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"Highest 2 lowest"

Millionär am Scheideweg: Im Business bleiben – oder ein Leben retten?

"Highest 2 Lowest", der neue Thriller von Spike Lee, ist das Remake eines japanischen Klassikers aus 1963 – und trotzdem super modern. Als Musik-Mogul glänzt Denzel Washington, der vor einer schrecklichen Gewissensfrage steht. Ab sofort im Streaming auf Apple TV+.

Cool wie lange nicht: Denzel Washington als Musik-Mogul David King in Spike Lees "Highest 2 Lowest" auf Apple TV+
Cool wie lange nicht: Denzel Washington als Musik-Mogul David King in Spike Lees "Highest 2 Lowest" auf Apple TV+Apple TV+ /A24
Christian Klosz
Akt. 08.09.2025 23:58 Uhr

Spike Lee gilt bis heute als Ikone des "Black Cinema". Kein anderer Hollywood-Filmemacher hat die "schwarze Kultur" derart detailliert, ambivalent, aus einer beinahe ethnografischen "Innensicht" porträtiert wie er. Waren seine frühen Filme (etwa "Do the right thing") noch unverhohlen rebellische Anklagen gegen Rassismus, die "weißen USA" und durchwegs kontrovers, kann man Lees jüngeren Werken beinahe so etwas wie "Altersmilde" attestieren. Wobei das das falsche Wort ist; jedenfalls aber sind sie weniger radikal, zugänglicher, mitunter sogar versöhnlich, auf jeden Fall ausbalancierter in ihren Ansichten.

Chronist des "schwarzen Amerika" Was Spike Lee geblieben ist: Das Gespür für amerikanische Lebensrealitäten, gerade jene der schwarzen Bevölkerung, die Lee als "Chronist" nun aus älterer, vielleicht weiserer Sicht reflektiert. Der Mann ist inzwischen auch fast 70 und genießt den Status als Regie-Ikone, den wütenden Underground-Habitus hat er weitgehend abgelegt.

Finger in die Wunden legen Spike Lees Filme bleiben trotzdem höchst relevant und, legen die Finger in Wunden der US-Gesellschaft: In seinem Meisterwerk "Blackkklansman" verband er Kritik an institutionellem Rassismus mit dem beißenden Porträt einer "White Supremacy"-Gruppierung, um am Ende den Bogen zur Gegenwart unter Donald Trump zu spannen. "Da 5 Bloods" verband die Geschichte schwarzer Vietnam-Veteranen erneut mit der Jetztzeit, Delroy Lindo durften darin einen begeisterten Trump-Supporter spielen.

Kurosawa-Remake "Highest 2 Lowest" lässt sich nun am besten als Mischung zwischen Lees jüngsten, politischen Werken und seinen eher mainstreamigen Thrillern wie "Inside Man" beschreiben: Da wie dort spielt die Hauptrolle Denzel Washington, der gerade im neuen Film eine überragende Leistung hinlegt. Die Idee für die Geschichte holte sich Lee übrigens von einer anderen Regie-Ikone: Der Film ist ein - sehr persönliches - Remake von Akira Kurosawas "High and Low" aus 1963.

Trey King (Aubrey Joseph, l.) und Kyle Christopher (Elijah Wright), der Sohn des Chauffeurs, sind Freunde, ihre Väter ebenfalls
Trey King (Aubrey Joseph, l.) und Kyle Christopher (Elijah Wright), der Sohn des Chauffeurs, sind Freunde, ihre Väter ebenfalls
Apple TV+ /A24

Musik-Mogul Denzel Washington spielt den erfolgreichen Musik-Mogul David King, der wohl zumindest teilweise an Jay-Z angelehnt ist. Seine größten Erfolge liegen zwar schon einige Jahre zurück, noch immer genießt er aber den Status als "Mann mit den besten Ohren" im Business, der junge Talente entdecken und zu Stars machen kann. Gemeinsam mit seiner Frau Pam (Ilfenesh Hadera) und seinem 17-jährigen Sohn Trey (Aubrey Joseph), der auf dem Weg zur Basketball-Karriere ist, bewohnt er ein riesiges Penthouse in New York.

Verwechslung Als Trey entführt wird, sieht sich King mit einer Lösegeldforderung über 17,5 Millionen Dollar konfrontiert, das Geld hatte er eigentlich für den Rückkauf seiner Anteile an seinem Studio eingeplant. Die Polizei wird gerufen und versucht, den Kidnapper aufzuspüren. Doch es stellt sich heraus, dass nicht Trey entführt wurde, sondern der Sohn von Kings Fahrer und bestem Freund Paul Christopher (Jeffrey Wright).

Missglückte Übergabe Alle verlangen von ihm "das Richtige zu tun" und das Lösegeld zu zahlen, auch wenn es nicht für seinen eigenen Sohn ist. Doch der Mogul bekommt Zweifel: Warum muss er die Verantwortung übernehmen? Warum soll er den Traum, wieder die volle Kontrolle über sein Musik-Imperium zu übernehmen, die finanzielle Sicherheit für seine Familie aufgeben? Schließlich ringt sich King dazu durch, zu bezahlen – doch bei der Übergabe läuft etwas schief: Pauls Sohn ist zwar frei, aber das Geld ist weg …

Genialer Soundtrack Mit "Highest 2 Lowest" gelang Spike Lee eine beeindruckende Mischung aus straightem Thriller, Arthouse-Film, Sozialdrama und Porträt des schwarzen Musikbusiness, die sowohl inhaltlich, auch auch stilistisch überzeugt. Überragend ist der Soundtrack von Howard Drossin, der viel mehr als Musikunterlegung ist und dem eine eigene, dramaturgische Funktion zukommt.

Selbstzweifel Inhaltlich ist einer der spannendsten Aspekte die Darstellung der (Selbst-)Zweifel, die den selbstbewussten "Macher" David King, der sich sonst von niemandem etwas sagen lässt, plötzlich überkommen. Denn er muss abwägen, ob er Millionen Dollar "opfert", um damit ein Leben zu retten, aber zugleich seinen beruflichen Traum aufgibt.

Mit 17,5 Millionen Dollar im Rucksack in der New Yorker U-Bahn: David King (Denzel Washington) will das Leben des Sohnes seines Chauffeurs retten
Mit 17,5 Millionen Dollar im Rucksack in der New Yorker U-Bahn: David King (Denzel Washington) will das Leben des Sohnes seines Chauffeurs retten
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Komplexe Fragen Es geht bei diesem inneren Konflikt des Protagonisten auch um die Idee eines Vermächtnisses, das er zu verlieren glaubt, ein Lebenswerk. Viele andere Filme würden diese Frage gar nicht erst stellen, der Held würde ohne mit der Wimper zu zucken sagen "Natürlich zahle ich das Geld!" und die Sache wäre erledigt. Die Tatsache, dass "Highest 2 Lowest" diesem Prozess so viel Raum gibt, verleiht dem Film unheimliche Komplexität, ebenso wie seinem Protagonisten.

Do the right thing Die Reise des "Citizen King", der auch repräsentativ für eine schwarze Oberschicht steht, die sich in den letzten drei Jahrzehnten in den USA entwickelt hat, ist aber damit noch nicht zu Ende: Auch auf Hinweis seiner Frau, die nicht mehr die "stille Gattin" sein will, wie sie sagt, reflektiert David King seine Karriere, den Beginn, der von Leidenschaft für Musik geprägt war, und die Gegenwart, in der es hauptsächlich um Geld zu gehen scheint. Anknüpfend an seinen ersten großen Erfolg, stellt Spike Lee seinem Protagonisten, der vielleicht auch autobiografische Züge trägt, die Aufgabe: Mach' das Richtige – Do the right thing.

Regisseur Spike Lee (l.) und Denzel Washington: "Highest 2 Lowest" ist bereits ihre fünfte Zusammenarbeit
Regisseur Spike Lee (l.) und Denzel Washington: "Highest 2 Lowest" ist bereits ihre fünfte Zusammenarbeit

Reflektierte Männlichkeit Schließlich könnte "Highest 2 Lowest" nicht funktionieren ohne einen groß aufspielenden Denzel Washington, der seine beste Leistung seit Jahren hinlegt, die ihm diverse Preise einbringen sollte: Unbändige Coolness und Machismo werden durch (die Notwendigkeit der) Selbsthinterfragung und -reflexion gebrochen, womit sich die Figur auch als zeitgemäße und reiche Reflexion von und Kommentar auf Männlichkeitsbilder lesen lässt, die gerade in der Hip Hop-Kultur, die der Film streift, nötig ist.

Fazit "Highest 2 Lowest" ist ein auf allen Ebenen überzeugendes Werk, das Unterhaltungswert, psychologische Tiefe und stilistischen Anspruch verbindet und klar macht, dass Spike Lee auch in fortgeschrittenem Alter noch so einiges – und Wichtiges – zu sagen hat.

"Highest 2 Lowest", Krimi, Thriller. USA 2025, 133 Minuten, Apple TV+

Christian Klosz
Akt. 08.09.2025 23:58 Uhr