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Lokale Kritik

Es ist, wie es isst: Im Wienerwald heißt es "Geld oder Leber"

Die Cuisinière & Der Connaisseur erklommen den Tulbingerkogel, vornehmlich, um seiner beanspruchten Leber auf kulinarischem Weg "Ersatzteil-Nachschub" zu beschaffen. Eine Reise in die gute alte Zeit – einige Überraschungsmomente inklusive.

Kalbsleberpastete mit mariniertem Rhabarber – eine von insgesamt vier Leber-Kreationen aus der
Kalbsleberpastete mit mariniertem Rhabarber – eine von insgesamt vier Leber-Kreationen aus der "kulinarischen Kur", der sich der Connaisseur am Tulbingerkogel unterwarfPrivat
Jacqueline Pfeiffer  und Wolfgang Fischer
Akt. 14.06.2025 18:11 Uhr

Es war ein prachtvoller Tag, an dem sich Die Cuisinière mit einer kleinen Delegation in ihrem Cabrio auf den Tulbingerkogel raufschwang. Ihre Mission war das Nach-Testen. Der Connaisseur sei unlängst "erneut ohne meine Wenigkeit" da gewesen, beschwerte sie sich.

Dafür hat sie ihn jetzt sitzen lassen.

Es war übrigens längst wieder einmal an der Zeit für eine kleine Straf-Expedition, denn seine andauernden Alleingänge wolle sie gar nicht wieder aufzählen, um sich "nicht selbst zu erniedrigen …". War doch Der Connaisseur kurz vorher "nicht unter der Woche und nicht am Nachmittag", wie er spitz betonte, wieder einmal oben am Tulbingerkogel, wo es aussieht, als ob die Zivilisation nicht 25 Minuten, sondern Welten entfernt wäre. Rundherum grün, schön, ruhig.

Ma dann Prost: Connaisseur Wolfgang Fischer und Cuisinière Jacqueline Pfeiffer
Ma dann Prost: Connaisseur Wolfgang Fischer und Cuisinière Jacqueline Pfeiffer
Helmut Graf

"Mit Zivilisation meinst du Villen?", versuchte ihm Die Cuisinière eine Falle zu stellen. Er wich elegant aus und erinnerte sich einmal mehr an den Satz, dass Schweigen eine der größten friedenserhaltenden Maßnahmen sei. Niemand zitiert man lieber als sich selbst, dachte er.

Altfadrisch, wie er nun einmal ist, kam er einer spitzen Bemerkung der Cuisinière zuvor. Er liebt dieses Restaurant am Tulbingerkogel, weil es wie übriggeblieben aus der guten, alten Zeit wirkt. Alle Tische mit Damast-Tischtüchern und zumindest drei Besteck-Garnituren schön eingedeckt. Dazu der unglaubliche Ausblick und die Küche, die so schön altmodisch-französisch wirkt wie das Ambiente.

Oldschool-Kulinarik mit einem herrlichen Blick ins Tullnerfeld: Restaurant am Tulbingerkogel
Oldschool-Kulinarik mit einem herrlichen Blick ins Tullnerfeld: Restaurant am Tulbingerkogel
Privat

"Französisch angehaucht ja, altmodisch nicht", verbessert Die Cuisinière, die aufgrund ihrer Auslandsaufenthalte weiß, wovon die Rede ist. Habe doch der junge Bläuel, Vorname Georg, der in allen guten Häusern gelernt hat, vor geraumer Zeit "den Kochlöffel übernommen und sanft modernisiert". – "Dennoch, Ducasse und Bocuse lassen grüßen", schwingt sich Der Connaisseur zu großen Namen auf, "und Rudi Kellner sowieso. Und die dritte Generation der Bläuel auf dem Tulbingerkogel."

Als Die Cuisinière erneut auf seinen Alleingängen herumhackt, erinnert er ans Kronbergers': "Da warst du ja nicht nur dabei, sondern Auslöser, hast deinen Fan-Club um dich versammelt!". – "Nur, dass ich hakeln hab' dürfen und du dich wichtig gemacht hast und den ganzen Zinnober einfach genossen hast!", versucht sie ein As. "Ist nicht der Special PfeiffersGiG zum Genießen?", fragt er, etwas verwirrt ob der Vehemenz ihrer Angriffe. "Und dann mach' ich dir noch die Freude und schreibe über dich …"

Mehr hat er nicht gebraucht. "Moment, Moment! Dass du kommst und mich testest, das war NIE so besprochen oder ausgesprochen oder abgemacht gewesen!" Und leise fügt sie hinzu: "Unsere Blase soll das wirklich wissen, dass ich manchmal wirklich nichts zu sagen habe!" Es sähe zwar oft so aus, als ob "ich das längere Spatzi habe … aber die Realität ist anders, das gehört jetzt einmal gesagt!"

Mani Olivenöl aus familieneigener Erzeugung zum Carpaccio vom Rind mit Rucola, griechischen Bergkapern und gehobeltem Parmesan
Mani Olivenöl aus familieneigener Erzeugung zum Carpaccio vom Rind mit Rucola, griechischen Bergkapern und gehobeltem Parmesan
Privat

Sie ist das wohl aus ihren früheren Karrieren gewohnt, stets das Sagen zu haben, mutmaßt Der Connaisseur und denkt sich halblaut: "Woohoo, Kronbergers' ist noch lange nicht aufgearbeitet." Und setzt laut fort: "Kannst du dich bitte wieder sammeln?! Wir haben wirklich ein anderes Thema! Und ich will nicht weiter erröten!" Sie tut jetzt so, als ob sie nicht verstünde, was Der Connaisseur gemeint haben kann, nur weil sie einmal mit ihrem Küchen-Slang auf den Tisch gehauen hat.

"Also, zurück zum Restaurant Tulbingerkogel", versucht Der Connaisseur zur Ordnung zu rufen. Langsam beruhigt sie sich wieder. Und gerät dann gar ins Schwärmen. Nach der herrlichen Anfahrt oben auf der Kuppe, bevor es weiter nach Tulln geht, befindet sich das Reich der Familie Bläuel: Ein Imperium mit einer Terrasse, die wirklich etwas bietet, mit einem ganz besonderen Blick in Wienerwald und Tullnerfeld. Diese Idylle werde nur von Zweirad-Fahrern unterbrochen, wenn sie "von weitem ihr Spatzi ertönen lassen müssen," bricht erneut der Kochlöffel aus der Cuisinière.

"Bevor ich erneut erröte, widmen wir uns doch lieber der Lokalen Kritik," flüchtet Der Connaisseur.

Hat gemundet: Bärlauch-Roulade mit geräuchertem Lachs und Kaviarsauce
Hat gemundet: Bärlauch-Roulade mit geräuchertem Lachs und Kaviarsauce
Privat

"Das Gedeck mit Bärlauch-Aufstrich, französischer Butter und den Oliven aus der Mani, sowie Brokkoli, bringt einen guten Einstieg", ergänzt Die Cuisinière mit ihrem Wissen, dass der Bruder des Küchenchefs in Griechenland Oliven und ein großartiges Olivenöl produziert, das auch auf jedem Tisch zu finden ist.

Das Carpaccio vom Rind mit Rucola, griechischen Bergkapern und gehobeltem Parmesan (18 Euro) ist, "wie es im Buche steht". – "Ja, Carpaccio zählt wohl zu den von uns am meisten verkosteten Horsd'oeuvres - zu finden fast in jeder lokalen Kritik", erinnert er.

Aufgrund der Notwendigkeit des "Ersatzteilnachschubes", wie das Der Connaisseur in den seltenen, selbstkritischen Phasen nennt, war nun Leber-Zeit. Die Kalbsleberpastete mit mariniertem Rhabarber (17 Euro) rundum perfekt. Und auch der Rhabarber – was gar nicht so leicht ist – auf den Punkt zubereitet. Auch die Bärlauch-Roulade mit geräuchertem Lachs und Kaviarsauce (18 Euro) hat gemundet.

Als nächstes wurden der geschmorte Fenchel mit Rhabarbercreme, Kalamata-Karamell und Haselnuss (16 Euro), die Spargelcremesuppe (8 Euro) und die Krustentier-Tagliolini mit Garnelen und Babyspinat (23 Euro) ausgewählt.

Geschmorter Fenchel mit Rhabarbercreme, Kalamata-Karamell und Haselnuss
Geschmorter Fenchel mit Rhabarbercreme, Kalamata-Karamell und Haselnuss
Privat

Die Cuisinière machte sich gerade über den Fenchel her, als sie vom Rest der fachkundigen Delegation etwas verdatterte Blicke über deren Tagliolini und Spargelcremesuppe erkannte. Da die Verwandtschaft zum ersten Mal bei so einer ernsthaften Sache wie einer Verkostung für eine Lokale Kritik dabei war und nicht auffällig sein wollte, sagte sie nichts.

Doch Die Cuisinière spürte das Unbehagen und fragte nach. In Kurzfassung: Die Pasta total verkocht, die Spargelcremesuppe habe am Weg die Cremigkeit und die Liebe verloren. Die Cuisinière machte sich selbst ein Bild und konnte leider nur zustimmen.

Da stellte sich die Frage: "Was mach' ma? Wir wollen nicht auffällig werden", weil es erstens ein ganz herrlicher Nachmittag sei und sich zweitens der Senior-Chef und die stellvertretende Delegationsleiterin seit langem kennen. Sie seien "unlängst erst" gemeinsam in der Schule in Klessheim gewesen, klärt Die Cuisinière den merkwürdig aus der Wäsche schauenden Connaisseur auf.

Total verkocht: Krustentier-Tagliolini mit Garnelen und Babyspinat
Total verkocht: Krustentier-Tagliolini mit Garnelen und Babyspinat
Privat

Die Cuisinière ging in sich und beschloss dann, dem Kellner Bescheid zu geben. Weil – in Wahrheit, so unangenehm es auch sein mag - Feedback immer sehr wichtig ist. Sie tat das mit großem Fingerspitzengefühl, denn niemand weiß besser als sie: Es soll und darf zwar nichts, aber es kann immer wieder etwas passieren!

Also sagte sie dem Kellner, dass die Pasta verkocht sei … "Und was soll ich jetzt machen?", war die verblüffende Reaktion, die die Truppe perplex und sprachlos zurück ließ. "Was, wenn man die drei Damen kennt, kaum vorkommt", kann sich Der Connaisseur einen Kommentar nicht verbeißen. Die Spargelcremesuppe hat Die Cuisinière dann gleich gar nicht mehr erwähnt. Sie weiß besser als die meisten anderen, was passieren kann, und wahrscheinlich "haben wir so einen Tag erwischt".

"Das glaube ich auch," ergänzte Der Connaisseur, "das war definitiv nicht der Standard des Tulbingerkogels." Schade, war halt nur, dass die Chance nicht genutzt und es einfach neu gekocht und aufgetragen wurde. "Es ist halt auch ein Pech", fuhr Der Connaisseurfort, "wenn Frau Charlie, die seit 53 Jahren die gute Seele des Hauses ist, nicht da ist. Völlig zurecht macht sie nur mehr Wochenenddienst."

Gegrillte Jakobsmuscheln aus der Rotkrautmarinade mit grünem Spargel, Zitrusgel und Hollandaise
Gegrillte Jakobsmuscheln aus der Rotkrautmarinade mit grünem Spargel, Zitrusgel und Hollandaise
Privat

Die Gerichte kommen "völlig unprätentiös" auf den Tisch, nicht mit diesem Getue, wo "mit dem kleinen Finger jedes Molekül noch ausführlicher beschrieben wird", dreht Der Connaisseur wieder die Stimmung. Die Cuisinière gibt ihm recht und sagt: "Ja, das ist da, wo sich der Kellner selbst wichtiger nimmt als seine Gäste."

Und – was beide besonders unangenehm finden –, wenn das Service dann auch noch mit seinen "langatmigen, auswendig gelernten Beschreibungen ohne Umschweife in jedes laufende Gespräch reingrätscht". "Das gibt es hier alles nicht, alte Schule eben", sind sich die beiden ebenfalls wie selten einig.

Buntes Spargelragout mit Pata Negra Rohschinken
Buntes Spargelragout mit Pata Negra Rohschinken
Privat

Und noch was erfreuliches: Frank Bläuel, der Patron, der immer wieder für kleine, feine Runden (von Kennern und solchen, die es nie werden werden) Reisen in die Weingegenden der Götter organisiert, hat eine Weinkarte, eher schon ein Weinbuch mit 62 Seiten, aufgelegt. Rund 2.000 Kreszenzen ruhen in seinem Keller. Diese Weinkarte bietet eine wirklich unglaubliche Auswahl von allem, was vinifiziert wird – und dazu gute Preise. Wo bekommt man schon in einem Lokal dieser Güte und mit drei Hauben beispielsweise einen großartigen Roten Veltliner (diesfalls von Kolkmann) um 26 Euro?

Die gegrillten Jakobsmuscheln aus der Rotkrautmarinade mit grünem Spargel, Zitrusgel und Hollandaise (32 Euro) oder das bunte Spargelragout mit Pata Negra Rohschinken (23 Euro) sind bestens gelungen, besonders durch den Duft des Pata Negra. Apropos Ersatzteil-Nachschub: die gebratenen Gänseleber-Medaillons mit Tullnerfeld-Spargel und Erdäpfel und Hollandaise (33 Euro) sind ein Gericht mit viel Kraft. Auch die Kitzleber mit dem klassischem Reisgupf und Rhabarber für die Säure, fantastisch, "die Leber am Punkt". Der Connaisseur hat die Gänseleber mit Haselnüssen und Trauben genossen. "Der Cholesterin jubelt", sind sich die beiden einig.

Leber-Kur, Teil 2: Gebratene Gänseleber-Medaillons mit Tullnerfeld-Spargel, Erdäpfel und Hollandaise
Leber-Kur, Teil 2: Gebratene Gänseleber-Medaillons mit Tullnerfeld-Spargel, Erdäpfel und Hollandaise
Privat

Die Desserts sind auch spannend, auch wenn man nach so viel Leber nicht mehr viel unterbringt.

Wie schon erwähnt, dass Ambiente ist alte Schule. Etwa hat Frank Bläuel, der eine der größten Kochbuchsammlungen besitzt, von seinem ältesten Kochbuch, das auch in der Speisekarte faksimiliert ist, eigens einen Teppich weben lassen, der nun den ganzen Speiseraum abdeckt.

Leber, die Dritte: Kitzleber mit klassischem Reisgupf und Rhabarber
Leber, die Dritte: Kitzleber mit klassischem Reisgupf und Rhabarber
Privat

Ganz ausgezeichnet und selten sind die Öffnungszeiten: sieben Tage die Woche durchgehen warme Küche, "ideal für Lunner oder Dinch", wie Der Connaisseur sofort feststellt und fragend in die Runde schaut, was das wohl heißen mag …?

Die Cuisinière hat auch auf das Dessert verzichtet, "sonst hätten wir runterkugeln müssen". Nur – wo wäre dann ihr Cabrio geblieben?

Leberspeise Nummer 4: Gänseleber mit Haselnüssen und Trauben
Leberspeise Nummer 4: Gänseleber mit Haselnüssen und Trauben
Privat

Ach so, übrigens haben Die Cuisinière und Der Connaisseur eine eigene Facebook-Seite und zum Newsletter kann man sich hier anmelden!

Kommentare, Wünsche, Beschwerden, Anregungen bitte an [email protected]

Zum Abschluss noch ein frühlingshafter Blick Richtung Tulln
Zum Abschluss noch ein frühlingshafter Blick Richtung Tulln
Privat

Die Cuisinière und Der Connaisseur

  • Die Cuisinière und Der Connaisseur arbeiten schon länger projektweise zusammen, haben sich zusammengetan, um über das Essen zu reden. Und seit geraumer Zeit auch für Newsflix darüber zu schreiben und damit auch einen Beitrag zur kulinarischen Lebensqualität zu leisten. "Die kultigen Gourmet-Kritiker" (OT Christian Nusser) bilden ein unvergleichliches Duo, das die kulinarische Welt bisweilen aus einer etwas anderen Perspektive betrachtet. Sie bringen frischen Wind in die gelegentlich bierernste Gastrokritiker-Szene und servieren witzige und kulinarische Erkenntnisse und sonstige Wichtigtuereien satirisch auf den Tisch und ins Netz! Dabei verbinden sie Expertise und Humor zu einer Mischung, die ihresgleichen sucht. Ihr Motto? Es ist, wie es isst!
  • Die Cuisinière ist Jacqueline Pfeiffer, Grand Master Chef, war Kochlöffel in diversen Hauben- und Sterne-Hütten in Mitteleuropa ("Adlon", Gstaad, "Marc Veyrat" usw.), irgendwann "Köchin des Jahres" und hatte in den 10er-Jahren im Wiener "Le Ciel" (nach neuer Gault Millau-Zeitrechnung) vier Hauben erkocht. Nunmehr ist sie als Enjoyment-Consultant mit ihrem PfeiffersGiG selbst kochend fast ausschließlich im diskreten gastronomischen Spitzenbereich oder als Coach und Beraterin einiger Gastronomiebetrieben tätig und schwingt den Kochlöffel meist nur mehr im diskreten Private Cooking.
  • Der Connaisseur heißt Wolfgang Fischer, war Journalist und Medienmanager, zehn Jahre CEO der Wiener Stadthalle, nunmehr Geschäftsführer der DDSG Blue Danube, bester Freund von Admiral Duck – und Gourmet wie Gourmand seit Jahrzehnten. Also ein klassisch übergewichtiger weis(s)er alter Mann.