Preise steigen

Kalter Gegenwind: Ist Gas für uns bald wieder unbezahlbar?

Kein Russland-Gas mehr über die Ukraine, dazu ein härterer Winter als in den vergangenen Jahren: Die Gasspeicher leeren sich derzeit schneller als zuletzt. Geld-Expertin Monika Rosen erklärt die Folgen. Es wird wieder teurer.

In Haidach steht eine der größten Erdgasspeicheranlagen Mitteleuropas
In Haidach steht eine der größten Erdgasspeicheranlagen Mitteleuropas
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Monika Rosen
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Egal wie man es betrachtet, mit dem Jahresbeginn 2025 weht uns ein kalter Wind entgegen. Sowohl Teile von Europa als auch der USA erleben nach längerer Pause wieder einmal einen Winter fast wie in alten Zeiten, wenn auch mit weniger Schnee.

Gleichzeitig fließt seit 1. Jänner kein russisches Gas mehr über die Ukraine zu uns. Haben wir also überhaupt genug Gas vorrätig, um über den Winter zu kommen? Und selbst wenn ja, wird es bald wieder unbezahlbar? Und warum ist der Gaspreis im Sommer so wichtig, wenn da überhaupt nicht geheizt wird? Wie Sie bei diesem brennenden Thema kühlen Kopf bewahren, sagt Ihnen Monika Rosen:

Was muss man grundsätzlich über den europäischen Gaspreis wissen?
Der Gaspreis in Europa wird mit TTF abgekürzt, das steht für "Title Transfer Facility". Darunter versteht man die virtuelle Börse für den Gashandel in Europa, ihr Sitz ist in Amsterdam. Der TTF Gaspreis bezieht sich auf eine Megawatt Stunde Gas und schwankt derzeit um die Marke von 50 Euro.

Monika Rosen war über 20 Jahre lang Chefanalystin im Private Banking einer österreichischen Großbank. Sie ist auch Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft
Monika Rosen war über 20 Jahre lang Chefanalystin im Private Banking einer österreichischen Großbank. Sie ist auch Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft
Helmut Graf

Kann man diesen Wert etwas einordnen?
Der Gaspreis befindet sich aktuell auf dem höchsten Stand seit Ende 2023. Noch letzten März notierte TTF unter 30 Euro. Seinen absoluten Rekord erreichte der Gaspreis im Sommer 2022 mit 345 Euro.

Was kann man zu den Gründen sagen?
Vordergründig sieht es so aus, als wäre der Ausfall der russischen Gasimporte hauptverantwortlich für den Preisanstieg. Analysten gehen aber davon aus, dass andere Gründe schwerer wiegen.

Welche sind das?
Einerseits erlebt Europa (und auch Nordamerika) derzeit nach längerer Pause wieder einmal einen kälteren Winter. Aktuelle Prognosen sagen in Nordeuropa für die nächsten 14 Tage Temperaturen um 4 Grad unter dem Schnitt der letzten 10 Jahre voraus. Gleichzeitig gab es vor allem in der Nordsee in den letzten Wochen wenig Windaufkommen. Und in Norwegen kam es bei einer Flüssiggasanlage zu Ausfällen auf Grund von technischen Problemen. All das hat den Gaspreis zum Jahreswechsel angetrieben.

Nochmals zurück zum russischen Gas. Wie viel ist uns da jetzt tatsächlich verloren gegangen?
Wenn wir die Gesamtmenge an Gas betrachten, die die EU importiert, so sprechen wir von rund 5 Prozent, die durch den Ausfall des Gastransits über die Ukraine weggefallen sind. Einige Länder, darunter Ungarn, die Slowakei und auch Österreich, waren aber stärker betroffen als andere.

Die Entwicklung der Gasimporte aus Russland in die EU
Die Entwicklung der Gasimporte aus Russland in die EU
Gas Connect Austria

Wie sehen die Zahlen für Österreich genau aus?
Im Februar 2022, beim Ausbruch des Krieges in der Ukraine, importierte Österreich noch 80 Prozent seines Gasbedarfs aus Russland. Im September des Vorjahres waren es nur mehr rund 20 Prozent. Mit Einstellung der Lieferung per 1. Jänner sind wir bei 0 angelangt.

Was heißt das alles jetzt für die Gasversorgung in Europa im Jänner 2025?
Zunächst: wir brauchen sicher keinen Mangel zu fürchten, auch wenn dieser Winter noch überdurchschnittlich kalt bleiben sollte (wovon manche Prognosen ausgehen).

Aber?
Die Gasspeicher leeren sich derzeit schneller als in den vergangenen Jahren. Zum Jahreswechsel betrug der Füllstand der europäischen Gasspeicher im Schnitt knapp über 70 Prozent. Zum Vergleichszeitpunkt des Vorjahres lag dieser Wert bei über 85 Prozent. Im Schnitt der letzten 15 Jahre betrug der Füllstand Anfang Jänner immer noch knapp 75 Prozent.

Reichen die Gasvorräte bis zum Ende der Heizperiode?
Ja, auch das ist gut abgesichert. Es geht vielmehr um die Frage, wie hoch der Füllstand der Speicher im März, zum Ende des Winters, sein wird. Denn das hat Auswirkungen auf den Gaspreis im Sommer.

Gazprom-Chef Alexei Miller am International Gas Forum in St. Petersburg
Gazprom-Chef Alexei Miller am International Gas Forum in St. Petersburg
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Wie ist da der Zusammenhang?
Je leerer die Gasspeicher im März sind, desto schwieriger und vor allem teurer wird es, sie für die nächste Heizperiode zu befüllen. Schätzungen gehen davon aus, dass der Füllstand im März bei rund 30 Prozent liegen wird, möglicherweise sogar darunter.

Wie werden die Gasspeicher aufgefüllt?
Bis zum 1. November müssen wieder 90 Prozent erreicht werden, das ist eine EU Vorgabe. Insofern hat der vergleichsweise hohe Verbrauch, den wir derzeit sehen, vor allem Auswirkungen auf den Gaspreis im Sommer. Da ist keine so deutliche Entspannung zu erwarten wie im Sommer 2024, als TTF deutlich unter 30 € notierte.

Drohen uns also bald wieder Gaspreise um die 300 Euro, wie im Sommer 2022?
Nein, das ist extrem unwahrscheinlich. Selbst wenn sich der Gaspreis vom aktuellen Niveau verdoppelt, wären wir "erst" bei rund 100 Euro. Teuer und unangenehm, aber immer noch weit entfernt vom Rekord. Tatsache ist aber, dass ein kalter Winter ohne russisches Gas die Energiekosten nach oben treibt. Und das hat nicht nur Auswirkungen auf die Verbraucher, sondern auch auf die Wirtschaft insgesamt.

Bundeskanzler Karl Nehammer am 15. November 2024, bei einem Pressestatement im Bundeskanzleramt, anlässlich des Gas-Lieferstopps aus Russland
Bundeskanzler Karl Nehammer am 15. November 2024, bei einem Pressestatement im Bundeskanzleramt, anlässlich des Gas-Lieferstopps aus Russland
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Inwiefern?
Das produzierende Gewerbe in Europa verliert derzeit stark an Wettbewerbsfähigkeit. Einer der Gründe dafür sind die hohen Energiekosten. In den letzten beiden Jahren hat uns ein vergleichsweise milder Winter in diesem Punkt ein bisschen geholfen. Heuer ist das anders. Es gibt also schon 1.000 Gründe für Europa, hier gemeinsam eine Anstrengung zu unternehmen, um im globalen Wettbewerb nicht weiter zurückzufallen.

Gibt es noch andere Lehren aus der derzeitigen Situation?
Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern ist gut und richtig, aber er erfordert auch mehr Backup. Erneuerbare Energien haben einfach eine höhere Volatilität, das müssen wir einplanen und diesbezüglich mehr Reserven schaffen.

Monika Rosen war mehr als 20 Jahre bei einer heimischen Großbank tätig, ist Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft und gefragte Spezialistin rund um alle Geldthemen

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