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"Franklin": Michael Douglas auf geheimer Mission im O-Ton

In der formidablen Apple-Serie spielt der Hollywoodstar US-Gründervater Benjamin Franklin – und wurde für die deutsche Fassung erstmals nicht synchronisiert.

Großes Alterswerk: Hollywoodstar Michael Douglas, mittlerweile 79, als Benjamin Franklin in der neuen Streaming-Serie auf Apple TV+
Großes Alterswerk: Hollywoodstar Michael Douglas, mittlerweile 79, als Benjamin Franklin in der neuen Streaming-Serie auf Apple TV+
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Newsflix Redaktion
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Wir Österreicher sind faul – und  unendlich verwöhnt. Zumindest was das Schauen fremdsprachiger Filme betrifft. Denn dank der Gnade, dem deutschen Sprachraum anzugehören, partizipieren wir 1:1 an der deutschen Gründlichkeit bei der Synchronisation von Filmen und Serien mit. Und niemand synchronisiert fremdsprachiges Material besser und professioneller als Deutschland.

Wer einmal das "Vergnügen" hatte zu hören, wie lieblos in vielen anderen europäischen Ländern synchronisiert wird – wenn das überhaupt geschieht und nicht einfach nur untertitelt wird – , der bezieht fortan Wenzel Lüdecke, mit seiner Firma "Berliner Synchron" so etwas wie der Gründer der deutschen Synchronisationskunst, in sein Nachtgebet mit ein.

Wie klingt denn der? Der hohe Standard bei der deutschsprachigen Vertonung internationaler Filme und Serien hat aber natürlich auch seine Schattenseiten. Kaum ein Durchschnittsseher in unserem Sprachraum macht sich die Mühe, Filmkunst im Originalton zu sehen, es funktioniert ja auch so sehr gut. Entsprechend bescheiden ist die Kenntnis der englischen Alltagssprache in der österreichischen Bevölkerung (von Französisch und anderen Sprachen ganz zu schweigen).

Und dementsprechend unbekannt ist auch, wie die Stars aus Hollywood und sonst woher wirklich klingen. (Ehrlicherweise muss man sagen, dass einige Hollywoodstars mit ihrer deutschen Synchro-Stimme tatsächlich "passender" klingen als im Original – hören Sie etwa einmal Clint Eastwood selbst sprechen …)

50 Jahre denselben Synchronsprecher Eine der längsten Synchronsprecher-Verbindungen ist die zwischen Hollywoodstar Michael Douglas und dem deutschen Schauspieler Volker Brandt. Douglas, der heuer im September 80 Jahre alt wird, bekam in sämtlichen deutschen Synchronisationen seit den 1970er-Jahren ("Die Straßen von San Francisco"!) die Stimme von Brandt geliehen, der selbst heuer bereits 89 Jahre alt wird. Kaum eine diesbezügliche Verbindung war beständiger, wohl keine symbiotischer. Und so ist es für die meisten Seher der neuen, fabelhaften Apple-Streamingserie "Franklin" nichts weniger als ein regelrechter Kulturschock, dass hier erstmals NICHT Volker Brandt Michael Douglas spricht.

O-Ton ohne Alternative – bis jetzt So groß ist die Verwirrung darüber, dass viele Seher zum Telefon oder in die Tasten greifen und sich erkundigen, was denn los sei. Denn nicht nur, dass eben erstmals nicht das bekannte Timbre von Volker Brandt erklingt, sobald Michael Douglas den Mund aufmacht. Vielmehr hören wir tatsächlich (und viele Zuschauer erstmals) Michael Douglas himself sprechen. Wessen Schulenglisch dafür nicht ausreicht, der bekommt zunächst nur deutschsprachige Untertitel mitgeliefert, that's it.

Kommt die deutsche Synchro noch? Über den Grund für diese "Premiere" ist seitens Apple bislang kaum etwas zu erfahren. Und ob eine deutsche Tonspur noch nachgereicht wird, wie im Internet zu lesen ist, bleibt abzuwarten. Aber selbst wenn – wer nicht so lange warten möchte, wird mit dem "Original Michael Douglas" eine schöne Überraschung erleben. Seine Stimme ist wesentlich dunkler als in der deutschen Synchronisation und hat inzwischen auch bereits eine gewisse Brüchigkeit, die gut zur Rolle passt, wie man auch im Trailer schon feststellen kann.

US-Gründervater auf Altersmission Benjamin Franklin war zwar noch keine 79 wie Douglas, aber immerhin auch schon stolze 70, als er im Jahr 1776 nach Paris aufbrach, um für Unterstützung gegen die Engländer im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg zu werben. Franklin, der in seiner Jugend Drucker gelernt hatte, bald Schriftsteller wurde und zudem auch als Erfinder, Naturforscher und Geschäftsmann erfolgreich war, wandte sich erst im relativ hohen Alter von 42 der Politik zu, hatte aber in diesem Spiel ebenso großes Talent wie in allen anderen Bereichen, denen er sich professionell widmete. Und so stieg er rasch auf in den damals noch zu England gehörenden Kolonien, wurde Gesandter in London und 1776 schließlich diplomatischer Gesandter in Paris.

Amerika "auf der Kippe" Im Jahr davor, konkret im April 1775, hatte der Krieg der 13 Kolonien um die Unabhängigkeit von Großbritannien begonnen, aber bereits 1776 drohte die Niederlage – die USA hatten von allem zu wenig: Soldaten, Waffen, Munition, Geld. Also wurde Benjamin Franklin ausgesandt, der aufgrund seiner Erfolgs als Gründer, Erfinder und Entdecker (u.a. geht der Blitzableiter auf ihn zurück und er befasste sich als erster mit dem Postwesen in den Kolonien) auch in der Alten Welt einen hervorragenden Ruf genoss und in den gehobene Kreisen als "Celebrity" galt.

Darstellung des Empfangs von Benjamin Franklin (l.) am Hofe von König Ludwig XVI. in Versailles im Jahr 1778
Darstellung des Empfangs von Benjamin Franklin (l.) am Hofe von König Ludwig XVI. in Versailles im Jahr 1778
akg-images / picturedesk.com

Bitte um Unterstützung In Paris sollte er Stimmung machen für die Idee eines unabhängigen amerikanischen Staates und den französischen König Ludwig XVI. (und seine Minister) davon überzeugen, die Sezessionsbestrebungen militärisch und finanziell zu unterstützen. Wie wir heute wissen, war Franklin erfolgreich, während seines insgesamt neun (!) Jahre währenden Aufenthalts in Paris zog er die Franzosen auf die Seite der USA und leistete so einen der entscheidendsten Beiträge zur Unabhängigkeit der USA.

"Franklin", die Serie Michael Douglas als Benjamin Franklin ist ein Glücksfall – und der zweifache Oscar-Preisträger (1976 als Produzent für "Einer flog über das Kuckucksnest", 1988 als Darsteller in "Wall Street") scheint das auch selbst so zu sehen. Seine Spielfreude ist mitreißend, sein teils bubenhafter Charme trägt die Serie. Ihm zur Seite steht der britische Jungstar Noah Jupe als Franklins Enkel Temple, der seinen Großvater nach Paris begleitet und all die Fragen stellen darf, die auch den Zuseher häufig beschäftigen.

    Michael Douglas als Benjamin Franklin und der britische Jungstar Noah Jupe als sein Enkel Temple auf diplomatischer Mission in Frankreich
    Michael Douglas als Benjamin Franklin und der britische Jungstar Noah Jupe als sein Enkel Temple auf diplomatischer Mission in Frankreich
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    1/9

    Europäisches Potpourri In Paris treffen die beiden Amerikaner – eigentlich sind sie zu diesem Zeitpunkt noch Kolonialisten – auf eine bunte Mischung an Protagonisten, die allesamt historisch verbürgt sind: den Außenminister des Königs, Comte de Vergennes (Thibault de Montalembert); den britischen Arzt Edward Bancroft (Daniel Mays), der als Agent sowohl für die amerikanische, als auch die britische Seite arbeitet; den Autor Beaumarchais (Assaad Bouab), der sich mit Franklin anfreundet; den ehrgeizigen Marquis de Lafayette (Théodore Pellerin), den später selbst in der neuen Welt kämpfen wird; oder der Spion des britischen Premierministers, Paul Wentworth (Tom Hughes). Und dann kommt auch noch John Adams (Eddie Marsan) als Botschafter an die Seine, ebenfalls einer der Gründervater der USA, wesentlich puritanischer gepolt als Franklin und in ferner Zukunft der zweite US-Präsident nach George Washington.

    Femmes fatales Und natürlich – wir sind in Paris – spielt auch das schöne Geschlecht eine Rolle. Im Falle von Benjamin Franklin sind es die adelige Komponistin Anne Louise Brillon (Ludivine Sagnier) und die seinerzeit berühmte und bis heute bekannte Madame Helvétius, (Jeanne Balibar), die seinerzeit einen der beliebtesten Salons von Paris führte und über großen gesellschaftlichen Einfluss verfügte.

    Sugar Daddy Beiden Damen ist Franklin außerordentlich zugetan, ob es allerdings – wie die Serie andeutet – auch zu erotischen Annäherungen gekommen ist, oder ob die Verhältnisse platonisch und Franklins Handeln eher väterlicher Natur war, bleibt dahingestellt – immerhin war der Selfmade-Politiker am Ende seines Aufenthaltes in Paris (Franklin blieb bis 1785) hoch in den Siebzigern und hatte auch zunehmend mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.

    Fazit: Unterm Strich ist "Franklin" eine gelungene, recht  langsam erzählte Serie, die aber gerade daraus großen Charme zieht. Wer Action sucht, ist hier ebenso falsch wie die Anhänger moderner Aufnahmetechniken wie (verwackelte) Handkamera und rasante Schnitte. "Franklin" ist erfrischend retro, lehrreich, clever und vor allem phantastisch gespielt. Und Michael Douglas gibt den alternden Staatsmann mit so viel Verve und Charisma, so viel Spaß und Lockerheit, dass es von der ersten Sekunde an eine Freude ist, ihm zuzusehen. Ein großes und würdiges Alterswerk – gleichermaßen auf Englisch wie auf Deutsch (falls diese Version doch noch kommt).

    "Franklin", USA 2024, acht Folgen à ca. 50 Minuten, im Stream auf Apple TV+ (vier Episoden sind bereits online, die restlichen folgen an den nächsten vier Freitagen ab 26. April)

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