Bis zu 1 Milliarde Euro Schaden durch das Jahrhundert-Hochwasser – und die Frage, wer wie viel davon ersetzt bekommt. Denn Katastrophenhilfe ist Ländersache, und das macht nichts einfacher. Ein Leitfaden durch den Hilfs-Dschungel.
Eine Woche ist es gerade erst her, dass die schwersten Niederschläge seit Jahren halb Ostösterreich in ein Bassin verwandelt haben. Harmlose Bäche wurden zu reißenden Strömen, tausende Häuser wurden überschwemmt. Besonders tragisch: Fünf Menschen kamen in den Fluten ums Leben. Doch mittlerweile hat sich die Situation glücklicherweise entspannt, das Aufräumen hat längst begonnen und langsam wird ersichtlich, wie groß der entstandene Schaden durch das Jahrhundert-Hochwasser tatsächlich ist.
Die meisten vom Hochwasser Betroffenen haben bis jetzt nur Schäden beseitigt und Schmutz weggeräumt und noch kaum einen Gedanken daran verschwendet, ob und wie sie Entschädigungszahlungen erhalten könnten. Doch allzu viel Zeit sollte man sich nicht dabei lassen, seine Ansprüche anzumelden. Und vor allem – man braucht gute Argumente. Folgendes sollten daher alle vom Hochwasser Geschädigten jetzt möglichst gleich tun:
700 Millionen Euro Schaden? Der Versicherungsverband, also die Interessenvertretung der heimischen Versicherer, rechnet mit einer Schadensumme von mindestens 600 bis 700 Millionen Euro, nicht unmöglich, dass auch die 1-Milliarden-Grenze durchbrochen wird. Und in der Politik ist ein Wettbewerb darüber ausgebrochen, wie viel Entschädigung den Betroffenen zugesprochen werden sollte. Dass am kommenden Sonntag der neue Nationalrat gewählt wird, hat die Spendierfreudigkeit der Parteichefs dabei noch einmal befeuert.
Katastrophenhilfe ist Ländersache Doch dabei können die Spitzenkandidaten noch so sehr das finanzielle Füllhorn über der vom Dauerregen gebeutelten Bevölkerung ausschütten, letztlich liegt es nicht bei ihnen, wie viel jeder Geschädigte erhält. Denn Katastrophenschutz ist in Österreich Ländersache. Und somit gibt es neun teils sehr unterschiedliche Regelungen dafür, wie mit Schäden aus Ereignissen wie diesem Hochwasser umgegangen wird. Wie viel Entschädigung die Menschen in den betroffenen Gebieten maximal zu erwarten haben und was sie dafür tun müssen – hier alle relevanten Informationen:
Welche Möglichkeiten gibt es grundsätzlich, um Entschädigungen für Hochwasserschäden zu bekommen?
Als erstes greift nach einem Hochwasser der Versicherungsschutz. Eigentlich sollte jeder Hausbesitzer eine Haushalts- oder Eigenheimversicherung haben, und in dieser sind für gewöhnlich auch Hochwasserschäden abgesichert, allerdings in den allermeisten Fällen nur bis zu einer Schadensumme von 10.000 oder maximal 15.000 Euro. Höhere Deckungen gibt es nur für meist deutlich höhere Versicherungsprämien. Und in vielen Fällen wird ein spezieller Hochwasser-Versicherungsschutz von den Unternehmen auch gar nicht angeboten, weil ein Objekt in einem überschwemmungsgefährdeten Gebiet steht.
Wenn es heißt, die Schadensumme beträgt 700 Millionen Euro, bedeutet das, dass die Versicherungen so viel Geld ausschütten? Oder kommt von den Versicherern nur ein Bruchteil davon, entsprechend den gedeckelten Versicherungsverträgen?
Das bedeutet, dass so viel Geld tatsächlich ausbezahlt wird, die gedeckelten Versicherungsverträge sind da bereits mit eingerechnet. Und das lässt wiederum den Schluss zu, dass die tatsächliche Schadensumme, die durch das Hochwasser entstanden ist, noch einmal um ein Vielfaches höher ist.
Nimmt die Summe der Schäden durch Wetterereignisse zu?
Ja, und zwar massiv. Laut Uniqa-Vorstand Kurt Svoboda hat sich die jährliche Schadensumme durch das Wetter in den vergangenen 30 Jahren mehr als verdoppelt. Im "Kurier" erklärte der Versicherungsmanager, dass die alljährlichen Schadensummen durch Wetterereignisse vor 30 Jahren noch bei 300 bis 400 Millionen Euro lagen. Heute sind es pro Jahr bereits 1 Milliarde Euro, obwohl nicht mehr Objekte versichert sind als vor drei Jahrzehnten. Und in Jahren wie heuer, mit mehreren schweren Ereignissen wie den Hochwässern im Juni und im September, wird die Summe wahrscheinlich noch einiges darüber liegen.
Außer den Versicherungen, wo bekommt man noch Hilfe?
Auch der ÖGB verfügt über einen Katastrophenfond, bei dem Gewerkschaftsmitglieder um Unterstützung ansuchen können (Infos dazu finden Sie hier). Auch einige Hilfsvereine wie etwa "Hilfe im eigenen Land" unterstützen Opfer von Katastrophen (Infos hier).
Und der Katastrophenfond des Bundes?
Den gibt es natürlich auch noch. Und gerade in Fällen wie bei dem aktuellen Hochwasser, mit vielen tausend Betroffenen, ist der Katastrophenfonds die größte Unterstützung für die Geschädigten. Wobei man zwei Dinge festhalten muss. Erstens – der Katastrophenfond ist keine Leistung, auf die man einen Anspruch hat, sondern eine willkürliche Zuwendung. Und zweitens – Katastrophenschutz ist in Österreich Ländersache. Und das bedeutet, dass jedes Bundesland für sich entscheidet, welche Bürger es wie unterstützt mit den Mitteln aus dem Fonds. Der Bund verteilt nur das Geld an die Länder, diese geben es an die Menschen weiter.
Wie kommt man als Betroffener zu Geld aus dem Katastrophenfond?
Man muss darum ansuchen. In den meisten Fällen geschieht das bei der Gemeinde, in der der Schaden entstanden ist. Die Gemeinde meldet dann den Schaden bei der jeweiligen Landesregierung ein und diese weist die Entschädigungszahlungen zu, gemäß den Landes-Regularien, die für diesen Fall festgelegt worden sind. Denn wie bereits gesagt, ist Katastrophenhilfe Landes-Sache und jedes Bundesland hat seine eigenen Regeln und Zugänge zum Thema.
Bis wann man seine Ansprüche einreichen muss, wie viel Geld man maximal erhält – hier der Überblick:
Wien: Nur sechs Wochen Zeit
In der Bundeshauptstadt, die vom Jahrhunderthochwasser neben Niederösterreich am schwersten betroffen gewesen ist, sollte es mit den Anträgen auf Hilfe aus dem Katastrophenfond rasch gehen. Maximal 6 Wochen nach dem Schadenereignis muss man seinen Antrag eingebracht haben. Antragsteller dürfen mit bis zu 30 Prozent der Schadensumme und maximal 50.000 Euro Förderung rechnen, in besonderen Härtefällen kann dieser Betrag auf bis zu 50 Prozent der Schadensumme und maximal 100.000 Euro aufgestockt werden. Und man muss schriftlich und verbindlich nachweisen, was man mit den Fördermitteln finanziert hat. Alle Infos über die Fördermaßnahmen der Stadt Wien finden Sie hier, die komplette Förderrichtlinie hier.
Niederösterreich: Jetzt 50 Prozent statt 20 Prozent
Das von der Flut am schwersten betroffene Bundesland hat, nicht zuletzt auf Zuruf von Bundeskanzler Nehammer, die Entschädigungssumme aus dem Katastrophenfond von bislang mindestens 20 auf mindestens 50 Prozent der Schadensumme angehoben, in Härtefällen sollen bis zu 80 Prozent überwiesen werden. Diese Leistungen sind nicht gedeckelt. Beihilfen können bis maximal 6 Monate nach dem Schadenereignis angemeldet werden. Für Akutfälle sind hier auch Sofort-Überweisungen möglich. Alle Infos zu den Beihilfen in Niederösterreich finden Sie hier, die komplette Richtlinie hier.
Burgenland: 100 Prozent, maximal 150.000 Euro
Das Land übernimmt 100 Prozent der Schadensumme (nach Abzug der Versicherungsleistungen), maximal aber 150.000 Euro. Der Antrag sollte bis 6 Wochen nach dem Ereignis gestellt werden, maximal 3 Monate danach. Alle wichtigen Infos zu den Förderleistungen des Burgenlandes finden Sie hier, die komplette Sonderrichtlinie, die eigens für die beiden Hochwässer im Juni des Jahres und jetzt beschlossen worden ist, finden Sie hier.
Steiermark: 50 Prozent ohne Deckel
Bei Gebäudeschäden werden derzeit 50 Prozent der Schadensumme ersetzt, dieser Betrag ist nicht gedeckelt. Der Antrag sollte binnen 2 Monaten nach dem Schadenereignis gestellt werden. Die wichtigsten Infos zu den Katastrophenförderungen des Landes Steiermark finden Sie hier, Details aus der Richtlinie hier.
Oberösterreich: 20 Prozent bis 50 Prozent
Ersetzt werden 20 bis 50 Prozent der Schadensumme, je nach persönlicher und wirtschaftlicher Lage des Antragstellers. Bei Härtefällen sind auch höhere Zuschüsse möglich. Dieser Betrag ist nicht gedeckelt. Die Anträge sollten bis maximal 4 Monate nach Eintritt des Schadens gestellt werden. Infos zur Katastrophenhilfe in Oberösterreich finden Sie hier, die komplette Richtlinie hier.
Salzburg: 30 Prozent, maximal 500.000 Euro
Für gewöhnlich werden 30 Prozent der Schadensumme ersetzt, dieser Betrag ist mit 500.000 Euro gedeckelt. Der Antrag sollte binnen 6 Monaten nach dem Schadenereignis eingebracht werden. Infos zur Katastrophenhilfe des Landes finden Sie hier, die komplette Richtlinie hier.
Kärnten: Sofort 10.000 Euro, Rest unklar
Gar nicht fest legt sich das Land Kärnten, was die genaue Unterstützungssumme für Geschädigte aus Naturkatastrophen betrifft. Es gibt allerdings eine Sofortmaßnahmen-Regelung, bei der bis zu 10.000 Euro ausgeschüttet werden können. Die Beihilfen darüber hinaus werden nach einem relativ komplizierten Schlüssel festgelegt. Anträgt sollten bis spätestens 6 Monate nach einem Schadenereignis gestellt werden. Alle Infos sowie Dokumenten- und Richtlinien-Downloads finden Sie auf der Seite der Kärntner Landesregierung unter "Kärntner Nothilfswerk".
Tirol: In der Regel 50 Prozent
Ersetzt werden bis zu 50 Prozent der anerkannten Schadensumme und maximal 100.000 Euro, wobei Entschädigungssummen darüber hinaus in Härtefällen bis zu 80 Prozent des Schadens abdecken können. Antragsteller müssen allerdings zunächst ein Schadengutachten beibringen, das sie selbst zu beauftragen und zu bezahlen haben. Die Anträgt sollten bis spätestens 6 Monate nach dem Ereignis eingebracht werden. Die komplette Richtlinie des Landes finden Sie hier.
Vorarlberg: Ebenfalls 50 Prozent
Je nach Einkommenshöhe des Antragstellers werden bei Gebäuden bis zu 50 Prozent der Schadensumme als Entschädigung ausbezahlt. Anträge sollten bis spätestens 6 Monate nach diesem Ereignis eingebracht werden. Alle Infos zu Entschädigungen nach Elementarschaden-Ereignissen finden Sie hier, die komplette Richtlinie hier.
Auch die heimischen Banken haben Hilfspakete und Angebote für die Opfer der Unwetterkatastrophe geschnürt. Raiffeisen NÖ-Wien bietet einen eigenen Elementarschaden-Kredit über maximal 50.000 Euro, die Erste Bank eine Hochwasser-Sofortfinanzierung (über maximal 50.000 Euro) und die Bank Austria ein Hochwasser-Soforthilfepaket (ebenfalls über maximal 50.000 Euro).