Die zweite Streaming-Serie von Krimi-Bestsellerautor Dennis Lehane stellt Brandermittler in den Focus. Und man merkt bald: Zwischen jenen, die gerne Feuer legen und jenen, die sie erwischen sollen, ist oft weniger Unterschied als man denkt. Jetzt auf Apple TV+.
Was macht eine gute Serie aus?
1. Eine zündende Idee
2. Ein gutes Drehbuch
3. Überzeugende Darsteller
4. Ein talentierter "Showrunner", der das "große Ganze" im Blick hat.
"Smoke", seit kurzem auf Apple TV+ zu sehen, kann mit all dem aufwarten. Die zündende Idee (sic!) fand der Autor Dennis Lehane im Podcast "Firebug", der sich mit dem realen Fall eines Serien-Arsonisten (ja, so nennt man Brandstifter in Fachkreisen) in Südkalifornien in den 1980er-Jahren befasst. John Leonard Orr soll damals über 2.000 Feuer gelegt und dabei mehrere Menschen getötet haben. Über Jahre tappten die Behörden im Dunkeln, bis er Anfang der 1990er-Jahre doch noch gefasst werden konnte.
Feuerermittler als Brandstifter In seinem Brotberuf war Orr übrigens Feuer-Ermittler und galt als Experte für Brandschutz, wurde sogar regelmäßig von Medien dazu befragt - die perfekte Tarnung. Showrunner Dennis Lehane, der zuvor bereits als Roman-Autor (u.a. "Gone Baby Gone", "Mystic River", "Shutter Island" – alle drei verfilmt) höchst erfolgreich war und später Drehbücher u.a für die Serienadaption von Stephen Kings Buch "Mr. Mercedes" verfasste, bevor er mit "In With The Devil" (im Original "Black Bird", ebenfalls bei Apple TV+) seine erste Serie dirigierte, verlegte für "Smoke" die Handlung in die Gegenwart und nahm auch sonst einige Adaptionen vor.
Reflexion über Identität Lehane interessiert sich – wie in vielen seiner anderen Werke – weniger für die Details der dargestellten Fälle, sondern für die Auslotung moralischer Grauzonen und für die Psyche seiner Figuren. Für die Übergänge zwischen Gut und Böse. Und für die Beziehungen seiner Figuren zueinander - und zu sich selbst. "Smoke" ist letztlich auch eine Reflexion über Identität.
Auf der Suche nach Kontrolle Mit Taron Egerton, der bereits in "In With The Devil" eine der Hauptrollen spielte (damals neben Paul Walter Hauser), hat Lehane erneut den perfekten Darsteller für seinen Protagonisten gefunden: Er spielt Dave Gudsen, einen ehemaligen Feuerwehrmann, der nun als Brand-Ermittler arbeitet. In seinem Beruf glänzt er, ist äußerst von sich überzeugt, vielleicht zu sehr, manchmal an der Grenze zur Arroganz.
Erfolg im Beruf, Scheitern in der Liebe Da hat er die Kontrolle, die ihm seinem Privatleben, in der Beziehung zu seiner Frau Ashley (Hannah Emily Anderson) und deren jugendlichem Sohn, fehlt. Es ist bereits seine dritte Ehe, wie wir später erfahren sollen, für einen Mann unter 40 eine ordentliche (Miss-)Leistung. In seiner Freizeit versucht er sich seit kurzem als Autor, der seine beruflichen Erfahrungen in fiktiven Geschichten wiedergibt. Wohl auch ein Versuch, das angeknackste Selbstbewusstsein zu kompensieren. Und ein Kniff des Vollblutautors, seinem Protagonisten autobiografische Züge einzuschreiben.
Partnerin auf Augenhöhe Mit Detective Michelle Calderon (Jurnee Smollett) bekommt Gudsen am Beginn von "Smoke" eine Partnerin auf Augenhöhe zur Seite gestellt. Die ehemalige Polizistin soll ihn bei der Ermittlung der sich häufenden Brandstiftungen in der Gegend helfen. Man geht von zwei Tätern aus, einer von ihnen womöglich selbst mit beruflichem Background in der Feuerbekämpfung.
Buddy Cop-Vibes Erst ist die gegenseitige Freude von Gudsen und Calderon, zusammenarbeiten zu müssen, überschaubar – nach einer Weile freunden sich die beiden Alpha-Tiere aber an und es kommen sogar "Buddy Cop"-Vibes auf. Ihre unterschiedlichen Geschlechter tun da nichts zur Sache, Calderon steht in Toughness ihrem männlichen Partner in nichts nach. Spürbar wird zunehmend aber auch die sexuelle Spannung zwischen den beiden, in ihrem Beziehungsleben Unglücklichen. Es ist absehbar, dass bald die Funken fliegen werden.
Zerstöre, was dich zerstört Es ist der exakte, psychologisch geschulte Blick von Lehane auf seine Figuren, der "Smoke" so sehenswert macht. Die Komplexität der Charaktere, die Art und Weise, wie ihre Beziehungen zueinander erzählt werden, die immer spannenden Dialoge. Sowohl Gudsen, als auch Calderon hatten früher traumatische Erfahrungen mit Feuer, die sie miteinander verbinden, aber auch die Ursache ihrer brennenden Obsession für Feuer sind: Sie wollen das, was sie einst fast zerstörte, nun selbst zerstören.
Spannende Nebenhandlungen Lehane arbeitet dabei geschickt mit der Platzierung von Informationen: In einer Nebenhandlung folgt "Smoke" dem Fast Food-Mitarbeiter Freddy Fasano (Ntare Guma Mbaho Mwine), der als möglicher Brandstifter präsentiert wird. Mit dem Ermittler-Duo verbindet ihn die Faszination für Feuer. Die genaue Bedeutung des Handlungsstrangs bleibt in den ersten Folgen jedoch unklar und sorgt damit für zusätzliche Spannung.
Vermeintlicher Mega-Twist zu Beginn Einen Mega-Twist gibt es bereits am Ende von Episode 2, wo Gudsen selbst als möglicher Feuerleger enttarnt wird, gerade mit Blick auf das reale Vorbild würde das durchaus Sinn ergeben. Doch Lehane, erneut äußerst geschickt dramaturgisch konstruiert, lässt sein Publikum auch darüber im Dunkeln, ob die Szene nun die vorweggenommene Auflösung war. Oder ein Kniff, um das Publikum zu verwirren: So könnte sie – Gudsen spaziert aus einem brennenden Supermarkt – auch eine Visualisierung eines Ausschnitts seines Buch sein.
Fazit So oder so: "Smoke" vereint alle Zutaten, die eine gute Serie ausmachen: Ein psychologisch ausgefeiltes Drehbuch, Spannung, komplexe Charaktere, unterhaltsame Dialoge und tolle Darsteller, zwischen denen die Chemie stimmt. In einem bisher eher mauen Serienjahr ist "Smoke" ein echter Lichtblick. Was man am Rande noch erwähnen kann: Taron Egertons Gespür für Rollenauswahl ist beeindruckend, der Mann weiß, wie man gute Drehbücher findet.
"Smoke", Thriller, Drama. USA 2025, 9 Episoden à ca. 60 Minuten, 4 Ep. online, ab 18. Juli jede Woche eine weitere Episode, Apple TV+