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Rekord-Expedition

In 7 Tagen auf den Mount Everest: Die "Provokation" hat begonnen

4 Engländer wollen innerhalb einer Woche zum höchsten Berg der Welt fliegen, ihn erklettern und zurück sein. Ein Tiroler soll es möglich machen. Am Freitag sind die Briten in London ins Flugzeug gestiegen. Wie das klappen soll, was alles schief gehen kann.

In 7 Tagen auf den Mount Everest und wieder retour – eine Expedition unter österreichischer Leitung will das möglich machen. Am Freitag sind die Teilnehmer aus London aufgebrochen
In 7 Tagen auf den Mount Everest und wieder retour – eine Expedition unter österreichischer Leitung will das möglich machen. Am Freitag sind die Teilnehmer aus London aufgebrochenHO / AFP / picturedesk.com
Martin Kubesch
Akt. 17.05.2025 00:17 Uhr

Schon die Ankündigung Anfang des Jahres sorgte für helle Aufregung in der Alpinisten-Szene. Der Tiroler Expeditionsveranstalter und Bergsteiger-Profi Lukas Furtenbach hatte einen Plan ersonnen, wie er gut situierte Hobby-Bergsteiger binnen einer Woche vom Arbeitsplatz auf den höchsten Berg der Welt und wieder zurück bekommt. Zielgruppe: Gestresste Manager im Höhenrausch, die genügend Geld, aber immer zu wenig Zeit haben, um sich ihre Wünsche erfüllen zu können.

Aus Spaß wird Ernst Was manche Beobachter bis zum Schluss nicht geglaubt haben, scheint jetzt tatsächlich zu passieren. Am Freitag stiegen vier britische Abenteurer in London in den Flieger Richtung Nepal, um die schnellste Mount Everest-Besteigung aller Zeiten zu realisieren. 7 Tage lautet das offizielle Ziel der Berg-Cracks. Aber selbst wenn sie ein paar Tage mehr benötigen sollten, werden sie immer noch mit Abstand die Schnellsten sein – denn der bisherige Rekord liegt bei 21 Tagen von Tür zu Tür.

Wie das funktionieren soll, wer die vier Teilnehmer sind, wieviel sie der Spaß kostet und was das Mastermind hinter diesem Plan unternommen hat, damit alles möglichst sicher und reibungslos abläuft. Das ist die verrückteste Expedition des Jahres:

Nochmals ganz kurz: Was ist der Plan?
Vermögende Freizeit-Alpinisten in der absoluten Mindestzeit auf den höchsten Berg der Welt und wieder retour zu bringen. 7.400 Kilometer nach Katmandu, rauf auf über 8.800 Meter, runter und wieder heim. Eine moderne Version von Jules Vernes "Reise um die Erde in 80 Tagen".

Warum muss das so schnell gehen?
Weil die Zielgruppe für diese Art von Abenteuer zwar genügend Geld, aber kaum Zeit hat, ihre Wünsche und Abenteuer umzusetzen. Top-Manager, Unternehmer, die es sich nicht leisten wollen, für eine Bergbesteigung drei, vier oder noch mehr Wochen von ihrem Job wegzubleiben. Die sich aber ein verrücktes Ziel setzen. Und der Mount Everest ist für ambitionierte Bergsteiger nun einmal das ultimative Ziel – höher hinaus geht es nicht mehr auf dieser Welt.

Wie lange benötigt man für gewöhnlich auf den Everest?
Das muss man differenziert beantworten. Die Erstbesteigung durch Sir Edmund Hillary im Jahr 1953 dauerte gut 2 Monate. Heute kommt es vor allem darauf an, wie man sich vorbereitet und wo man ansetzt. Wer bereits vorab mit Höhentraining beginnt und seinen Körper auf die sauerstoffarme Luft in großer Höhe einstellt, wird sich dann am Everest leichter tun. Die absolute Mindestzeit bislang waren 21 Tage. Solche Blitz-Besteigungen werden seit den 2010er-Jahren von Veranstaltern angeboten, darunter auch von Furtenbach.

Und wie soll es jetzt in 7 Tagen klappen?
Durch viel Hightech, moderner Medizin und einer rigorose, monatelangen Vorbereitung. Die vier Teilnehmer haben allesamt seit Jahresbeginn (auch mit verminderter Sauerstoffzufuhr) trainiert, in sogenannten Hypoxiezelten geschlafen, in denen der Sauerstoffgehalt niedriger ist als normal. So sind ihre Körper bereits jetzt auf die Luftbedingungen eingestellt, wie sie in 6.000 oder 7.000 Metern Höhe herrschen.

Wer sind die vier Teilnehmer der "Mission: Everest"?
Der ehemalige Berufsoffizier, Airline-Pilot und Extrembergsteiger Garth Miller (51), die Unternehmer Kevin Godlington (49) und Anthony "Staz" Stazicker (41), beides ehemalige Army-Kollegen von Miller, sowie der aktuelle Veteranenminister der Labour Party, Alistair "Al" Carns (44). Sie trainieren seit Monaten für die Tour (siehe Instagram-Link oben) und nutzen diese gleichzeitig als Spendenaktion für Army-Veteranen.

Das sind jetzt aber keine Millionäre, oder?
Nein, es geht bei der Premiere ums Aufzeigen der Möglichkeiten. Das Team soll beweisen, dass eine solche Expedition durchführbar ist. Und damit das Interesse einer gut betuchten Klientel wecken.

Was ist die Motivation?
"Es geht darum, das Ethos der Spezialeinheiten in diese Mission einzubringen", sagt Berufspolitiker und Ex-Army-Offizier Al Carns. "Dazu gehört eine Vielzahl von innovativen Technologietrainings, um die Erfolgschancen zu erhöhen und gleichzeitig das Risiko zu minimieren." Es ist davon auszugehen, dass alle 4 früher Mitglieder des britischen Special Air Service (SAS) gewesen sind, eine der ältesten existierenden Spezialeinheiten der Welt.

Gab es noch mehr Hightech-Medizin?
Ja, alle vier Männer bekamen am 4. Mai, vor zwei Wochen also, eine Spezialbehandlung mit einem Xenon-Gas-Gemisch. Dadurch soll es ihrem Organismus zusätzlich leichter fallen, mit den extremen Sauerstoffbedingungen in der großen Höhe umzugehen. Das Verfahren hat ein deutscher Anästhesisten und Intensivmediziner entwickelt, Veranstalter Lukas Furtenbach hat es selbst bereits mehrfach ausprobiert und war vom Ergebnis begeistert.

Gibt es einen wissenschaftlichen Beleg für den Erfolg der Therapie?
Nein, der Internationale Bergsteigerverband (IBF) warnt in einer Stellungnahme sogar: „Der aktuellen Literatur zufolge gibt es keine Hinweise darauf, dass das Einatmen von Xenon die Leistung im Gebirge verbessert. Unsachgemäßer Gebrauch kann gefährlich sein."

Was sagen andere Experten?
Es gibt einige skeptische Stimmen. Peter Hackett, Bergsteigerexperte und Arzt, weist in der Washington Post darauf hin, dass die wenigen Studien zur Wirkung von Xenon unzureichend seien. "Steigert Xenon die Anzahl der roten Blutkörperchen? Nun, das wurde nie wirklich schlüssig bewiesen".

Es gibt aber auch andere Bedenken?
Ja, die sind eher ethischer Natur. Lässt sich der Wettlauf auf den höchsten Berg der Welt noch mit dem klassischen Bergsteigen in Einklang bringen. Furtenbach ist die Debatte bewusst, er nennt sein Abenteuer auch bewusst "Provokation".

Und wie läuft diese Rekord-Tour jetzt ab?
Der Plan ist, dass das Quartett am Samstag in Kathmandu, der Hauptstadt Nepals, aus dem Flieger steigt und sofort mit dem Helikopter ins Everest-Basislager auf 5.300 Meter Höhe geflogen wird. Nach 2 Stunden Vorbereitung soll es dann mit Sauerstoff-Unterstützung und Sherpa-Hilfe auch schon losgehen. Drei Tage soll der Aufstieg zum Gipfel dauern, maximal 2 Tage der Abstieg. Vom Basislager geht's per Heli wieder zurück zum Airport und retour nach London.

Wie viel Begleitung haben sie dabei?
Mehrere Bergführer sowie Sherpas zur Unterstützung. Und es ist genügend Sauerstoff mit dabei, dass jeder Teilnehmer jederzeit mit Sauerstoffunterstützung klettern kann.

Wird Lukas Furtenbach ebenfalls mit auf den Gipfel gehen?
Das würde er, wenn er nicht gerade eine Knie-OP hinter sich hätte, deren Folgen ihn noch einschränken. Daher wird er die Rekord-Tour vom Basislager aus überwachen.

Klingt unkompliziert
Ist es auch – theoretisch. Wenn das Wetter passt und auch sonst keine Zwischenfälle passieren, kann das klappen. Allerdings ist es der Himalaya, die Wetterbedingungen können hier rasch umschlagen. Und es sind hunderte Bergsteiger im Basislager, die alle auf ein günstiges Zeit- und Wetterfenster warten, um zum Gipfel aufbrechen zu können. Genügend Unsicherheitsfaktoren also, die den optimistischen Zeitplan zurückwerfen können.

Dicht an dicht reihen sich die Zelte im Basislager auf 5.300 Metern Höhe. Oft warten hier hunderte Kletterer gleichzeitig auf die Chance, zum Gipfel aufzusteigen
Dicht an dicht reihen sich die Zelte im Basislager auf 5.300 Metern Höhe. Oft warten hier hunderte Kletterer gleichzeitig auf die Chance, zum Gipfel aufzusteigen
PURNIMA SHRESTHA / AFP / picturedesk.com

Wie ist die Situation derzeit am Mount Everest?
Die Saison hat erst vor wenigen Tagen begonnen und es sind bereits die ersten Todesopfer zu verzeichnen. Ein philippinischer und ein indischer Bergsteiger sind gestorben, beide dem Vernehmen nach an Entkräftung, ausgelöst auch durch die Höhenkrankheit, die in der Region über 8.000 Meter Höhe die größte Gefahr für Leib und Leben darstellt.

Aber die könnte man ja durch Sauerstoff aus der Flasche umgehen, oder?
Ja sicher. Nur: Es ist teuer und mühselig, die Sauerstoffflaschen auf den Berg zu bringen. Deshalb ist Flaschensauerstoff bei günstigeren Expeditionsarrangements auch nicht obligatorisch für alle Teilnehmer, sondern wird nur punktuell gegeben. Das vergrößert das Risiko von Höhenkrankheit durch Sauerstoffmangel – und kann im schlimmsten Fall zum Tod führen.

Wie viele Menschen sind denn überhaupt bereits am Mount Everest gestorben?
So genau weiß man das nicht, weil früher nicht so genau darauf geachtet wurde, was am Berg passiert. Dazu kommt, dass die Sherpas, die die Hobby-Bergsteiger begleiten, früher überhaupt nicht gezählt wurden, wenn sie verunglückt sind oder an Entkräftung starben. Eine grobe Schätzung geht davon aus, dass seit der Erstbesteigung  1953 mindestens 335 Menschen ums Leben gekommen sind.

Wie schätzt Veranstalter Lukas Furtenbach das Risiko seiner 7-Tage-Tour ein?
Er sieht die Kürze als Sicherheitsvorteil. Je weniger Zeit die Bergsteiger in der großen Höhe verbringen müssten, um sich an die sauerstoffarme Luft zu gewöhnen, desto geringer das Risiko von Unfällen. Und, so der Tiroler, auch die Umwelt hätte einen Vorteil, weil die Bergsteiger durch die kürzere Anwesenheit auch wesentlich weniger Müll auf dem Berg hinterlassen würden.

Kürzer am Berg = weniger Müll: Auch für die Umwelt sieht Expeditionsveranstalter Lukas Furtenbach Vorteile durch seine Speed-Tour
Kürzer am Berg = weniger Müll: Auch für die Umwelt sieht Expeditionsveranstalter Lukas Furtenbach Vorteile durch seine Speed-Tour
DAMIAN BENEGAS / AFP / picturedesk.com

Und was kostet der ganze Spaß jetzt?
Noch wird die 7-Tage-Tour nicht offiziell angeboten, sämtliche "Flash-Touren" im Programm gehen von einer Mindestzeit von 21 Tagen aus, je nach Wettersituation und gewählter Route. Aber sobald die 7-Tage-Tour offiziell im Programm steht, soll sie 150.000 Euro kosten.

Wann wissen wir, ob die 4 Briten erfolgreich gewesen sind?
Frühestens in 7 Tagen - wenn das Wetter mitspielt. Es bleibt also interessant.

Martin Kubesch
Akt. 17.05.2025 00:17 Uhr