JUNGE FORSCHERIN

"Physik als Mädchen? Malst du nicht lieber?"

Natalia Ruzickova ist Frau, Wissenschafterin, interdisziplinäre Physikerin am Institute of Science and Technology Austria (ISTA). Und fordert mehr Gleichstellung in der Wissenschaft.

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"Mädchen in einem Physikteam? Muss ein Glitch in der Matrix sein." So lautete der schlaubergische Kommentar zu unserem Gewinnerfoto bei einem internationalen Physikturnier.

Neben dem Herrn selbst, ist der Witz die perfekte Veranschaulichung eines seit langem bestehenden Problems: Frauen sind eine Rarität in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT). Die wissenschaftliche Gemeinschaft kämpft dabei aber nicht gegen böse Maschinen, sondern gegen hartnäckige Vorurteile – ein ebenso schwerer Kampf. Einer der Hacks ist die Frauenquote.

Quoten eignen sich bei Hochschulzulassungen, Professuren, Gremien sowie bei Fördergebern. So verlangt Google bei einem Forschungsstipendium beispielsweise, dass Einrichtungen drei Personen vorschlagen, von denen eine weiblich sein muss. Klingt toll für Frauen, nicht wahr? Als junge Physikerin habe ich meine Vorbehalte.

Natalia Ruzickova ist Physikerin und PhD-Studentin am Institute of Science and Technology Austria (ISTA)
Natalia Ruzickova ist Physikerin und PhD-Studentin am Institute of Science and Technology Austria (ISTA)
Sabine Hertel

Die Schieflage der Gender-Waage korrigieren

Es gibt viele Argumente für positive Diskriminierung von Frauen in MINT-Fächern. Zunächst einmal haben wir von klein auf gehört, dass Mathematik, Physik oder Ingenieurwissenschaften "nichts für Mädchen sind". Als Teenagerin, die Physik an der Uni studieren wollte, bekam ich Antworten wie: "Physik als Mädchen? Malst du nicht lieber?" Selbst wenn man diese Aussagen ignoriert, können sie demotivieren. Sie geben Mädchen das Gefühl, fehl am Platz zu sein. Das sollte kompensiert werden.

Wir wissen, dass Arbeitgeber statistisch dazu neigen, einem Mann den Vorzug vor einer Frau im reproduktiven Alter zu geben. Karenz und Kinderbetreuung werden weiterhin überwiegend von Frauen in Anspruch genommen. Eine junge Mitarbeiterin gilt als Risiko. Ein klug gestaltetes System kann die Schieflage korrigieren bzw. lässt eine Quote einführen.

Summa summarum müssen Frauen mit den gleichen wissenschaftlichen Kenntnissen wie Männer im Durchschnitt mehr Hindernisse überwinden, um eine Professur zu erhalten. Positive Diskriminierung adressiert das. Es ist unsere Möglichkeit, die Schieflage der Waage zu korrigieren.

Uni-Karrieren (Frauen rot, Männer blau); Quelle: https://www.gleichstellung.uzh.ch/de/gleichstellungsmonitoring/kurz.html
Uni-Karrieren (Frauen rot, Männer blau); Quelle: https://www.gleichstellung.uzh.ch/de/gleichstellungsmonitoring/kurz.html
Daten der Universität Zürich, 2022

Die gläserne Decke

Ebenso verhängnisvoll ist, dass Frauen ein geringeres Selbstvertrauen als Männer haben. Nicht etwa, weil das Geschlecht biologisch dazu neigt, sondern weil wir so erzogen worden sind. Insbesondere gilt das in traditionellen Männerdomänen wie Physik. Eine Studie der Colorado State University konnte das sogar nachweisen: In einer gemischten Gruppe mit gleichen Berufswünschen, schwanken Mädchen nach einem Mathekurs häufiger als Jungen, eine MINT-Karriere anzustreben.

Unter anderem deshalb entsteht das Phänomen der "Leaky Pipeline". Auf jeder Sprosse der akademischen Karriereleiter verliert die Naturwissenschaft Frauen. Resultat ist Unterrepräsentation in Fakultäten, Gremien, und Direktionen.

Ein Stipendium ermöglicht es mir, Pankreaszellen zu untersuchen und zu erforschen, wie sie uns vor Diabetes bewahren
Ein Stipendium ermöglicht es mir, Pankreaszellen zu untersuchen und zu erforschen, wie sie uns vor Diabetes bewahren
iStock

Habe ich nur Erfolg, weil ich eine Frau bin?

In der Schule war ich das einzige naturwissenschaftlich interessierte Mädchen. Auch danach blieb ich eine der ganz wenigen Frauen in Physik. Um ehrlich zu sein, mich hat das nicht gestört. Im Gegenteil: Ich vertrat die Slowakei im internationalen Physikwettbewerb, war die Beste meines Jahrgangs im Fach Physik und arbeite jetzt an einem renommierten wissenschaftlichen Institut, wo ich mit Hilfe von Statistik unsere Gene studiere. Ich habe ein prestigeträchtiges Stipendium erhalten, um Pankreaszellen zu untersuchen und zu erforschen, wie sie uns vor Diabetes bewahren. Läuft doch prächtig, was ist also das Problem?

Trotz alledem habe ich dieses kleine, aber laute Monster in meinem Kopf. Die Selbstzweifel sind diese Stimme, die mir sagt, dass ich nicht gut genug bin. Wir alle kennen das. Aber statistisch gesehen beißt das Monsterchen bei Frauen und unterrepräsentierten Gruppen stärker zu. Das Imposter-Syndrom ist ein häufiges Problem, vor allem unter denen, die gerade erst anfangen.

Aber warum, wenn der Lebenslauf doch gut aussieht? Einer der Gründe ist, dass alles, was ich erreicht habe, zum Teil auf positive Diskriminierung von Frauen zurückzuführen ist. Das Monster der Selbstzweifel schreit auf: Habe ich mein Leben lang nur von der Frauenquote profitiert?

Natalia Ruzickova ist Physikerin und PhD-Studentin am Institute of Science and Technology Austria (ISTA)
Natalia Ruzickova ist Physikerin und PhD-Studentin am Institute of Science and Technology Austria (ISTA)
Sabine Hertel

Gut genug ist nicht genug. Ich muss es auch glauben.

Als Wissenschafterin brauche ich Beweise. Das gilt auch für meine eigenen Qualitäten. Was aber, wenn alle Beweise darauf hindeuten, dass ich nur erfolgreich bin, weil ich eine Frau bin? Beim Physikwettbewerb wurde mir gesagt, dass unser Team ein Mädchen braucht, weil Mädchen bei der männlich dominierten Jury mehr Punkte bekommen. In dem Google-Doktoratsstipendium, für das ich nominiert war, musste auch eine Frau vorgeschlagen werden – wer weiß wirklich, ob ich auch sonst vorgeschlagen worden wäre. Ein Gutachten erklärte später nämlich, mein Geschlecht sei ein Grund, warum ich die Förderung erhalten sollte.

Das war zweifellos gut gemeint und zielte darauf ab, Frauen in den Naturwissenschaften zu unterstützen. Eine Frau zu sein ist selten der einzige Grund, warum eine Frau Erfolg hat. Wir wissen das, aber das Monster der Selbstzweifel weiß es nicht. Es springt bei der geringsten Gelegenheit auf und raubt das hart erarbeitete Selbstvertrauen.

Und wenn es um Haarfarbe ginge?

Nehmen wir an, Sie haben sehr hart gearbeitet und sind bei der Arbeit befördert worden, haben bei einer Prüfung brilliert oder wurden in eine Top-Fußballmannschaft aufgenommen. Das fühlt sich gut an, oder? Es zeigt, dass Sie fähig sind. Dann finden Sie heraus, dass das nicht nur daran lag, dass Sie gut in dem sind, was Sie tun. Es lag auch daran, dass Sie blond sind oder aus Brasilien kommen – eine angeborene Tatsache, die eigentlich keine Rolle spielen sollte. Was sagt Ihr kleines Monster jetzt?

Blick auf den Campus des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) Klosterneuburg
Blick auf den Campus des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) Klosterneuburg
Picturedesk

Sensible Kommunikation ist der Schlüssel

Um das Beste aus den Quoten zu machen, sollten die Entscheidungsträger:innen an die Selbstzweifelmonster in unseren Köpfen denken. Betonen Sie nicht den Vorteil, den wir bei einer Einstellung, einer Beförderung oder in einem Report erhalten haben. Fragen Sie sich immer: Verbessere ich die Situation, wenn ich Gleichstellung gegenüber dieser Person aktiv hervorhebe?

Transparenz und die Unterstützung von Frauen und anderen unterrepräsentierten Gruppen im MINT-Bereich sind wichtig. Sie können Ihren Zugang und die Details auf Websites, in Broschüren und Reden anführen. Aber diese Quoten sollten nicht in einem Annahmeschreiben (oder schlimmer noch: in einem Ablehnungsschreiben) genannt werden. Sagen Sie mir nicht direkt, dass mein Erfolg auf die Erfüllung einer Quote zurückzuführen ist.

Jenseits von Quoten

Quoten sind eine kleiner Fix für ein großes Problem. Sie lösen das Problem aber nicht im Kern. Wir müssen Mädchen und Frauen ermutigen, in die Wissenschaft zu gehen und dort zu bleiben. Das bedeutet, dass wir aufhören müssen, Unsinn wie "Technik ist etwas für Jungen" und "Psychologie ist etwas für Mädchen" zu wiederholen.

Gleichzeitig sollte es die Gesetzeslage den Institutionen ermöglichen, potenzielle Eltern einzustellen und den Elternurlaub zu bezahlen. Universitäten und Forschungseinrichtungen können Kinderbetreuung anbieten und junge Wissenschafterinnen damit wissen lassen, dass sie dazugehören. Wir müssen Selbstzweifel proaktiv bekämpfen, um die Matrix zu aktualisieren.

Natalia Ruzickova ist PhD-Studentin am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) und forscht daran wie man biologische Systeme mit Physik und Datenwissenschaften besser verstehen kann. Die Slowakin leitet seit Jahren Bewerbe der internationalen Physik-Olympiaden, engagiert sich auch darüber hinaus, u.a. als Study Track Representative am ISTA

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