STEFAN VERRA

Körpersprache-Experte: So klappt es mit der Liebe auf Tinder & Co

600.000 sind in Österreich via App auf Partnersuche. Stefan Verra verrät, warum das oft schief geht. Und wieso digitale Treffen richtige Dates nicht ersetzen können.

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Vor zwölf Jahren wurde der Weg zur Liebe für viele neu definiert. Tinder kam auf den Markt, die App organisierte das Anbandeln neu, Partnerinnen und Partner lassen sich nun per Wischen finden. Mittlerweile kümmern sich Dutzende weitere Anbieter um das Liebesleben nicht nur der jungen Generation. Was die digitale von der realen Welt unterscheidet, was man in Tinder-Profile schreibt und was besser nicht, wie und ob sich Lügner erkennen lassen – Körpersprache-Experte Stefan Verra klärt auf:

Warum Tinder-Profile oft in die Irre führen
Was wir reinschreiben, ist eigentlich heiße Luft. Der Mensch muss mit seiner Körpersprache zeigen, dass er meine Emotionen erfüllt. Wenn ich "entscheidungsstark" in ein Profil schreibe, bedeutet das noch nichts. Es wird erst durch Körpersprache sichtbar. Wenn ich schnelle, zielgerichtete Bewegungen mache.

Was ich in Tinder-Profile nicht schreiben sollte
"Humorvoll". Entweder ich habe einen Schmäh, oder ich habe ihn nicht.

Was beim ersten Daten egal ist
Was man redet, ist völlig irrelevant. Es geht beim ersten Date nur darum, sich zu finden und Begeisterung zu zeigen, dass man emotional sein Gegenstück entdeckt hat.

Der gröbste Fehler beim Kennenlernen
Beim ersten Date zu glauben, dass man etwas präsentieren muss. Damit signalisiert man einfach nur, dass man sich darstellen will, zeigt aber nicht seine Persönlichkeit. Am besten ist es gleich zu zeigen, wie man ist, weil es nachhaltiger ist.

Was nach der ersten Verliebtheit passiert
Nach etwa sechs Monaten bis einem Jahr nimmt der Hormonexzess im Gehirn ab und dann passiert etwas Interessantes, was statistisch nachweisbar ist. Im gleichen Ausmaß, wieder der Hormonexzess abnimmt, nimmt die Trennungsrate zu. Weil jetzt fängst du an, plötzlich alles wieder ganz, ganz klar zu sehen.

Woran das im Alltag sichtbar wird
Du bist verliebt, gehst zum ersten Mal mit in seine Wohnung und denkst dir, wow, wie toll der ist, der lässt sogar die Socken herumliegen. Und nach einem Jahr trennst du dich von ihm genau wegen der herumliegenden Socken.

Das Wichtigste beim Date, laut Körpersprache-Experte Stefan Verra: "Zuerst muss die emotionale Ebene stimmen"
Das Wichtigste beim Date, laut Körpersprache-Experte Stefan Verra: "Zuerst muss die emotionale Ebene stimmen"
iStock

In was wir uns eigentlich verlieben
In die Körpersprache eines Menschen. Jetzt werden wahrscheinlich ein paar sagen, nein, es sind die inneren Werte, aber die kennst du da noch gar nicht.

Was das in der Praxis für Folgen hat
Ich beschreibe das an einem Beispiel: Zwei Frauen sitzen in einem Lokal, haben einen netten Mädelsabend, beide sind Single. Unbewusst nehmen sie alle Männer im Lokal wahr, weil das Unterbewusstsein klug ist. Klug genug, die Idioten gleich einmal auszusortieren, aber wahrgenommen haben sie alle. Das passiert beiläufig, während sie reden, schauen Sie auf die Seite. Und sehen zwei Männer am Tresen. Die hören sie nicht, weil die Musik zu laut ist, aber sie sehen die Bewegungen.

Was die Körpersprache in so einer Situation leistet
Die zwei Frauen sehen, dass sich einer der der beiden sehr schnell bewegt, sehr lebendig ist, Augenbrauen, Mundwinkel, viel Gestik. Und eine der beiden Frauen ist total angefixt. Weil sie ein inneres Bedürfnis nach Enthusiasmus, nach Begeisterung hat und seine temperamentvolle Körpersprache verspricht ihr, dass ihre Bedürfnisse befriedigt werden. Aber die Freundin von ihr sieht den und denkt sich: Was ist denn das für ein nervöser Typ? Sie hat ein anderes Bedürfnis. Der zweite Mann am Tresen hat genau ihre Körpersprache, wahnsinnig ruhig, sehr gelassen, sehr langsame Bewegungen. Das fixt sie jetzt an, denn sie hat ein Bedürfnis nach Stabilität, nach Berechenbarkeit. Sie sucht eine Schulter zum Anlehnen.

Was das für Online-Dates bedeutet
Die stabile Körpersprache verspricht der Frau, dass ihre Bedürfnisse befriedigt werden. Und damit hat sie eine Beziehung aufgebaut. Die andere Frau denkt sich aber wieder: Was ist das für eine Schlaftablette? Und deswegen gehen so viele Online -Datingtermine schief. Beim Online -Dating, da schreibt man sich, da sendet man Fotos hin und her und man interpretiert rein. Bei einem Foto kann man leicht Aktivität reininterpretieren. Aber wenn ich den Menschen sehe, dann offenbart sich alles. Es ist tatsächlich so: Die erste Verbindung zwischen Menschen ist immer die Körpersprache und der andere muss mir versprechen, meine Bedürfnisse zu befriedigen.

"Wir müssen ein bisschen ein Demut vor der Größe der Persönlichkeit eines Menschen haben"
"Wir müssen ein bisschen ein Demut vor der Größe der Persönlichkeit eines Menschen haben"
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Was die Fallen von Tinder & Co sind
Zuerst muss die emotionale Ebene stimmen. Was wir aber alle machen: Wir schreiben in die Profile rein, was wir glauben, wie wir sind. Beispiel: Ein Mann gibt an, er sei humorvoll und entscheidungsfreudig. Die Frau denkt sich: Super, genau so einen suche ich. Einen, der Schmäh hat und weiß, was er will. Dann trifft sie den. Und er steht beim Eingang zum Lokal und fragt, ob sie jetzt reingehen oder nicht. Dann sitzen sie da und sie muss das Kommando übernehmen, er hat nicht einmal den Mumm, den Kellner rufen. Ab da ist das, was er ins Profil geschrieben hat, genau gar nichts mehr wert.

Wie man diese Flops vermeidet
Ich rate ganz dringend dazu, Leute, trefft euch so schnell wie möglich. Weil dieser Filter, den wir vor Social Media gehabt haben, ist weg. Da hättest du im Lokal mit dem ja gar nicht angefangen zu reden.

Ob die Körpersprache Lügner enttarnt
Da geistert viel herum, dass man Lügner erkennen könne. Sie würden den Blickkontakt meiden, den Mund mit der Hand verdecken oder in irgendeine Ecke des Auges schauen. Da nimmt man die Wissenschaft einfach zu wenig wichtig, wenn man das einfach so hinnimmt.

Was die Wissenschaft dazu sagt
Es gibt große Studien mit über 20.000 Probandinnen und Probanden, da waren auch FBI-Beamte dabei, die im Erkennen von Lügen geschult waren. Aber dabei wurden auch keine höhere Quoten, als 50 zu 50 erzielt. Also jede zweite Einschätzung war falsch. Das ist die gleiche Quote wie beim Raten.

Was die Schwierigkeit dabei ist
Da kommt jemand rein und er zeigt typische Signale. Diese Signale wahrzunehmen ist keine Kunst. Man kann das heute mit Kameras wahnsinnig gut erkennen. Jetzt kommt jemand auf dich zu, beginnt mit dir zu sprechen und du merkst, der meidet Blickkontakt, deckt den Mund mit der Hand ab. Es kann tatsächlich sein, dass der dich anlügt. Es kann aber auch sein, dass dem jetzt gerade eingefallen ist, dass er zu Hause vergessen hat, das Bügeleisen abzudrehen.

Was das für den Alltag bedeutet
Von außen kann ich nur die Körpersprache erkennen, aber ich kann niemals erkennen, was der auslösende Gedanke war. Und da muss man jetzt Ludwig Wittgenstein zitieren, der in seinem "Tractatus" gesagt hat, "wofür es keine Worte gibt, darüber muss man schweigen". Fakt ist: An der Körpersprache sind Lügner nicht einmal annähernd zu erkennen.

Lassen sich Lügner durchs Bauchgefühl entlarven
Man hat einen Partner, eine Partnerin und ist gegenseitig kalibriert. Wenn jetzt ein Mensch völlig anders reagiert als sonst üblich, dann kann das wegen einer Lüge sein, aber es kann auch wegen etwas ganz anderem sein. Das Bauchgefühl entsteht also immer, wenn ich eine Erwartung habe und die wird nicht erfüllt.

Ob ich an der Körpersprache erkenne, ob mein Partner mich betrügt
Je besser man eine Person kennt, desto feinfühliger ist man natürlich bei Veränderungen. Aber Achtung: Wenn man Lügen erkennen könnte, dann würde man ja auch immer draufkommen, dass man betrogen wird, vor allem wenn man zehn, zwanzig Jahre verheiratet ist. Aber es ist eben nicht so, weil man für manche Dinge einfach zu blind ist. Und ganz, ganz wichtig, die Körpersprache ist kein zuverlässiger Offenbarer.

"An der Körpersprache sind Lügner nicht einmal annähernd zu erkennen"
"An der Körpersprache sind Lügner nicht einmal annähernd zu erkennen"
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Warum es keine gute Idee ist, aus der Körpersprache auf die Psyche zu schließen
Die meisten Menschen glauben, sie könnten anhand der Körpersprache ein Psycho-Urteil über andere Menschen fällen. Dazu sage ich eines: Wer glaubt, er kann Menschen nach Mundverschließen und Blickwinkeln beurteilen, sollte sich überlegen, was ist, wenn das jemand mit ihm macht. Du gehst irgendwo rein und schaust nach links unten, legst die Hand vor den Mund und dann kommt jemand her zu dir und sagt: "Warum lügst du mich an?" Und du antwortest: "Was? Ich lüge gar nicht." Wenn es um uns selber geht, sind wir immer sehr empfindlich, aber bei anderen versuchen wir solche Dinge anzuwenden. Hoch unwissenschaftlich.

Wie Körpersprache in der Liebe in die Irre führen kann
Du bist mit jemandem zusammen, der kommt seit 15 Jahren heim und sitzt immer die erste halbe Stunde vorm Fernseher. Du hast dich damit abgefunden. Jetzt kommt der plötzlich nach Hause und plaudert und bewegt sich wahnsinnig schnell und setzt sich dann noch neben dich. Du kannst dich jetzt zu ihm hindrehen und sagen: "Gib es zu, wie heißt sie?" Es ist da einfach ein Unterbrechen, ein Irritation zu dem, was wir gewohnt sind. Und üblicherweise wird man da hellhörig.

Was der Irrglaube ist
Es kann sein, weil er dich betrügt. Es kann aber genauso sein, weil er so ein tolles Geschenk für dich gefunden hat und er will es nur noch nicht sagen. Oder er hat eine Überraschung für dich am Wochenende. Das heißt, wir müssen echt aufpassen, dass wir nicht reininterpretieren, was wir reininterpretieren wollen. Wir müssen ein bisschen eine Demut vor der Größe der Persönlichkeit eines Menschen haben.

Stefan Verra ist einer der gefragtesten Körpersprache-Experten in Europa. Bestsellerautor (aktuell "Warum Frauen oft nicht ernst genommen werden und Männer unfreiwillig Single sind"), Gastdozent an Unis. Er spricht jährlich vor über 100.000 Menschen

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