Neue Ausstellung

Hier können Sie mit KI ausprobieren, wie die Klimazukunft aussieht

Ein neuer "Future-Simulator" im Technischen Museum Wien zeigt, wie persönliches Handeln das Klima beeinflusst. Interessant, imposant, erschreckend.

Projektleiterin Gudrun Ratzinger in „Klima. Wissen. Handeln!“ Die neue Ausstellung ist ab sofort im Technischen Museum Wien zu sehen
Projektleiterin Gudrun Ratzinger in „Klima. Wissen. Handeln!“ Die neue Ausstellung ist ab sofort im Technischen Museum Wien zu sehen
Helmut Graf
Lydia Matzka-Saboi
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Die industrielle Revolution gilt als Startschuss für die Erderhitzung. Mit der Erfindung der Dampfmaschine wurde Muskelkraft durch Maschinen ersetzt, Güter konnten rascher, billiger und im großen Stil produziert werden. Die Geburtsstunde des Kapitalismus brachte den Menschen Wohlstand, aber auch einen enormen Anstieg an Treibhausgasemissionen.

Die Verbrennung von Kohle, Gas und Öl wurde enorm ausgeweitet. Bis zum Jahr 1848 stieß Österreich 26 Millionen Tonnen Kohlendioxid durch das Verbrennen von fossilen Brennstoffen aus. Seither sind es fast sechs Milliarden.

Dauerausstellung "Klima. Wissen. Handeln!" Dampflokomotiven, Textil- und Schreibmaschinen, Hochöfen, Automobile, Flugzeuge, Telefone, Fernsehen und Radio: Die industrielle Revolution brachte in den vergangen 200 Jahren eine enorme Vielfalt an technischen Innovationen hervor, die uns das Leben erleichterten. Die Faszination von Technik und Ideenreichtum lockt Besucher ins Technische Museum Wien, 2023 waren es über 500.000. Mit der neuen Dauerausstellung "Klima. Wissen. Handeln!" werden es bestimmt noch viel mehr.

Auf rund 600 Quadratmeter geben Schautafeln, Videoscreens mit Experten-Interviews, unter anderem mit Helga Kromp-Kolb von der BOKU Wien oder Patrick Kupper von der Uni Innsbruck, einen guten Überblick über das Thema. KI-generierte Simulationen von möglichen Klima-Szenarien machen die Zukunft plastisch, Ausstellungsstücke – vom ersten FCKW-freien Kühlschrank über gebleichte Korallen – gewähren Einblicke in Ursachen und Auswirkungen der Klimakrise.

    „Klima. Wissen. Handeln!“ Die neue Ausstellung ist ab sofort im Technischen Museum Wien zu sehen
    „Klima. Wissen. Handeln!“ Die neue Ausstellung ist ab sofort im Technischen Museum Wien zu sehen
    Helmut Graf
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    "Wir wollen ganz bewusst keine dystopischen Weltuntergangsbilder zeichnen, sagt Projektleiterin Gudrun Ratzinger, "sondern möglichst umfassend Wissen vermitteln und vor allem Mut zum Handeln auslösen. Es gibt keinen Grund für Lähmung, wir müssen nicht vor Angst erstarren". Lösungen wären vorhanden, "das 1,5-Grad-Ziel, das Pariser Klimaschutzziel, ist noch erreichbar.

    "Technik allein wird die Klimakrise jedenfalls nicht lösen", sagt Ratzinger. Wir stehen mitten in dieser Kathedrale der Fossilen, umgeben von Flugzeugen, Autos, einer kohlebetriebenen Dampflok, ja sogar einem riesigen Hochofen und die Frage, was das Technische Museum Wien mit Klimaschutz zu tun hat, drängt sich stärker in den Vordergrund. "Gerade in einem Haus, wo das fossile Zeitalter so präsent ist wie bei uns, ist es Zeit, zu reflektieren."

    Star der Schau: der KI-generierte "Future-Simulator" Für die Gestaltung unserer Zukunft wären alle gefragt: Politik, Wirtschaft und die Gesellschaft. Welche Rolle hier Mitbestimmung, das Ausüben unserer demokratischen Rechte spielt, wird im Herzstück der Klima-Ausstellung klar: im KI-generierten "Future-Simulator". Er ist das Highlight der Schau und für sich allein schon Grund genug, das Technische Museum zu besuchen.

    Lydia Matzka-Saboi in der Ausstellung „Klima. Wissen. Handeln!“ im Technischen Museum Wien
    Lydia Matzka-Saboi in der Ausstellung „Klima. Wissen. Handeln!“ im Technischen Museum Wien
    Helmut Graf

    So funktioniert der "Future-Simulator" Man steht auf einer leeren Fläche, ist umgeben von riesigen Videowalls. "Die Wege, die wir als Menschen heute einschlagen, bestimmen unser Morgen", erklärt uns eine freundliche Frauenstimme. Wir bekommen mehrere Fragen gestellt – von Bodenversiegelung über Ernährung bis hin zu Bildung und Mobilität. Der KI-Stimme geht es aber nicht um unser individuelles Verhalten, abgefragt wird, wie wir zu konkreten politischen Maßnahmen stehen.

    Wie bei der Kindersendung "1, 2 oder 3" So werden wir gefragt, ob wir mittels Mobilitäts-App, Steueranreizen oder CO2-Bepreisung den Verkehr klimafreundlich umgestalten wollen. Soll der Bio-Landbau gefördert, die Anzahl der Tiere für die Fleischproduktion reduziert oder mehr in pflanzliche Alternativen investiert werden? Wird unser Herz für Tiere auch weiterschlagen, wenn die Preise für nachhaltig produziertes Fleisch angehoben werden oder werden wir an der Supermarktkasse einknicken? Um zu antworten, müssen wir uns wie in der Kindersendung "1, 2 oder 3" auf eines der Felder stellen.

    Das Feld, auf dem die meisten Menschen stehen, wird als Antwort gespeichert. Am Ende beschreibt die Stimme dann eine Zukunft, sie basiert auf den Entscheidungen, die die Mehrheit getroffen hat. Auch allein kann die Reise in die Klimazukunft unternommen werden. Am Ende werden über "1, 2 oder 3" drei Szenarien ermittelt. 

    Szenario 1: Der Weg zu "Nachhaltig besser!" ist hart Um dorthin zu gelangen, muss man sich bei "1, 2 oder 3" stark disziplinieren, es sind einschneidende politische Maßnahmen notwendig. Autofahrten und Fleischkonsum drastisch reduzieren, kulturelle Teilhabe statt materielle Güter als Ziel, es ist ein dornenvoller Weg. 

    Szenario 2, "Zu zögerlich, aber doch!", warnt Wir werden in eine Zukunft geführt, in der die globale Durchschnittstemperatur in nur 25 Jahren um zwei Grad Celsius steigt. "Eure heutigen Entscheidungen zeigten zwar euren Willen zur Veränderung, reichten jedoch nicht aus, um langfristig eure Lebensqualität zu sichern", erklärt die Stimme aus dem Off. Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und andere Extremwetterereignisse verdeutlichen, dass der "Zeitpunkt für eine sanfte Transformation verpasst" wurde. Aber die Stimme macht Mut, Aufgeschobenes aufzuholen. 

    Fossile Zeiten: „Klima. Wissen. Handeln!“ Die neue Ausstellung ist ab sofort im Technischen Museum Wien zu sehen
    Fossile Zeiten: „Klima. Wissen. Handeln!“ Die neue Ausstellung ist ab sofort im Technischen Museum Wien zu sehen
    Helmut Graf

    Szenario 3, "Verpasste Chance", zerreißt uns Bilder von Flucht, Krankheit, von brennenden Wäldern, Fluten, Anarchie und Zerstörung werden gezeigt. "Weil ihr so weiterleben wolltet 'wie bisher', bleibt in eurer Zukunft leider nichts beim Alten", sagt die Stimme. Besonders südliche Länder sind betroffen, "aber auch in Österreich stehen Mensch und Natur unter Druck".

    Der "Future-Simulator" spricht Klartext, er will aufrütteln, aber auch Chancen aufzeigen. Es ist ein sehr imposantes Experiment. "Willkommen in der Zukunft, die ihr durch eure Entscheidungen geschaffen habt!", flötet die Stimme nach 20 Minuten Fragen. Pfu!

    Was es sonst noch zu sehen gibt Der Blick auf die großteils fossilen Exponate in den oberen Stockwerken werde sich verändern, wenn man zuvor die Klima-Ausstellung besucht hat, ist Projektleiterin Gudrun Ratzinger überzeugt. Was bleibt, sei die Faszination an den Maschinen, dem Entdeckergeist, der Technik selbst – dazu komme die Frage, wie wir unser technisches Wissen künftig einsetzen wollen.

    Ein Kühlschrank aus der DDR Noch bevor man also die imposante Stiege, die zur riesigen Dampflok, den Fliegern, Hochöfen, Schiffsmodellen und Verbrenner-Autos führt, nach oben steigt, sollte man links abbiegen in die Klima-Ausstellung. Hier werden Besucher gleich zu Beginn mit Bildern des Wiener Dokumentarfilmers Nikolaus Geyerhalter umspült: Wälder brennen, Unmengen an Plastik verschmutzen die Meere, Pestizide werden über Monokulturen versprüht. Vorbei an den ersten Schautafeln zu den Ursachen des Klimawandels fällt der Blick dann auf ein zuerst unscheinbar wirkendes Alltagsgerät: auf einen vom DDR-Unternehmen VEA in den 80er-Jahren hergestellter Kühlschrank.

    Der KI-generierte „Future-Simulator“ in der Ausstellung „Klima. Wissen. Handeln!“ im Technischen Museum Wien
    Der KI-generierte „Future-Simulator“ in der Ausstellung „Klima. Wissen. Handeln!“ im Technischen Museum Wien
    Helmut Graf

    Dieser Greenfreeze-Kühlschrank hat es aber in sich Er gilt Vielen als das Symbol der Hoffnung in der Klimapolitik, denn es handelt sich um den ersten industriell erzeugten Kühlschrank, der ohne dem Treibhausgas FCKW hergestellt wurde. Industriegase wie FCKW haben seit den 50er- bis Ende der 80er-Jahre die Ozonschicht, welche die Erde und ihre Bewohner vor dem UV-Licht der Sonne, uns Menschen vor allem vor Hautkrebs schützt, massiv ausgedünnt.

    Es geht also doch Als die internationale Staatengemeinschaft das Problem erkannte, wurde das Montreal-Protokoll geschnürt. Im Jahr 1987 beschlossen 197 Staaten einstimmig, die Produktion und den Verbrauch von teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffe wie eben FCKW über die nächsten drei Jahrzehnte drastisch zu reduzieren. Wissenschaftlicher Konsens führte damals, gepaart mit politischem Willen, zu einer raschen und echten Lösung des Problems. Dem Aha-Effekt folgte umgehend das Handeln. So kann’s also auch gehen.

    Ist der Einzelne wirklich machtlos? "Ein Wendepunkt in der Umweltpolitik, den wir beim Klimaschutz schmerzlich vermissen", sagt Ratzinger. Es gehe nämlich um die großen Schrauben beim Klimaschutz – Verkehr, Ernährung, Wohnen. So sei das Konzept des "ökologischen Fußabdrucks" zwar ein sinnvolles, um Umweltauswirkungen von individuellen Handlungen sichtbar zu machen, allerdings könne l der Einzelne das große Ganze nur begrenzt beeinflussen. Wenn man etwa am Land lebt, zwar theoretisch gerne klimafreundliche Öffis nutzen möchte, aber mangels Alternativen wie Bus oder Bahn auf das Auto angewiesen ist.

    "Klima. Wissen. Handeln!", Technisches Museum Wien, Mariahilfer Straße 212, 1140 Wien. Dauerausstellung mit Verantaltungen, Programm unter: www.technischesmuseum.at/ausstellung/klima_wissen_handeln. Montag–Freitag 9 Uhr bis 18 Uhr, Samstag, Sonntag & feiertags 10 Uhr bis 18 Uhr. Eintrittspreis 16 Euro, Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren gratis.

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