globale Herausforderung", die Emissionen der EU würden weltweit nur noch 6,67 Prozent ausmachen. Man müsse also "Klimaschutz mit Hausverstand" betreiben. Und: "Die Europäische Union soll zum führenden Hersteller von Klimaschutztechnologien der Zukunft werden."

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