Lokale Kritik
Es ist, wie es isst, diesmal koreanisch: "Hunger ist schlimmer als Heimweh"
Die Cuisinière & Der Connaisseur gingen schon wieder für Newsflix essen. Diesmal ins noch recht neue "Shilla" nahe der Wiener Staatsoper. Es war verwirrend.
In der Fastenzeit neigt Der Connaisseur zur Mäßigung. "Ausnahmsweise" ätzt la Cuisinière in Kenntnis der – dank Newsflix - endlich beruflich veranlassten Bacchanale.
Das geflissentliche Überhören ist eine der größten friedenserhaltenden Tugenden. Deswegen denkt sich Der Connaisseur das auch nur; weil gelegentliches Schweigen die Wirkung dieser Haltung mehr als potenziert.
Und wenn in dieser Quadragesima Beherrschung und Bezähmung ausnahmsweise den Ton angeben, dann soll es auch gleich gesund sein. Was der asiatischen Küche nachgesagt wird. Warum eigentlich, denkt Der Connaisseur, diesfalls allerdings laut.
Und, als ob Die Cuisinière auf ihren Auftritt gewartet hätte, sprudelt sie los: "Da ist einmal die leichte Zubereitung, schon bei den Kochmethoden wie dämpfen oder garen, daher bleiben Nährstoffe erhalten. Und viel Gemüse, Tofu, Reis, kalorienarm, glutenfrei, Vitamine und Mineralstoffe …"
"Du warst im "Adlon" in Berlin, in Gstaad und Lausanne, bei Marc Veyrat in Annecy", versucht Der Connaisseur zu unterbrechen, "... aber Asien??!" Er hat doch vor diesem Projekt ihren Lebenslauf auswendig gelernt!
"Gastrosophische Allgemeinbildung!", erwidert Die Cuisinière schmallippig. Und hätte ihre Lehrveranstaltung bis zum Verhungern ungerührt fortgesetzt.
"Hunger ist schlimmer als Heimweh" adaptiert Der Connaisseur das Sprichwort bedürfnisorientiert, nimmt das Heft (?) in die Hand und beschließt, das neueröffnete "Shilla" (Bösendorferstraße 3, 1010 Wien) zwischen Wiener Staatsoper und dem Naschmarkt aufzusuchen.
"Als Koreaner hätte ich es nicht erkannt!", meint Die Cuisinière (die noch nie in Korea war!) beim Eingang in der Bösendorferstraße. Der Connaisseur verweist auf die Stäbchen am Tisch und das Personal! Letzteres sei zweifelhaft!! Und: ob man das überhaupt noch so sagen dürfe?! rügt Die Cuisinière.
Jedenfalls, von den sich aus den 80er-Jahren des vorigen Jahrtausends gelegentlich ins Jetzt herüber geretteten schwülstigen überladenen chinesischen roten Samt-Höllen hat das erst vor kurzem eröffnete "Shilla" nichts an sich. "Das Ambiente gleicht eher ein bissi dem Gewand der japanischen Modeschöpfer Issey Miyake oder Yōji Yamamoto: minimalistisch." "Man muss ihn mögen, diesen technoiden Stil", macht sich Der Connaisseur wichtig.
Noch immer fragt sich Die Cuisinière, was japanische Designer mit koreanischem Essen zu tun haben. Aber nur sich, weil: Das geflissentliche Überhören …
"Also definitiv kein Wiener Beisl zum Abhängen", landet Der Connaisseur wieder.
"Was den Wirten eh lieber ist", erläutert Die Cuisinière die wirtschaftlichen Notwendigkeiten der Gastronomie.
Und tatsächlich wurden die meisten Tische während ihres Besuches am frühen Abend alle 90 Minuten "umgedreht", also an neue Gäste vergeben. Dazu trägt auch die Schnelligkeit der Küche und des Service bei, denn kaum waren die Vorspeisen "Mandu" (mit Gemüse und Glasnudeln gefüllte Teigwaren), "Kimchijeon" (Kimchi Pancake) und "Tteobokki" (Fisch- und Reiskuchen) bestellt, waren sie auch schon am Tisch.
Die Tascherln - geschmacklich nicht aufregend, dagegen der Kimchi Pancake ein Wow-Effekt, bei den Küchlein ging es allerdings wieder abwärts. Freundlich meinte Die Cuisinière, die Leiden des Jobs kennend, vielleicht gehöre es auch so, dass die Struktur speziell des Reisküchleins gummiartig sein müsse, während das Fischküchlein "angesoffen" von der Sauce am Teller taumelte. Was es aber geschmacklich nicht herausreißen konnte.
Womit das Stichwort für die Getränke gefallen wäre, Cass/Hite, das koreanische Bier um 4,90 Euro, war aus, dafür gab es Stiegl …
Die Auswahl an "Korean Alkohol" (Zitat der "Shilla"-Speisekarte) reicht von Hanjan Soju um drei Euro, über Reiswein, Reis-Schaumwein, Himbeerwein, Klebereiswein und Ginseng Schnaps, letzterer ist mit 20 Euro am teuersten. Und dann so Spezialitäten wie So-Chingu. Auch wenn die Karte verspricht: "Soju hat viele Freunde, aber seine allerbesten Freunde sollen Bier, Lychee, Tonic oder Sprite sein ... 상향식", kann man da nur mehr koreanisches Rüscherl dazu sagen. Wer das in den 70ern des vorigen Jahrtausend getrunken hat und noch lebt …
Dafür kostet das Viertel Grüner Veltliner Landwein nur 5,40 Euro, aber zum Trinken gehe man eher in Karaoke-Bars und nicht in ein Restaurant – zumindest in Asien; angeblich.
Die vielerorts geschmacklich spannenden hausgemachten Limonaden mit Ingwer, Zitronengras, Minze und ähnlichen Ingredienzien vermisst man gänzlich, dafür gibt es einen "Podo Bong Bong", einen koreanischen Traubensaft, ähnlich einem alkoholfreien Uhudler, "oder venezianischen Fragolino, also eine Direktträgertraube, meist Isabella", glänzt die trinkfeste Cuisinière.
Die als nächstes ankommenden "Seu Ttigim", also auf gut deutsch frittierte Garnelen um 7,90 Euro, widersprechen dem Satz auf der Speisekarte, die von "unseren hausgemachten koreanischen Klassikern" spricht, und sind leider kein "unvergessliches Geschmackserlebnis". Denn es schaut nicht nur wie Convenience Food aus, es schmeckt auch so! Dem stehen leider die gebackenen Hühnerbruststücke mariniert um nichts nach.
Nun zu den Korean Klassikern: Die gegrillte Makrele (19,90 Euro) nennt sich "Go Deung Eo Gui", wer es wissen will, wurde "scharf" geordert, war gut, schön gegrillt und saftig "wie beim Kroaten", erläutert die weitgereiste Cuisinière, habe aber geschmacklich ausgezeichnet mit der Schale Reis korrespondiert, meinte sie nobel!
Der Salat war insofern interessant, als dass er mit einem fast ganzen Kopf Knoblauch – immerhin geschält und geschnitten – gekommen ist. Also danach sollte man nicht mehr einen der umliegenden Kulturtempel aufsuchen.
Dann der klassische heiße Steintopf mit Gemüse, Spiegelei und Extra Bulgogi (18,90 Euro). Schaut nicht nur gut aus! Mit zwei Schälchen nachgeorderter Spezialsauce bekommt er auch die Schärfe (die natürlich nicht jedermanns Sache ist).
Berühmt ist das koreanische Barbecue, im "Shilla" mit transportablem Tischgriller. Gibt es nur ab zwei Personen, kostet zwischen 24 und 27 Euro, mit extra Fleisch weitere 16 bis 22 Euro, pro Person.
Die ziemlich gute Lüftung im Lokal ändert trotzdem nichts daran, dass später nebenan sitzende Opern- oder Straßenbahn-Gäste hungrig werden – im besten Fall!
Die Cuisinière zieht ein Fazit: "Wenn man von so manchen Dingen absieht, ist es ein Lokal für etwas Abwechslung um etwa 45 Euro pro Person."
Die Cuisinière & Der Connaisseur
Die Cuisinière & Der Connaisseur
- Die Cuisinière und Der Connaisseur arbeiten schon länger projektweise zusammen, haben sich gefunden, um über das Essen zu reden. Und nun auch andere daran teilhaben zu lassen. Es ist, wie es isst!
- Die Cuisinière ist Jacqueline Pfeiffer, Grand-Master Chef – bis vor kurzem Chef, jüngst She-Chef – genannt. War Kochlöffel in diversen Hauben- und Sternehütten in Mitteleuropa ("Adlon", Gstaad, "Marc Veyrat" usw.), irgendwann "Köchin des Jahres" und hatte in den 10er-Jahren im Wiener "Le Ciel" vier Hauben (nach neuer Gault Millau-Zeitrechnung) erkocht. Nunmehr ist sie als Enjoyment-Consultant mit ihrem PfeiffersGIG fast ausschließlich im diskreten gastronomischen Spitzenbereich unterwegs.
- Der Connaisseur heißt Wolfgang Fischer, war Journalist und Medienmanager, zehn Jahre CEO der Wiener Stadthalle, nunmehr Geschäftsführer der DDSG Blue Danube, bester Freund von Admiral Duck – und Gourmet wie Gourmand seit Jahrzehnten. Also ein klassisch übergewichtiger weiser alter Mann.