Bei der Verfilmung des Krimi-Bestsellers "The Thursday Murder Club" wollte Netflix alles richtig machen: Riesiges Budget, eine tolle Darsteller-Riege, großartige Ausstattung, schöne Landschaften. Das Ergebnis ist dennoch etwas enttäuschend. Ab sofort im Streaming.
Verbrechen boomt – das ist nicht die Zusammenfassung der jüngsten, zunehmend wirren Aussagen von Donald Trump, sondern ein Trend, der sich in der Film- und Serienwelt seit Jahren breit macht und immer noch an Dynamik gewinnt.
Harte Zeiten, harte Storys Das Publikum liebt es scheinbar, seine "Stress- und Angstzustände in und auf Mordgeschichten zu projizieren", wie es Serien-Mastermind Ryan Murphy ("American Horror Story", "Monster") zuletzt so treffend zusammenfasste. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es um echte Kriminalstorys , also True Crime-Fälle geht, oder um fiktive.
Erfolgs-Nische "Cozy Crime" Im Fahrwasser des Erfolgs der charmanten Serie "Only Murders in the Building" (auf Disney+ mit Steve Martin, Martin Short und Selina Gomez), die das Genre "Cozy Crime" für Streamer definierte und nachhaltig prägte, erscheint nun die Bestseller-Verflimung "The Thursday Murder Club" auf Netflix. Der Film teilt nicht nur den atmosphärischen Zugang mit der Serie, sondern auch die Gestaltung der Hauptfiguren: Da wie dort sind das ältere Zeitgenossen, die ein Faible für Kriminal-Rätsel teilen.
Roman-Adaption Wobei: Die Geschichte von "The Thursday Murder Club" beginnt schon viel früher. 2020 erschien die Romanvorlage von Richard Osman, eigentlich ein Fernsehproduzent, die prompt zum Megaerfolg wurde. Seither folgten vier weitere Bücher, eine Filmadaption war also nur eine Frage der Zeit. 2024 sicherte sich Netflix schließlich die Rechte, eine namhafte Besetzung war rasch gefunden und mit Chris Columbus nahm ein erfahrener Filmemacher am Regiestuhl Platz.
Rätselclub im Seniorenheim Bewohnen in der Erfolgsserie "Only Muders in the Building" die Hobby-Ermittler gemeinsam ein New Yorker Apartmenthaus, ist es in "The Thursday Murder Club" eine noble Seniorenresidenz in den vornehmen Cotswolds, die dank ihrer exquisiten Ausstattung eher einem Luxushotel gleicht als einer "vorletzten Ruhestätte". Elizabeth (Helen Mirren), Ron (Pierce Brosnan), Ibrahim (Ben Kingsley) und Joyce (Celia Imrie) sind allesamt Bewohner dieses "Coopers Chase" genannten Altersheims - und vertreiben sich jeden Donnerstag ihre Zeit mit der Beschäftigung mit echten, ungelösten Mordfällen.
Zwei richtige Leichen Doch plötzlich stören zwei echten Leichen das beschauliche Treiben. Erst wird einer der Besitzer der Residenz, Tony Curran (Geoff Bell), tot aufgefunden. Der andere Inhaber, der durchtriebene Ian Ventham (David Tennant), setzt in der Folge alles daran, die Residenz und den anschließenden Friedhof so schnell wie möglich leer zu räumen, um stattdessen Luxusapartments zu errichten. Doch bei einer Protestveranstaltung der Senioren gegen seine Pläne fällt auch er plötzlich tot um: vergiftet.
Frauen an die Front Um Informationen aus erster Hand zu bekommen, schleust der Thursday Murder Club die Polizistin Donna de Freitas (Naomi Ackie) in die mit den Morden befasste Ermittlungseinheit, damit sie die Vier fortan mit Updates versorgen kann. Unter Federführung von Elizabeth, einer ehemaligen MI6-Agentin, versuchen die Oldies herauszufinden, wer für die Morde verantwortlich ist.
Fehlende Tiefe Wer mit dem Werk von Chris Columbus vertraut ist ("Kevin allein zu Haus", "Harry Potter und der Stein der Weisen"), weiß, dass sein Talent in erster Linie darin besteht, seinen Geschichten eine wohlige Atmosphäre zu verleihen, Spannungsaufbau, realistische Charakterstudien oder Tiefgründigkeit gehören eher nicht zu seinem Repertoire. Und somit ist auch klar, was man von "The Thursday Murder Club" zu erwarten hat: Eine liebe, nett anzusehende Krimi-Komödie, ohne jegliche Tiefe, Ecken oder Kanten.
Altern im Luxus Zu den Pluspunkten des Films gehört folgerichtig die Ausstattung, die filmische Darstellung der Nobelresidenz: Wer sich so etwas leisten kann – sofern es solche Altersheime in der Realität gäbe –, braucht keine Angst vor dem Alter(n) zu haben.
Unterforderte Superstars Damit ist es aber auch schnell vorbei mit den positiven Qualitäten von "The Thursday Murder Club": Ein zu erwartendes Highlight wäre der Cast, der das Who is Who der (britischen) Schauspielkunst vereint. Problem: All diese mit Filmpreisen überhäuften Außnahmekönner sind in ihren Rollen völlig unterfordert. Und ein Kaliber wie Jonathan Pryce ("Slow Horses") muss sich sogar mit einer undankbaren Nebenrolle begnügen.
Klischee, Klischee Sämtliche Figuren sind außerordentlich klischeehaft gestaltet, und das Drehbuch gibt all diesen Stars gar nicht erst die Möglichkeit, ihre Talente zur Geltung zu bringen. Besonders augenfällig wird dieses Manko, wenn man die Bestsellerverfilmung mit der aktuellen Streaming-Serie "MobLand" (auf Paramount+) vergleicht, in der ebenfalls Helen Mirren, Pierce Brosnan und Geoff Bell in tragenden Rollen zu sehen sind: Hier ein Nachmittagskrimi mit dem Spannungsbogen einer schlechteren "Traumschiff"-Folge, da die erzählerische Wucht einer Shakespeare-Tragödie.
Auflösung ohne Spannung All das wäre noch verkraftbar. Doch das Finale macht aus einem bis dahin immerhin ganz okayen Film letztlich einen völlig unterdurchschnittlichen: Nicht nur, dass die Auflösung extrem enttäuschend ist (was man auch der Buchvorlage vorwerfen kann), sie wird noch dazu seltsam spannungsarm inszeniert.
Warten auf den Höhepunkt Mit Wehmut denkt man da etwa an die hervorragenden Hercule Poirot-Verfilmungen "Mord im Orient-Express" (von 1974!) mit Albert Finney oder "Tod auf dem Nil" (1978) mit Peter Ustinov zurück. Dort ist des Mord-Rätsels Entwirrung DAS Highlight des Films, dem ausreichend Raum und Zeit gegeben wird und das der Ermittler richtiggehend zelebrieren darf.
Keine Agatha Christie-Spannung Eine neuere Variante dieser Erfolgsformel liefert etwa Rian Johnson mit seinen "Knives Out"-Filmen, die einerseits frisch und modern wirken und gleichzeitig die alten "Whodunit"-Tugenden á la Agatha Christie hochhalten. In "The Thurday Murder Club" wird das Ganze hingegen lieblos herunter genudelt und man fragt sich am Ende: Dafür nun die ganze Warterei?
Moralverstimmung Zu unguter Letzt offenbart der Schluss auch noch einigermaßen fragwürdige Moralvorstellungen, innerhalb derer Mörder als "Helden" gefeiert werden, deren Taten man zwar nicht so nett findet, die aber nachvollziehbare Motive gehabt hätten.
Fazit Angesichts der Erwartungshaltung ist das Ergebnis ziemlich enttäuschend. Unterforderte Darsteller, ein wenig komplexer Plot und die klischeehafte Figurenzeichnung wiegen schwerer als die zweifelsohne vorhandene Atmosphäre, die einen zweistündigen Film alleine nicht zu tragen vermag. Mit anderen Drehbuchautoren und einem anderen Regisseur hätte diese Adaption ein echter Hit werden können. Immerhin: Es gibt vier weitere Bücher, die der Verfilmung harren – vielleicht wird beim nächsten Mal ja mehr daraus.
"The Thursday Murder Club", Cozy Crime. USA 2025, 120 Minuten, Netflix